Just Cause 326.10.2015, Mathias Oertel
Just Cause 3

Vorschau: Willkommen in Medici

Kurz vor der E3 konnten wir bereits Zeuge von Rico Rodriguez' explosivem Zerstörungspotenzial werden, als wir mit Wingsuit und Raketenwerfer die Welt von Just Cause 3 (ab 9,00€ bei kaufen) unsicher machten. Nun haben wir abermals einen Action-Urlaub in der fiktiven Mittelmeer-Welt von Medici gebucht und uns in erster Linie auf den Einstieg und die Story konzentriert - mehr dazu in der Vorschau.

Willkommen zu Hause

Das hat sich Rico Rodriguez sicherlich auch anders vorgestellt: Anstatt die Rückkehr in seine Heimat Medici in aller Ruhe auskosten zu können, muss er sich auf den Tragflächen eines Flugzeugs mit Flak-Geschützen und allerlei anderen projektilen Anfeindungen auseinandersetzen. Der Hilferuf seines Jugendfreundes Marios scheint nicht unberechtigt. Insofern ist der im Stürzen von Diktatoren erfahrene Rico zur richtigen Zeit am richtigen Ort - der fiese General Di Ravello darf nicht ungeschoren davonkommen.  Doch nach dem explosiven Einstieg, der die Erwartung für die späteren Auseinandersetzungen auf eine hohe Messlatte legt, wird es ruhiger. Wohl wissend, dass es noch früh genug zu spektakulären Flugeinlagen mit dem Wingsuit, atemberaubenden Explosionen sowie herrlich überzogenen Feuergefechten kommen wird, schaltet Just Cause 3 zwei Gänge zurück.

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Das Zerstörungspotenzial kennt keine Grenzen.
Zum einen, um die Geschichte behutsam in Gang zu bringen, die ähnlich wie Filme à la Expendables vor Klischees und "Overacting" strotzt. Dabei bewältigt das Team von Avalanche das Kunststück, die Figuren trotz häufig hemmungslos übertriebener Verhaltensweisen und mitunter absurder Dialoge nicht ins Lächerliche abgleiten zu lassen. Am deutlichsten wird dies bei der durchgeknallten Wissenschaftlerin Dima, die Rico wie ihr MI-6-Kollege "Q" einen gewissen Herrn Bond mit Gimmicks und Gadgets ausrüstet. Von ihr stammen sowohl der Wingsuit als auch der neue Greifhaken, der in späteren Aufrüstungsstufen sogar multiple Kabel verschießen kann. Und ihre Dialoge sind immer so herzerfrischend "neben der Spur", dass ich mich immer wieder gefreut habe, wenn sich eine Szene mit ihr angedeutet hat. Die deutsche Lokalisierung gibt übrigens auch größtenteils Grund zur Freude. Die Figuren sind gut besetzt, wobei ausgerechnet Rico auf dem Anspielevent negativ abfiel und nicht ganz ins ansonsten im wahrsten Sinne des Wortes "stimmige" Gesamtbild passte. Ich wäre auch nie darauf gekommen, dass sich hinter dem Helden Moritz Bleibtreu als Stimme verbirgt, wie heute angekündigt wurde. Einerseits spricht dies für die Wandlungsfähigkeit des deutschen Schauspiel-Stars, andererseits konnte er auch schon in Battlefield 4 nicht den besten Eindruck hinterlassen. Es bleibt abzuwarten, ob das Gefühl, dass Rico "in Deutsch" nicht hundertprozentig passt, auch nach zig Test-Stunden in Medici noch Bestand hat. Und für den Fall kann man ja auf die englische Sprachspur umschalten.

