Alien: Isolation13.08.2014, Mathias Oertel

Vorschau: Die Jagd hat begonnen

Denkt man an Spiele zu den Alien-Filmen, fallen einem gegenwärtig meist zwei Titel ein: Der Klassiker Aliens vs. Predator und Aliens - Colonial Marines. Letzteres ist auch wegen der zweifelhaften Begleitumstände der Entwicklung eher in negativer Erinnerung. Kann das von Creative Assembly als Survival-Horror konzipierte Alien Isolation die Ehre der Xenomorphen wieder herstellen? Wir haben einige Abschnitte des SciFi-Terrors gespielt.

Ripley und das Familienkarma

Als Ellen Ripley, in den Filmen unnachahmlich verkörpert von Sigourney Weaver, ihrer Tochter Amanda sagte, dass sie zu ihrem elften Geburtstag wieder da sei, konnte Amanda nicht wissen, dass dies die letzten Worte ihrer Mutter zu ihr sein würden. Als Angestellte von Weyland-Yutani, der gleichen Firma, für die auch Ellen Ripley arbeitete, erfährt Amanda, dass der Flugschreiber der Nostromo gefunden wurde - das Schiff, auf dem ihre Mutter diente, bevor sie verschwand. Sie macht sich auf den Weg zur Raumstation Sevastopol, wo der Flugschreiber aufbewahrt wird. Natürlich in der Hoffnung, Antworten auf viele Fragen hinsichtlich des Verschwindens ihrer Mutter zu finden. Doch es kommt, wie es kommen muss: Auch sie sieht sich schließlich einem Xenomorph gegenüber, das sein Unwesen auf der Handelsstation treibt. Und als ob das nicht reichen würde, machen auch gestörte Androiden sowie Söldner von Weyland-Yutani die Station unsicher.

Der beste Freund im spannenden Überlebenskampf: Der Bewegungsmelder.
In der vorliegenden Preview-Version verpasst man leider den Einstieg, denn es geht mit Mission 5 los. Und das zeitlich deutlich vor dem zweiten Film angesiedelte Spiel (dort erfährt Ellen Ripley nach dem Aufwachen aus dem 57 Jahre dauernden Stasis-Schlaf, dass Amanda in der Zwischenzeit gestorben ist) setzt auch darauf, dass man sich ein wenig mit den Aliens auskennt und entsprechend vorsichtig in Konfrontationen geht. Denn wie im ersten Film von Ridley Scott gibt es hier nur einen einzigen Vertreter der hochgefährlichen Außerirdischen, die ihre Opfer auch als Wirt für ihre heranwachsenden Embryonen missbrauchen. Und er ist ein übermächtiger Gegner, der das Überleben in einer direkten Konfrontation unmöglich macht.

Der Überlebenskampf beginnt

Dabei dauert es in dieser fünften Mission relativ lange, bis man dem bedrohlichen Vieh begegnet. Doch die Schäden, die es bislang auf der Sevastopol angerichtet hat, sind deutlich: Während man dabei ist, für eine verletzte Kameradin medizinische Hilfmittel zu besorgen, stolpert man über Leichen. Mannschaftsräume, die eigentlich mit Leben bersten sollten, sind leer und totenstill. Manche Räume weisen Kampfspuren auf, andere wirken wie frisch geputzt, in vielen Bereichen der Station ist nur Notstrom aktiv - die damit verbundene Dunkelheit bzw. sparsame Beleuchtung sorgt für eine

Die Kulisse wirkt nicht immer zeitgemäß, aber hilft dennoch vor allem dank gut eingesetzter Lichteffekte enorm, die Atmosphäre aufzubauen.
schaurige Atmosphäre. Nachdem man in der Rolle Amandas (die Figur wird aus Egosicht gesteuert) erste clevere Schlossknackrätsel gelöst hat und man sich sicher wähnt, beginnt die Panik mit einem Paukenschlag: Das Alien bricht eine Deckenluke auf und klettert nach unten. Man hat noch genug Zeit, sich unter einem Bett zu verstecken und Zeuge des gelungen inszenierten Auftritts des Xenomorph zu werden, der sich (geskriptet) von einem abwendet und den Level nach neuen Opfern durchsucht.

