Evolve11.02.2014, Michael Krosta
Evolve

Vorschau:

Mit Left 4 Dead haben die Turtle Rock Studios eines der besten und intensivsten Koop-Erlebnisse geschaffen. Auch bei ihrem neuesten Projekt Evolve (ab 10,49€ bei kaufen), das nach der THQ-Pleite bei 2K Games gelandet ist, bleibt man der Formel treu und schickt ein Quartett auf Monsterjagd. Der Clou an der Geschichte: Das Biest wird nicht nur zunehmend stärker, sondern wird ebenfalls von einem Spieler kontrolliert. Die Evolution der Koop-Action?

Inspiriert von Left 4 Dead

Erinnert ihr euch noch an die Begegnungen mit den schwer gepanzerten Tanks, die meist im großen Finale der L4D-Episoden aufgetaucht sind und einiges wegstecken konnten? Schon eines dieser Biester richtete verheerenden Schaden an und konnte die Trupp mit wenigen Volltreffern im Handumdrehen kampfunfähig machen.

Genau diese Situation nahmen sich die Entwickler zum Vorbild, als sie über einem neuen Koop-Konzept tüftelten. Sie wussten: Die Auseinandersetzungen mit dem Tank hatten Endboss-Charakter, waren spannend und erforderten Teamwork – alleine hatte man gegen dieses Ungetüm genauso wenig eine Chance wie gegen eine aufgeschreckte Witch. Doch es war eben nur ein weiterer Kampf gegen ein KI-Monster. Und so dachte man sich: Wäre es nicht viel cooler und unberechenbarer, wenn ein weiterer Spieler das Ungetüm kontrollieren würde? Könnte man es schaffen, einen gigantischen Bossfight zu inszenieren, in dem sich vier Spieler gemeinsam einer mächtigen Kreatur stellen? „Wir wollten die DNA von Left 4 Dead als Basis nutzen, sie aber mit einem kompetitiven Aspekt anreichern“, so Phil Robb, Gründer und Art Designer bei Turtle Rock. Evolve ist das Ergebnis dieser Gedankenspiele, von deren Potenzial man zunächst THQ überzeugen konnte. Nach der Pleite des Publishers im letzten Jahr witterte dann Take Two die Chance und gab das höchste Gebot ab, um sich die Rechte an der neuen Marke zu sichern, an der das Studio bereits seit drei Jahren werkelt.

Einer für alle, alle für einen

Vier Jäger - und jeder von ihnen hat individuelle Fähigkeiten.
Waren die Figuren in L4D hinsichtlich ihrer Fähigkeiten identisch, hat man sich hier für ein Klassensystem entschieden, das jedem der vier Spieler eine bestimmte Rolle zuweist. Als Assault ist man quasi die Speerspitze des Teams und teilt am meisten Schaden aus. Dabei eignet sich die extrem starke Lightning Gun vor allem für Nahkämpfe – hier setzt man dem Monster richtig zu! Die Assault Rifle ist zwar im Vergleich etwas schwächer, trifft dafür aber auch aus der Entfernung ihr Ziel. Darüber hinaus darf man als Assault auch die Umgebung verminen und sich mit einem regenerierenden Schild kurzzeitig unverwundbar gegenüber den heftigen Attacken des Monsters machen.

In der Support-Rolle leistet man  - wie es der Name schon sagt - vor allem Unterstützung fürs Team. Und die kann sowohl offensiv als auch defensiv ausfallen: Mit dem Laser Cutter greift man dem Assault z.B. unter die Arme, auch wenn die Waffe längst nicht so viel Schaden anrichtet wie dessen Ausrüstung. Allerdings besteht die Möglichkeit, in zeitlichen Abständen einen Luftschlag aus dem Orbit anzufordern. Befindet sich das Monster im Zielradius, wird es massiv einstecken müssen! Im defensiven Bereich hat die Support-Einheit zwei weitere Asse im Ärmel: Zum einen schützt er mit der Shield-Gun in einem beschränkten Zeitraum einen der Mitstreiter vor Angriffen, vergleichbar mit dem Schild des Assaults. Zum anderen verfügt er über eine Tarnvorrichtung, die nicht nur ihn, sondern sämtliche Kameraden in einem kleinen Umkreis unsichtbar macht.