Aller Anfang ist langsam

Dass sich Just Cause 3 am Anfang Zeit lässt, um auch behutsam in die Mechaniken einzuführen, gefällt mir ebenfalls. Mit der Erinnerung an das Anspielen im Juni, bei dem ich mit einem beinahe komplett ausgerüsteten Rico mehr Zeit mit Bruchlandungen als einem spektakulären Gleitflug im Wingsuit zugebracht habe, war ich für die Tempoverschleppung dankbar. Man bekommt in der ausgiebigen Tutorial-Phase eines nach dem anderen beigebracht: Fahren, den Umgang mit Sprengstoffen und Waffen, Fliegen, Schippern und nicht zuletzt die Verwendung von Greidhaken und Wingsuit, die in Kombination zu waghalsigen Stunts führen können. Nicht zuletzt wird einem auch eine Garage zur Verfügung gestellt, in der

Man kann sich an den Feuerbällen nicht sattsehen.
man jedes Fahrzeugmodell bunkern und dann später zusammen mit freigeschalteten Waffen in Abwurfkisten liefern lassen kann. Und das hat bei mir umgehend zu einer weiteren Facette der Sammelwut geführt, indem ich erst einmal alle Vehikel, die im Umkreis von etwa 500 Metern zu finden waren annektiert und meinem Fuhrpark zugeführt habe, bevor ich mich wieder auf die Missionen konzentriert habe.

Überhaupt gibt es viel zu tun. Das Spektrum reicht von Infiltration über Sabotage bis hin zu grandioser Zerstörung, wobei man "nebenbei" noch die von Di Ravello durch zahlreiche Propaganda-Instrumente im Zaum gehaltene Bevölkerung und ihre Dörfer und Städte befreien muss. Für jedes Gebiet müssen bestimmte Vorgaben erfüllt werden, bevor die Flagge der Unabhängigkeit gehisst werden darf und Rebellen die Kontrolle übernehmen. Allerdings fiel in den ersten Stunden auf, dass sich die Aufgaben stark gleichen und nur die Anzahl der zu zerstörenden Lautsprecher-Anlagen, Überwachungskameras oder Plakatwände mit dem Konterfei des Generals variiert. Ich hoffe, dass hier bereits mittelfristig mehr Abwechslung zu finden ist. Die Herausforderungen, denen man sich mit zahlreichen Fortbewegungsmitteln (inkl. Wingsuit) stellen muss, geben diesbezüglich Hoffnung - im Rahmen der Möglichkeiten bietet man hier mehr als das typische "Fahren-gegen-die-Uhr", sondern peppt es mit Genauigkeitsanforderungen oder der seit dem Jan-DeBont-Film "Speed" berüchtigte Aufforderungen auf, eine bestimmte Geschwindigkeit nicht zu unterschreiten. Solche auf den ersten Blick unscheinbaren, aber im Spiel effektiven Modifikationen würden den Standard-Befreiungen ebenfalls gut tun. Doch auch hier gilt: Warten auf die finale Fassung.

Zerstörungs-Spaß

Apropos Modifikationen: Als Belohnung für bewältigte Herausforderungen erhält man Zahnräder, mit denen man in acht Bereichen Modifikationen freischalten kann, die sich wiederum auf das Spielgeschehen auswirken. So kann man auch ohne Steam-Community im Hintergrund das Spiel im von Entwicklerseite vorgegebenen Rahmen, der hoffentlich nicht die Balance beeinflusst, an seine Bedürfnisse oder Vorlieben anpassen. Allerdings wäre es für die KI schon jetzt sinnvoll, diese zu stärken. Natürlich wurde Rico in den bisherigen Serienteilen als potente Ein-Mann-Armee etabliert, der auch von einer gesamten Staatsmacht nicht aufgehalten werden kann. Doch die häufig numerisch überlegenen Gegner könnten durchaus effektiver zusammenarbeiten, um Rico zu eliminieren und damit den Spieler vor dem Bildschirm zu fordern. Andererseits würde man dann vermutlich den ungehemmten Spaß an der Zerstörung und den gleißenden Explosionen gefährden, die derzeit das Nonplusultra in Videospielen darstellen und selbst viele Hochglanz-Hollywoodproduktionen blass aussehen lassen.

