Hitman12.02.2016, Michael Krosta

Vorschau: Spielplatz für kreative Killer

Ein Auftragskiller im Episodenformat? Square Enix und IO Interactive haben sich dazu entschlossen, das neue Hitman (ab 15,80€ bei kaufen) zum ersten Mal häppchenweise und damit im Stil einer TV-Serie zu veröffentlichen. Wir haben in London mit Agent 47 die Tutorial-Missionen und seinen ersten großen Einsatz in Paris absolviert. Kann der Glatzkopf mit Strichcode zu alten Meuchel-Tugenden zurückkehren?

Ein Prolog mit vielen Möglichkeiten

Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes. Der Schleich-Prolog von Konami und Hideo Kojima schoss mir immer wieder in den Kopf, als ich mit der Killer-Ikone des dänischen Studios im jüngsten Ableger unterwegs war. Das liegt nicht nur an den vielen Parallelen hinsichtlich der Schleichmechanik: Genau wie Snake muss sich auch Agent 47 möglichst unauffällig verhalten. Dank seines Talents für Verkleidungen ist es ihm dabei sogar möglich, in Menschenmengen unterzutauchen - immer darauf bedacht, sich an sein Ziel heranzupirschen, ohne dabei große Aufmerksamkeit zu erregen. Gar nicht so einfach, denn in der Spielwelt ist eine Menge los: Während sich im Vorgänger Hitman: Absolution (Wertung: 82%) maximal 50 KI-Einheiten in einer Mission befanden, tummeln sich hier bis zu 300 von ihnen als Ergänzung zu statischen Personen in den großen Schauplätzen herum. Schlüpft man z.B. in eine Wach-Uniform, schöpfen die vermeintlichen Kollegen Verdacht, falls man sich ihnen zu sehr nähert. Ein falscher Koch wird dagegen schnell von Bediensteten enttarnt. So muss man selbst dann noch auf der Hut bleiben, wenn man ständig in andere Klamotten

Einstieg über das Dach? Sicher keine schlechte Idee, um die Militärbasis des Prologs zu infiltrieren...
schlüpft. Aber das ist ja nichts Neues für die "€žHit-Männer"€œ, denn die Verkleidungen zählten schon immer zu den Markenzeichen der Reihe und haben nichts von ihrem Reiz verloren. Es ist ein tolles Gefühl, wenn einem als Scheich plötzlich alle möglichen Türen und Stockwerke offen stehen, während man zuvor noch daran verzweifelte, sich Zugang zu versperrten Gemächern der eindrucksvollen Villa zu verschaffen oder die aufmerksame Security zu überlisten. Allerdings agiert die KI nicht durchgängig clever und lässt sich manchmal mit simplen Methoden austricksen - das mag dem Spielablauf zugute kommen, erscheint aber nicht immer ganz logisch.  

Neben der generellen Spielmechanik bildet das Design der Schauplätze die zweite große Gemeinsamkeit zu Ground Zeroes: Zwar wird bei den ersten Tutorial-Missionen an Bord einer Yacht die Bewegungsfreiheit noch etwas eingeschränkt, doch spätestens beim Ausflug auf eine Modenschau in Paris darf man sich auf einem großen Anwesen inkl. Gartenanlage und einem mehrstöckigen Gebäude endlich wieder auf einem großen Spielplatz austoben, der sogar noch mehr Möglichkeiten bereit hält als das Camp Omega des Metal-Gear-Prologs. Während sich die Aufträge bei Absolution eher linear aneinander gereiht haben, kehrt man hier wieder zu den Freiheiten des Sandkasten-Prinzips zurück, die auch Hitman: Blood Money (Wertung: 80%) ausgezeichnet haben.

Kreative Mordpläne

Das Herumspielen mit Verkleidungen macht immer noch verdammt viel Spaß.
Das gilt sowohl für die Größe der Schauplätze als auch die zahlreichen Möglichkeiten, die sich dort ergeben, denn es bleibt einem selbst überlassen, wie man den Auftrag erledigt und seine Opfer zur Strecke bringt. Der klassische Weg ist dabei oft der einfachste: Wie gehabt stranguliert man das Ziel in einer ruhigen Minute stilecht mit der Klavierseite oder man lässt die schallgedämpfte Wumme sprechen. Viel befriedigender ist es aber, den Auftragsmord wie einen Unfall aussehen zu lassen oder subtilere Methoden zu wählen. Und hier lädt das Spiel zum fröhlichen Experimentieren ein, auch wenn die meisten Varianten in Form von Herausforderungen schon im Vorfeld verraten werden. Trotzdem muss man es erst einmal hinbekommen, den Kronleuchter im richtigen Moment fallen zu lassen oder ein Seil durchzuschneiden, damit Fässer die Zielperson niederstrecken. Auch das Vergiften von Getränken oder Essen gehört erneut zu den etwas ausgefeilteren Methoden, um als lautloser Killer erfolgreich zu sein.