Augen und Ohren auf!

Mit jeder Evolutionsstufe wird das Monster größer, stärker und gefährlicher.
Die Aufgabe des Medics ist ebenfalls selbsterklärend: Er sorgt dafür, dass das Team am Leben bleibt! Das macht er zum einen mit der Medgun, mit der die Energieleiste des anvisierten Kameraden wieder aufgefüllt wird. Nutzt man den Healing Burst, heilt man nicht nur sich selbst, sondern alle Mitstreiter, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Daneben leistet man als Medic auch aktive Unterstützung im Kampf: Zwar richten Treffer mit dem Betäubungsgewehr nur wenig Schaden an, doch werden die Bewegungen des Monsters deutlich verlangsamt und dadurch auch Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt. Noch effektiver ist aber der Einsatz der Anti-Material-Rifle – einer Art Scharfschützengewehr, mit der man die gepanzerte Haut des Monsters nicht nur durchdringt, sondern gleichzeitig einen Schwachpunkt öffnet, den die Mitstreiter umgehend ins Visier nehmen sollten.

Der Trapper ist für mich die interessanteste Klasse, denn obwohl seine Submachine-Gun nicht gerade viel bewirken kann, hat man Zugriff auf eine coole Auswahl an Extras, die dem Team bei der Monsterjagd helfen können. So darf man überall auf der Karte Soundsensoren platzieren, die beim Versteckspiel neben aufgeschreckten Vögeln und Fußspuren wertvolle Hinweise liefern können, wo sich das Biest gerade aufhält. Hat man es entdeckt, ist die Zeit zum Einsatz der mobilen Arena gekommen: Mit dieser Leuchtkuppel schneidet man dem Mistvieh den Fluchtweg ab und hält es zeitweise in einem begrenzten Areal gefangen – es sei denn, es entkommt aus dem Radius, bevor die Materialisierung der Arena abgeschlossen ist, die für eine erneute Verwendung erst wieder aufgeladen werden muss. Auch hat er eine Harpune im Gepäck, mit deren Hilfe er das Biest bei seinen Fluchtversuchen hindern kann.

Als Tapper platziert man Audio-Sensoren oder nutzt eine Harpune, um das Biest an der Flucht zu hindern.
Allen vier Jägern gemeinsam ist das Jetpack, was die Fortbewegung im unwegsamen Dschungelgelände ungemein erleichtert. Es fühlt sich großartig an, Abgründe durch den Einsatz der Düsen zu überwinden oder auf den ersten Blick unerreichbare Vorsprünge und Plattformen zu erklimmen. Gerade bei Verfolgungsjagden kommt man schnell in einen angenehmen Flow, wie man ihn z.B. auch in Titanfall erlebt und der sogar leichte Erinnerungen an Mirror’s Edge weckt. Trotzdem sollte man immer die Augen offen halten, wenn man durch das Dickicht huscht: Neben dem XL-Monster stellen auch Flora und Fauna des fremden Planeten eine Gefahr für das Quartett dar, wobei die Bedrohungen von aggressiven Kreaturen bis hin zu Fleisch fressenden Pflanzen reichen. Dabei wird die ansehnliche Kulisse durch die Power der CryEngine zum Leben erweckt und hinterlässt vor allem dank der detaillierten Vegetation und schicken Lichteffekten einen guten Eindruck. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, als hätte das Studio die Arbeiten an Evolved bereits auf der letzten Generation begonnen und lediglich für die neuen Systeme optimiert. Das soll nicht heißen, dass das Spiel schlecht aussieht, doch der technische Fortschritt gegenüber 360 & Co wird eben nur im Ansatz versprüht.  Stand im Rahmen des Preview-Events für jede Klasse nur eine Figur zur Auswahl, soll das fertige Spiel übrigens eine ganze Reihe an unterschiedlichen Charakteren und alternativen Ausrüstungen bieten.