Michael Bay hat mit Sicherheit seinen Spaß an den eindrucksvollen Explosionen.
Fahrzeuge gehen in eindrucksvollen Flammenbällen auf. Wenn man es geschickt anstellt, kann man im Zusammenspiel von Sprengstoff, Fremdmaterial in Form von Fahrzeugen und dem Greifhaken herrliche Kettenreaktionen erzwingen, die in turmhohen Feuersäulen, dichtem schwarzem Qualm und einer Menge Altmetall enden. Ich war mir nie bewusst, dass ich eine pyromane Seite in mir trage, doch nach ein paar Stunden mit Just Cause 3 beginne ich daran zu zweifeln - anders kann ich mir die Freude an den stilsicher und extrem laut inszenierten Explosionen nicht erklären. Und nach der ersten Eingewöhnungsphase geht auch der Übergang zwischen den einzelnen Fortbewegungsformen immer stärker in Fleisch und Blut über, so dass man irgendwann in einen explosiven Spielfluss gerät, der einen tiefer und tiefer in Medici eintauchen lässt. Dass man jederzeit einen Abwurf anfordern kann, um ggf. Munition, neue Ausrüstung oder Fahrzeuge nutzen zu dürfen, ist eine gute Idee. Allerdings hoffe ich, dass diese Abwürfe irgendwann mit Kosten versehen werden, da ansonsten die Balance leiden und die mit Konfettiwurf explodierenden Kisten inflationär genutzt werden könnten. Auch hier muss die Testfassung zeigen, ob die Entwickler einzig auf hemmungslosen Sandbox-Spaß oder auch in Ansätzen auf taktisches Vorgehen setzen.

Sauber

Doch nicht nur die Explosionen können sich sehen lassen. Die gesamte Kulisse hinterließ einen mindestens guten, häufig sehr guten Eindruck. Die visuelle Diskrepanz zwischen den Protagonisten und Nebenfiguren bzw. Statisten ist nicht so groß wie bei einigen anderen Open-World-Titeln (z.B. Assassin’s Creed). Die unterschiedlichen Landstriche, von denen wir in der Anfangsphase nur eine Hand voll besuchen konnten, überzeugen mit vielen Details. Die Sichtweite ist angenehm hoch. Einzig das Geschwindigkeitsgefühl in Fahrzeugen wird nicht optimal vermittelt. Während die Anzeige satte 160 Km/H wiedergibt, fühlt man sich eher, als ob man vielleicht gerade mal mit Tempo 100 unterwegs ist. Doch dies betrifft vor allem Land- und See-Fahrzeuge, an deren leicht träge Steuerung man sich auch erstmal gewöhnen muss. Mit einem Jet unterm Hintern sieht die Sache hingegen schon ganz anders aus. Und wenn man mit dem Wingsuit nur ein paar Meter über dem harten Boden der Tatsachen hinweg gleitet und dabei Häusern, Bäumen oder Brückenpfeilern aus dem Weg geht, zieht man unwillkürlich den Kopf ein. Gespielt werden konnte die PC-Version; inwieweit die Konsolenversionen hier mithalten können, wird sich ebenfalls im Dezember zeigen.

Ausblick

Es hat sich schon im Juni angedeutet und nachdem ich nun den Einstieg spielen durfte, bin ich mir sicher, dass Just Cause 3 Anfang Dezember zu einem explosiven Spaß wird. Eine 1000 Quadratkilometer große Welt und ein enormes Action-Potenzial könnten zwar unter Umständen von der bislang eher schwach agierenden KI ausgebremst werden. Doch eine in nahezu jeder Situation sehenswerte Kulisse mit hoher Sichtweite, beeindrucken Flammenbällen und vielen Details dürften mich darüber hinwegsehen lassen. Auch die plakative und vollkommen übertrieben geschauspielerte Story um einen weiteren Diktator, der von Rico Rodriguez aus dem Weg geräumt werden muss, zeigt einiges an Potenzial, muss aber beweisen, dass sie mehr als nur ein Taxi von einer Explosion zur nächsten ist. Viel wird dabei auch von der Abwechslung im Missionsdesign abhängen. Doch ausgehend von dem, was ich bislang sehen nehmen konnte, können sich Fans vollkommen überzogener Action auf einen ganz heißen Winter freuen.

Einschätzung: gut

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