Brutale Vorbildfunktion?
Zerquetschen, zertreten, zerhacken - und überall Blut. Wer befürchtet hat, dass sich Kratos aufgrund der Familiengeschichte oder seines Sohnes Atreus von seinen martialischen Wurzeln entfernen würde, darf aufatmen.
God of War war im Kern immer ein Hack'n'Slay, bleibt ein Hack'n'Slay und zieht einen trotz des minderjährigen Begleiters noch näher ins Gemetzel. Um Realismus geht es nicht, wenn der Kriegsgott austeilt - man fühlt sich eher wie in einem Splatterfilm mit fliegenden Äxten und gespaltenen Schädeln. Vor allem die brutalen Finisher führen die Schonungslosigkeit der Reihe fort, bis man manchmal nur noch Blut und Brocken in der Totalen sieht.
Kann Kratos seiner Vaterrolle gerecht werden, ohne dass es kitschig wird?
Dieser Texturmatsch kann genauso unfreiwillig komisch aussehen wie das Hochhalten der Feinde, wenn man sie mit Schlägen zwei, drei mal volley in der Luft hält, bevor sie an einer Felswand zerschellen - Arcadeflair und Gore bestimmen die Inszenierung. All das wäre für diesen vernarbten Kriegsgott weder besonders interessant noch spektakulär, wenn da nicht auch ein kleiner Junge wäre, den man während das Gemetzels auf Knopfdruck anweisen kann, die Feinde mit dem Bogen zu beschießen, was sie ablenkt. Oder den man retten muss, wenn er in den Fängen eines Wiedergängers um Hilfe schreit. Der Knirps heißt Atreus, ist Kratos' Sohn und sowohl eine Hilfe als auch eine große Gefahr - nicht nur aufgrund des möglichen Game Overs in den Kämpfen, sondern vor allem für die Dramaturgie des Spiels.
Die große Gefahr des Kitsches
Der Zwang zur Neuausrichtung der Reihe ist verständlich: Schon
God of War: Ascension konnte 2013 auf PlayStation 3 nicht mehr die brachiale Faszination der Vorgänger entfachen - es wirkte fast wie eine Ehrenrunde für ein überholtes Spielkonzept und einen müden Helden, dem man die Rente wünscht. Deshalb musste man für frischen Wind sorgen. Aber wie will Studio
Noch übt Atreus, aber er kann Kratos recht schnell im Kampf als Bogenschütze unterstützen.
Santa Monica eine glaubwürdige Vater-Sohn-Beziehung inszenieren, ohne dass man den Charakter von Kratos ad absurdum führt?
Natürlich gibt es gute Vorbilder, die zudem erfolgreich waren:
Bioshock Infinite oder
The Last of Us haben erzählerisch enorm davon profitiert, dass es einen Helden samt Sidekick gab. Und es ist schön, dass man auch mal einen Jungen an der Seite hat. Aber hier geht es nicht um einen neuen Protagonisten, den man als Vater aufbauen könnte, sondern um eine um sich metzelnde Ikone des Hack'n'Slay.
Deshalb war ich sehr skeptisch, ob man diesen brachialen Kriegsgott mit Vatergefühlen nicht schrecklich verkitschen würde. Auch wenn ich im Rahmen dieser Vorschau noch nicht ins Detail gehen kann, und mich nachher eher auf das Kampfsystem konzentriere, gelingt die Charakterzeichnung im Einstieg - zumindest auf dem Niveau von besseren Superhelden-Filmen, die ja ähnliche Brüche zwischen überzeichneter Action und alltäglichen Gefühlen verarbeiten müssen. Die gibt es auch hier und ich weiß noch nicht, ob die dargestellte Beziehung letztlich überzeugen oder scheitern wird. Aber bisher bin ich eher positiv überrascht. Warum? Weil Kratos z.B. sehr deutlich zeigt, dass er ein Vater wider Willen ist, dass er diesen Jungen nicht nur aufgrund dessen Krankheit für kampfuntauglich hält und am liebsten alleine losziehen würde - das erinnert entfernt an Joel und Ellie. Die Regie versetzt einen damit quasi auch in die Rolle des skeptischen God-of-War-Fans, der den ganzen emotionalen Schnickschnack oder etwaiges Babysitting nicht braucht. Und das ist ein guter Schachzug.