Show must go on!

Doch manchmal soll es auch richtig krachen und man will die Ziele in einem mörderischen Spektakel zur Strecke bringen. Dafür eignen sich die so genannten "Opportunities" - also Gelegenheiten, die vor allem Anfänger an die Hand nehmen und mit vorgegebenen Abläufen durch die groß angelegten Level leiten sollen, um ihnen bei der Fülle an potenziellen Möglichkeiten eine gewisse Orientierung zu geben. Es wartet eine Vielzahl dieser bewusst konzipierten Mord-Choreographien - ob man sie annehmen oder lieber auf eigene Faust weiter experimentieren will, bleibt aber dem Spieler überlassen. Etwas befremdlich wirkt dabei nur, dass sich ausgerechnet die coolen und spektakulären Aktionen relativ einfach umsetzen lassen, während man sich für "langweiligere" Standard-Methoden oft deutlich mehr ins Zeug legen muss.

Nur ein Versuch

Im weitläufigen Areal rund um die Modenschau in Paris kann man sich ordentlich austoben.
Wer es gerne richtig knackig mag, wird sich auf die "Illusive Targets" freuen: Dabei handelt es sich um Ziele, die jeweils nur für 48 Stunden zur Verfügung stehen. Um das Niveau noch weiter zu heben, hat man als Spieler nur einen Versuch, um diese Aufträge erfolgreich abzuschließen - ein kleiner Fehler und schon ist es vorbei, Chance vertan! Darüber hinaus gibt es den aus Absolution bekannten Contracts-Modus, in dem man eigene Aufträge bastelt, Regeln festlegt dadurch Online-Herausforderungen für andere Spieler erstellt. Hier erhofft man sich, dass der neue Hitman auch auf Youtube & Co ähnlich präsent sein wird wie sein Vorgänger.

Ausblick

Hitman bietet so viele herrlich kreative Möglichkeiten, als Auftragskiller die Zielpersonen um die Ecke zu bringen! Schon beim Anspielen des Paris-Levels, der neben den beiden ansprechenden Tutorial-Missionen ebenfalls zum Starterpack gehört, wurde ich regelrecht erschlagen von all den Optionen, die sich mir von verschiedenen Eingängen über Verkleidungen bis hin zur stattlichen Auswahl an Mordwerkzeugen geboten haben. Hier wird in der Tat ein toller Spielplatz eröffnet, auf dem man sich als Agent 47 ordentlich austoben kann und der immer wieder neue Wege offenbart. Aber wird die ständige Rückkehr auf bekanntes Terrain ausreichen, um die Wartezeit auf die jeweilige Folge-Episode zu überbrücken? Ich bin derzeit noch skeptisch, ob diese Art der Veröffentlichungspolitik die richtige Wahl war, zumal auch die Story trotz des versuchten Cliffhangers bisher noch nicht in Schwung kommen will. Noch größere Sorgen bereitet mir aber der technische Zustand, in dem sich die PS4-Fassung aus dem Januar befand: Abstürze und andere Technik-Zicken sind bei Vorab-Versionen zwar keine Seltenheit, doch angesichts der nahenden Veröffentlichung Anfang März müssen die Bug-Jäger bei IO vermutlich noch einige Sonderschichten einlegen, um einen reibungslosen Start zu ermöglichen. Ich drücke dem Team die Daumen, denn spielerisch weiß der neue Auftritt des Auftragskiller bereits zu gefallen. Bleibt nur zu hoffen, dass Agent 47 seine kreative Munition nicht schon bei seinem Auftakt komplett verschießt, sondern die folgenden Aufträge sowohl hinsichtlich der Geschichte als auch spielerisch noch ein paar Überraschungen in petto haben.

Eindruck: gut

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