Doch dies ist mehr oder weniger das letzte Mal, dass es nicht die Fährte aufnimmt. Ab diesem Moment muss jeder Schritt bedacht sein und der Bewegungssensor, dessen Geräusche passenderweise aus dem PS4-Gamepad tönen, das auch angemessen vibriert, zum besten Freund werden. Ab diesem Moment beginnt der gnadenlose Kampf ums Überleben, der mich viele Nerven gekostet hat. Um eine Chance gegen das Furcht einflößende Alien zu haben, das allerdings etwas plastischer und unheimlicher hätte ausfallen dürfen, kann und sollte man sich zahlreicher Hilfsmittel bedienen. Dazu gehören z.B. Rauchbomben oder Geräuschgeber, die das Vieh ablenken. Doch viel wichtiger ist der eigene Überlebensinstinkt: Wo kann man sich verstecken, ohne dass man entdeckt wird? Soll man wirklich durch den Lüftungsschacht kriechen? Sollte man an bestimmten Schaltstationen Sicherungen umleiten, um z.B. durch Bodenluken entkommen zu können? Man hat zahlreiche Möglichkeiten, dem ohne feste Wege und damit angenehm unberechenbar suchenden Alien ein Schnippchen zu schlagen.

Nerven liegen blank

Vor allem die Akustik unterstützt die Bedrohung, die man beinahe körperlich spüren kann: Das Stampfen des näher kommenden Aliens wird umrahmt von schrillen Geigen, deren Intensität mit der Nähe der Gefahr zunimmt. Immer wieder hört man es durch die Lüftungsgänge huschen oder wie eine Automatiktür bei seinem Vorbei- oder Durchgehen ihren Dienst verrichtet. Jeder Schritt, den man macht, könnte der letzte sein. Denn auch in Verstecken ist man nie komplett sicher. Zwar kann  man z.B. bei Türen durch den „Override“-Mechanismus eine temporäre Schließung bewirken. Doch wenn der Override sich automatisch wieder deaktiviert, kurz darauf ein Alien erscheint, den Raum betritt und sich umschaut, während man wie Solid Snake durch Türritzen des Spinds gebannt nach außen blickt, geht das Adrenalin nach oben. Und das nicht nur auf dieser, sondern auch auf der anderen Seite des Bildschirms: Amanda reagiert ebenso panisch. Glücklicherweise kann man die Luft anhalten, damit das Alien einen nicht spürt, während man sich über die Bewegung des Sticks so weit von der Spindtür zurückzieht, wie es das schmale Behältnis möglich macht. Aber wieso verdammt noch mal steht das Vieh noch vor der Tür? Während der Bildschirm sich langsam rötlich färbt und gleichzeitig Lichtpunkte deutlich machen, dass die Atemnot massiv plagt, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis das Alien wieder von dannen trottet. Puh.  

Wenn der Xenomorph einmal Witterung aufgenommen hat, hat Amanda kaum noch eine Überlebens-Chance...
Der Gegner reagiert je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad in höherem Radius auf Sicht und Geräusche und nimmt gnadenlos die Verfolgung auf, wenn man unvorsichtig war. Und die Ablebeanimationen sind kontextsensitiv und facettenreich: Das Alien reißt Amanda aus dem Schrank und durchbohrt sie. Der zweite ausfahrbare Kiefer kommt in verschiedenen Formen zum Einsatz. Es verfolgt einen unter Betten, greift aus Lüftungsschächten heraus an undundund. Selbstverständlich jedes Mal mit einem Schockeffekt, der einen beinahe aus dem Sessel hüpfen lässt. Dass man durch die Umgebungsrätsel, die mitunter auch zeitaufwändiges Bedienen von Computern oder Türen (verursachen natürlich auch Geräusche) notwendig machen, immer wieder clever durch die Abschnitte gejagt wird, nutzt Creative Assembly sehr geschickt, um die Spannung hochzuhalten. Denn spätestens, wenn man sich in Sicherheit wiegt und einen Computer bedient, dabei aber erst registriert, dass sich das Alien angeschlichen hat, wenn es zu spät ist, steigt beim Neustart die Paranoia. Auch das Speichersystem wird genutzt, um Spannung aufzubauen: Man kann nur manuell an bestimmten Stationen einen Spielstand anlegen, wobei zwei im Wechsel überschrieben werden. Übersieht man eine dieser Stationen oder glaubt in einem Anflug von Selbstüberschätzung, dass man es bis zum nächsten Speicherpunkt schaffen wird, können ganz schnell mal 20 bis 30 Minuten Spielzeit verloren gehen - inklusive aller Fortschritte, die man hinsichtlich Rätseln oder Gegenständen gemacht hat.  