Auf der Suche nach Wachstumsschüben

Und wie lebt es sich so als Monster? Eigentlich dürfte man meinen, leichtes Spiel mit den Jägern zu haben – immerhin ist man größer und stärker als jeder einzelne von ihnen, besitzt einen dicken Hautpanzer und freut sich schon zu Beginn über eine üppige Lebensleiste. Außerdem hat man Zugriff auf eine Auswahl an verheerenden Angriffen, mit denen man ordentlich austeilen kann. Als Goliath darf man seine Widersacher z.B. durch Feuerspucken ordentlich durchbrutzeln, sie zerstampfen oder ganz nach Vorbild des Tanks Felsen auf sie schleudern und ihnen mit einer Rammattacke  zusetzen. Die Macht wird allerdings schnell relativiert, da man zu Beginn nur zwei der Fähigkeiten wählen darf. Erst wenn man als Monster die nächste der drei Evolutionsstufen erreicht, darf man weitere Attacken ergänzen und wird entsprechend gefährlicher.

Evolution!

Das wäre der richtige Moment, um das Schutzschild zu aktivieren!
Und wie setzt man die Evolution in Gang? Im Idealfall tötet man einen der Spieler und verspeist anschließend dessen Leiche, doch steht man in der Regel unter Dauerbeschuss. Wer mehr Ruhe bei der Mahlzeit bevorzugt, frisst sich alternativ durch die Pflanzen- und Tierwelt der Karte. Das dauert zwar länger, ist aber deutlich stressfreier. Doch Vorsicht: Größere Vertreter der Fauna eignen sich erst in höheren Evolutionsstufen als Snack und stellen nicht nur für die Jäger, sondern auch das Monster eine Gefahr dar. Natürlich kann man dies auch zu seinem Vorteil nutzen: Warum nicht einfach die Jäger in eine Falle locken und die Biester die Drecksarbeit erledigen lassen?

Der Eindruck täuscht

Bei meiner ersten Runde als Monster wurde ich schnell mit den Fakten konfrontiert: Ja, ich bin zwar groß und stark, aber leider auch alleine. So konnte mich auch meine dicke Haut nicht lange vor dem Dauerbeschuss von allen Seiten schützen und ich habe es nicht einmal geschafft, die erste Evolutionsstufe zu erreichen – auch deshalb, weil ich mich erst mit der Schulterperspektive warm werden und mich die zunächst gewöhnungsbedürftige Steuerung verinnerlichen musste. Hinzu kommt, dass man die Verwandlung nur in sicherem Terrain durchführen darf.

Teamwork ist der Schlüssel.
In meiner zweiten Runde machte ich mir deshalb verstärkt die Fähigkeiten abseits der rohen Kraft und Gewalt zunutze: Per Knopfdruck aktivierte ich den ausgezeichneten Geruchssinn von Goliath, der ähnlich funktioniert wie ein Sonar und mir die Positionen der stinkenden Drecks-Jägerbande verrät und durch Silhouetten visualisiert. Nach meinem kleinen zeitlichen Vorsprung schlich ich außerdem langsam auf Zehenspitzen weiter, um weder leuchtende Fußspuren zu hinterlassen noch Stampfgeräusche zu erzeugen. Durch meine Kletterfähigkeiten brachte ich mich außerdem in eine erhöhte Position, um einen möglichst guten Überblick über das Gelände zu erhaschen. Ja, hier ließ es sich aushalten und ich fühlte mich für einen Moment sicher. Ein Zeitlimit hat man zwar nicht im Nacken, doch das reine Versteckspiel reicht nicht aus für den Sieg.

Der Weg ist das Ziel

In der Rolle des Monsters verfolgt man zwei Ziele: Die größte Genugtuung besteht selbstverständlich darin, alle vier Jäger nacheinander auszuschalten. Dabei muss man allerdings bedenken, dass getötete Spieler nach einer Wartezeit von ca. einer Minute wieder in die Partie einsteigen dürfen, sobald sie vom Versorgungsschiff zurückgebracht werden. Doch es gibt auch einen Plan B: Im Fall der gespielten Karte müssen die Jäger ein Kraftwerk schützen, sobald das Monster die dritte und damit höchste Evolutionsstufe erreicht hat. Gleichzeitig öffnen sich bei zu starker Beschädigung die Schutzräume der Einrichtung und Zivilisten strömen in die Wildnis. Zerstört der Goliath das Kraftwerk oder tötet alle Flüchtlinge, geht er ebenfalls als Sieger der Runde hervor.

