Vorschau: Der Spaß an der Zerstörung
Die Rückkehr nach Hause
Wenn Diktatoren ihrem Volk zusetzen, wird die "Agentur" eingeschaltet - quasi das politische Gegenstück zu den "Men In Black". Die Ein-Mann-Armee Rico Rodriguez braucht nur einen "triftigen Grund" (Just Cause), um einen Guerrilla-Krieg anzuzetteln. Das Ergebnis bislang: Der fiktive südamerikanische Inselstaat San Esperito wurde ebenso befreit wie die südostpazifische Gegenstück von Panau. Für seinen neuen Auftrag verschlägt es ihn nach Hause. Seine Heimat, das mediterrane Medici (wie in den bisherigen Teilen ein fiktiver Inselstaat) leidet unter der brutalen Gewalt von General Di Ravello. Und das bedeutet: Rico beginnt einen Feldzug gegen den Diktator, bei dem es Chaos regnen wird und ein Sturm der Zerstörung durch das Land zieht, auf dessen Schwingen Rico mit seinem Wingsuit wie ein mit Speed gedopter Racheengel gleitet. Das ist zumindest die Theorie.
Explosiver Stunt-Spielplatz
Bis zu drei Waffen kann man jederzeit mit sich führen, wobei man auch Schießprügel der Feinde aufnehmen darf, die dann auch per Abwurf angefordert werden können - wie auch alle bis dato freigeschalteten Fahrzeuge, die in Sekundenschnell an der gewünschte Stelle mit einem Container und Konfetti fallen gelassen werden. Und ausgehend von der bisher in Medici verbrachten Zeit gibt es verdammt viel freizuspielen. Ich hoffe nur, dass Avalanche das alles wie bei den Vorgängern in einen vernünftigen Kontext bringen und auch erzählerisch motivieren kann. Klar möchte ich irgendwann im Spiel auch die (fiktive) Edelkarosse mit 700 PS fahren, die an italienische Luxus-Sportwagen erinnert. Doch ich möchte auf dem Weg dorthin nicht mit "Sammle 100 Federn" oder ähnlichen Sperenzchen konfrontiert werden. Offene Welt: Super! Tu, was dir Spaß macht: Gerne doch! Genieße die Freiheit: Lasse ich mir nicht zweimal sagen! Aber es darf nicht zum Selbstzweck verkommen.
Das Drama mit der Dramaturgie
Daher lege ich große Hoffnung in die Drehbuchschreiber, die in der gespielten Version eine untergeordnete Rolle spielten. Hier ging es vorrangig darum, zu zeigen, was man in Medici alles machen kann. Und das ist abseits von sehenswerter Zerstörung sowie der politischen Befreiung eine Menge. Allerdings auch eine Menge Standard-Zeugs: Auto-Rennen gehören ebenso zum guten Ton wie der asynchrone Vergleich mit Freunden. Wer hat den längsten Freefall hingelegt? Wer die weiteste Strecke mit dem Wingsuit? Höchstgeschwindigkeit? Treffergenauigkeit? Missionsdauer? Es scheint, als ob Avalanche an alle möglichen Vergleichsoptionen gedacht hat, um über dieses einfache Mittel die Spieler zusätzlich zu motivieren. Solange es nicht als Ersatz für eine ordentliche Dramaturgie geplant ist, habe ich nichts dagegen.
Schöne bunte Mittelmeerwelt
Dabei bezweifle ich allerdings jetzt schon, dass man auch nur annähernd die Qualität der Kulisse egalisieren kann. Ich durfte zwar nur auf einer verhältnismäßig kleinen Insel mit Rico für Recht und Unordnung sorgen, doch weder bei Sichtweite, Detailfreude hinsichtlich der Architektur und schon gar nicht bei der angerichteten Zerstörung kann ich großartig meckern. Ja: Das eine oder andere Clipping sollte noch behoben werden. Und gelegentlich fiel die Bildrate ab - niemals so, dass es Spiel beeinflussend wäre und natürlich weiß ich, dass bis zum Release am 1. Dezember dieses Jahres noch ausreichend Zeit vorhanden ist, die zur visuellen Optimierung genutzt werden kann. Doch das wirkt angesichts des Rests der Prachtkulisse
Die prozedural generierte und auf Havok-Physik beruhende Zerstörung kann sich ebenfalls sehen lassen. Zwar kann man nicht alle Bauwerke in Schutt verwandeln, doch wenn die in den Himmel ragenden Antennenmasten mit ihren Dutzende Meter durchmessenden Parabolspiegel in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus, die mit multiplen (sowie regulierbaren) Greifhaken verbundenen Gegenstände (bis hin zu Autos) zu Waffen werden oder die stark frequentierte Brücke einstürzt wie ein Bauklotz-Bauwerk (am besten in das physikalisch korrekt reagierende Wasser des Mittelmeeres), stellt sich die Frage nach den Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung erst beim zweiten Nachdanken. Und vielleicht schafft es Avalanche, auch darauf Antworten in Form von Konsequenzen etc. zu finden. Es wäre ihnen zu wünschen, denn beim Thema "Bis zum Bersten gefüllter Abenteuer-Spielplatz in offener Welt" macht ihnen eigentlich keiner etwas vor.
Ausblick
Die Geschichte war nie das wichtigste Merkmal der Serie. Doch sie war ein erzählerisches Bindeglied für die vollkommen überzogene und meist hochexplosive Action. Nach den gut zwei Stunden in der mediterranen Welt von Just Cause 3 bleibt sie die größte Unbekannte. Die idyllische Kulisse punktet mit enormer Weitsicht, der detaillierten Architektur sowie den momentan imposantesten Explosionen der Videospielwelt. Und nach einer kurzen Eingewöhnung kontrolliert man Ricos Zerstörungsorgie mit Leichtigkeit. Die Fahrphysik des vielfältigen Fuhrparks ist mir zwar auf dem Asphalt noch einen Tick zu schwammig. Doch sowohl zu Fuß als auch per Paragliding oder mit dem Wingsuit gibt es keine Probleme, die Landschaft zu genießen oder die zahlreichen Feinde mit leichtem oder schwerem Geschütz aufs Korn zu nehmen. Dabei sind die geschmeidigen Übergänge zwischen den einzelnen Fortbewegungsoptionen stets ein Blickfang. Der Action-Spielplatz Just Cause erstrahlt also schöner als je zuvor und scheint prall gefüllt mit Aufgaben zu sein. Allerdings haben sich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit auch schon die eine oder andere Missions-Ähnlichkeit eingeschlichen. Und genau hier schließt sich der Kreis: Wenn Avalanche es schafft, die Welt nicht nur mit Explosionen, sondern auch mit Erzählstruktur zu füllen, werde ich über eventuelle Wiederholungen bei der Befreiung der 1000 Quadratkilometer großen Mittelmeer-Republik hinweg sehen können.
Einschätzung: gut
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