Gefahr des Totlaufens?

... selbst aus dieser Entfernung und mit einer selbstgebastelten Bombe in Bereitschaft ist die Bedrohung durch das Alien hoch.
Das Speichersystem kann zusammen mit der Unberechenbarkeit des Aliens durchaus für Frust sorgen. Mal kommt man schnell und unbeschadet von A nach B, beim nächsten Mal kommt man nur mühsam von Versteck zu Versteck, weil das Drecksvieh partout nicht auf die andere Seite der Station wechseln möchte. Andererseits bekommt man auch relativ schnell ein Gefühl dafür, wie man dem Gegner aus dem Weg gehen kann. Hier muss Creative Assembly beweisen, dass man auch langfristig die Spannung zumindest aufrechterhalten, idealerweise sogar steigern kann. Dies möchte man scheinbar über geskriptete Events sowie die zusätzlichen Gefahren auf der Station in Form von Androiden (quasi fiese „Bishops“) und Söldner im Dienste der Weyland-Yutani schaffen. Aber das gelingt nicht immer. Die Explosionen z.B., die einem den Weg versperren, einen aus der Schleichstarre wecken und beinahe panisch werden lassen, weil dieses massive Geräusch sicherlich nicht vom Alien überhört werden konnte, scheinen als Mittel reizvoll.

Bei den Gegnern bin ich mir nicht so sicher. Denn spätestens, wenn man den Xenomorph durch eine Explosion oder sonstigen Einsatz von Gadgets (die man über wie in The Last of Us über sammelbare Bauteile selber herstellen kann) auf die Fährte eines stattlichen Söldnertrupps hetzt, der natürlich keine Chance hat, wird die Mechanik wieder auf "Amanda-gegen-Alien" reduziert. Auch hier muss Alien Isolation im Test beweisen, dass es mehr kann als nur temporäre Spannung über das Katz-und-Maus-Spiel aufzubauen - auch wenn dies immer wieder sehr gut gelingt. Doch bis hierhin ist zumindest das Erzähltempo überzeugend, das ruhige Momente immer wieder mit Nerven zerfetzender Spannung ähnlich der in Outlast verbindet. Und man muss Creative Assembly zugestehen, dass die Atmosphäre des ersten Films, in dem auch nur ein Alien für sämtliche Spannungsmomente verantwortlich zeichnet, mit Isolation sehr gut einfangen und fortgesetzt wird.

Ausblick

Nach dem Colonial-Marines-Desaster war die Skepsis groß. Doch nach drei gespielten Abschnitten lässt sich bei Alien Isolation feststellen: Creative Assembly ist auf einem guten bis sehr guten Weg. Der Überlebenskampf von Amanda Ripley wird spannend inszeniert und mit überraschenden Schockmomenten garniert. Der Xenomorph als übermächtiger Antagonist, der jeden Fehler gnadenlos bestraft und nahezu überall unerwartet auftauchen kann, sorgt zusammen mit dem Speichersystem, das nur an bestimmten Stationen zugänglich ist, für eine enorme Intensität. Die Kulisse bleibt zwar hin und wieder den "Next-Gen"-Anspruch schuldig (vorliegend war die PS4-Version), schafft aber mit ihrem altmodischen SciFi-Design sowie ansehnlichen Lichteffekten einen stimmungsvollen Rahmen. Mitunter kommt allerdings trotz zahlreicher Interaktionen zu viel Routine in das Katz-und-Maus-Spiel, die sich negativ auf den Spannungsbogen auswirkt und die über die gesamte Spielzeit aufgebrochen werden muss. Auch die Gefahren durch Androiden und Söldner müssen sich noch beweisen. Doch wenn Creative Assembly darauf ebenso überzeugende Antworten findet wie bei den Kernmechaniken, könnte man den guten Ruf der Alien-Spiele wiederherstellen.  
 
Einschätzung: gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.