Eine Frage des Balancings

Bei der Koop-Action geht es mitunter heiß her.
Dabei stellt sich unweigerlich die Frage: Wie ausgeglichen ist eigentlich das Kräfteverhältnis zwischen Jägern und Monstern? Im Rahmen des Events ließ sich keine eindeutige Antwort finden: Ein gewitzer Monster-Spieler konnte das Jäger-Team innerhalb weniger Minuten komplett auslöschen, während ein eingespieltes Quartett die Lebenszeit des Ungetüms rapide verkürzte. Andere Sessions zeichneten sich dagegen durch einen langen Schlagabtausch zwischen beiden Seiten und extrem knappe Siege aus. Die Entwickler der Turtle Rock Studios versichern, viel Zeit ins Balancing und entsprechendes Feintuning zu investieren. Auch beim Matchmaking will man dafür sorgen, dass Spieler mit vergleichbaren Fähigkeiten zusammengewürfelt werden und möglichst spannende Partien entstehen. Ich bin derzeit skeptisch, ob der Plan tatsächlich aufgehen wird und bin überzeugt: Einem eingespielten Team an Jägern wird selbst ein clever agierendes Monster nicht viel entgegensetzen können. Ich lasse mich aber gerne positiv überraschen…  

Zeit für eine Ramm-Attacke!
Abgesehen davon macht die Monsterjagd selbst bei einem Ungleichgewicht noch viel Spaß, reicht aber an die Faszination von Left 4 Dead nicht heran: Die Zombie-Hatz ist nicht nur zugänglicher, sondern gestaltet sich durch die Eingriffe des AI-Directors auch dramatischer und wirkt aufgrund der dank mehr Gegnertypen auch abwechslungsreicher. Allerdings versprechen die Entwickler für das fertige Spiel nicht nur mehr Karten und Spielmodi, sondern auch weitere Monster, die vom Spieler kontrolliert werden können. Mehr Details wollten sie aber noch nicht verraten.

Nichts für Solisten?

Viele kennen das Problem: Man bekommt nicht immer die nötige Anzahl an Freunden für eine kleine Online-Partie zusammen und mit fremden Leuten will man auch nicht unbedingt losziehen. Für diesen Fall wird Evolve einen Offline-Modus im Stil von Left 4 Dead bieten. Das heißt, dass jede Rolle optional von der KI übernommen wird – inklusive des Monsters. Auch in Online-Sitzungen kann man fehlende Mitspieler durch KI-Kameraden oder einen computergesteuerten Widersacher ersetzen. Bleibt zu hoffen, dass man auch in diesem Fall auf spannende Partien entstehen können.

Ausblick

Ich liebe Left 4 Dead! Selbst heute treffe ich mich noch regelmäßig mit Freunden, um gemeinsam im LAN von einem Schutzraum zum nächsten zu hecheln und die Zombie-Meute in faulende Fleischklumpen zu verwandeln. Evolve kann diese Faszination zwar nicht ganz entfachen, doch wird uns das neue Werk der Turtle Rock Studios Ende des Jahres sicher viel Spaß bereiten: Durch die festgelegten Rollen sind effektive Zusammenarbeit und Absprachen noch essentieller für den Jäger-Erfolg, während das wachsende Monster unter Spielerkontrolle dem Design eine interessante Facette hinzufügt, obwohl man etwas Ähnliches bereits im Versus-Modus von L4D sowie anderen Mehrspieler-Ansätzen erlebt hat – man denke z.B. an den Beast-Modus von Gears of War oder Dead Space 2. Skeptisch bin ich, ob eine gute Balance zwischen beiden Seiten gelingt und ob es mit der Auswahl an Karten, Modi, Monstern und Figuren genug Abwechslung gibt. Ich bin gespannt!

Eindruck: gut

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