Der Geist von Colin McRae
Ein bisschen hat man das Gefühl, als wolle Codemasters zurück ins Jahr 1998. Damals, als man in Zusammenarbeit mit dem schottischen WRC-Piloten Colin McRae die Faszination des anspruchsvollen Motorsports in einem großartigen Videospiel einfing. Kein Gymkhana, keine Pyrotechnik oder Showeinlagen am Streckenrand, keine coolen Kommentatoren, sondern einfach nur der Kampf gegen die Natur und die Uhr hinter dem Steuer von reinrassigen Rallyewagen. Genau dieser Aspekt rückt auch bei DiRT 4 wieder in den Mittelpunkt: In Australien, Spanien, Michigan, Schweden und Wales rast man sowohl in modernen als auch historischen Boliden über die Pisten – und das zu verschiedenen Tageszeiten sowie wechselnden Witterungsbedingungen.
Unendliche Streckenvariationen?
Die klassische Rallye steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung.
Eine Neuerung stellt der Strecken-Editor innerhalb der Rallye-Veranstaltungen dar: Anstatt wie bisher fertige Wertungsprüfungen präsentiert zu bekommen, werden sie hier vor dem Rennstart generiert. Dazu legt man mit zwei Schiebereglern neben Wetter und Tageszeit grob die Länge sowie Komplexität der gewünschten Piste fest – schon wird aus den Parametern eine einzigartige Strecke gebastelt. Laut Codemasters soll dieses System die Abwechslung fördern und den Spieler mehr in die Rolle eine realen Piloten versetzen, der die Prüfungen ebenfalls nicht in vielen Testläufen einstudieren kann, sondern sich in erster Linie auf die Ansagen seines Co-Piloten verlassen muss.
Ich stehe diesem Ansatz noch mit geteilter Meinung gegenüber: Der Gedanke dahinter ist sicher prima. Allerdings würde ich mir wünschen, noch etwas mehr Einfluss auf die Streckengestaltung nehmen zu können. Es muss ja nicht gleich ein aufwändiger Baukasten werden. Der Amiga-Titel Lotus III beinhaltete schon damals ein sehr ähnliches Editor-Konzept, erlaubte für die Generierung von Strecken aber mehr Feineinstellungen, darunter z.B. die Schärfe von Kurven, Höhenunterschiede oder auch Hindernisse. Vielleicht wäre es auch hier besser, wenn Codemasters die Einstellungen unter dem Sammelbegriff „Komplexität“ noch etwas weiter aufdröseln würde.
Die Suche nach Perfektion
Für Rallycross-Events nutzt Codemasters jetzt sogar die offizielle Lizenz der FIA.
Davon abgesehen darf man auch nicht vergessen, dass vom klassischen Ansatz in Rennspielen ebenfalls eine große Faszination ausgeht: Auf der Suche nach Perfektion brettert man immer und immer wieder über die Pisten, prägt sich dabei jede Bodenwelle ein und findet irgendwann seine Ideallinie. Das fällt bei prozedural generierten Wertungsprüfungen zunächst weg, da man sich hier nicht erst langsam ans Limit herantasten kann, sondern sich direkt am Limit bewegen muss. Wie ein richtiger Rallyefahrer halt. Immerhin wird es möglich sein, die generierten Strecken an Freunde zu schicken und sie zu klassischen Zeitfahr-Duellen im Stil von DriveClub herauszufordern – hier dürfte das Einstudieren des Streckenverlaufs also wieder an Bedeutung gewinnen.
In Australien durfte ich schon ein bisschen mit den Drehreglern herumspielen und stellte fest: Ja, man merkt die Variationen, doch oft gleichen sich bereits viele Abschnitte innerhalb einer Strecke ziemlich auffällig und das „Baukastenprinzip“ wird deutlich. Von daher habe ich noch leichte Zweifel, ob weniger, dafür aber sorgfältig designte Strecken nicht vielleicht doch die bessere Wahl gegenüber den zig Variationen wären. Immerhin trifft man bei Wertungsprüfungen jetzt manchmal auf Pannenfahrzeuge am Straßenrand – ein Feature, das manche Leute bei DiRT Rally noch vermisst haben. Und auch beim Schadensmodell bzw. der visuellen Darstellung legt man zu und zeigt sowohl detaillierte Verformungen und Beulen bei Karosserien als auch abfallende Teile wie etwa die Motorhaube. In der Anspiel-Version waren mechanische Auswirkungen zwar deaktiviert, aber werden hier genauso vorhanden sein wie beim Sim-Ableger. Ob man auch bei der Detailverliebtheit hinsichtlich der Setup-Einstellungen festhalten wird, muss sich aber erst noch zeigen.