NieR: Automata22.12.2016, Mathias Oertel
NieR: Automata

Vorschau: Kämpferische Stunde mit 2B

Kaum ein Spiel ist derart unverdient unter dem Radar geblieben wie Nier auf PS3 und Xbox 360. Sicher: Die Kulisse war im Bestfall auf dem Niveau von PlayStation 2. Doch was hier vor allem erzählerisch angeboten wurde, schwingt bei den Spielern, die sich über die visuellen Defizite hinwegsetzen konnten, bis heute nach. Die im März erscheinende Fortsetzung Nier Automata soll die Schwächen des Vorgängers ausmerzen und gleichzeitig die Stärken ausbauen. Wir haben bei Square Enix eine Demo-Version gespielt.

Kein Plan

Während der etwa 45 bis 60 Minuten dauernden Demo gab es zwar vertonte Zwischensequenzen, doch über die grundlegende Dramaturgie von Nier Automata wird ein Mantel des Schweigens gehüllt. Man weiß, dass der Vorgänger einige tausend Jahre in der Vergangenheit liegt und dass die Fantasywelt, in der Nier spielt, irgendwie zum Drakengard-Universum gehört. Wieso es einen Krieg gibt, in dem man in der Rolle der nur leicht bekleideten Androidin 2B gegen andere Maschinen kämpft, wird nicht erklärt. Doch darüber bin ich nicht traurig. Die Geschichte ist das Letzte, um das ich mir bei Nier Automata Sorgen mache. Denn immerhin kehren mit Serienschöpfer Taro Yoko, dem Produzenten Yosuke Saito sowie Komponist Keiichi Okabe drei Schlüsselfiguren hinter den Kulissen zurück, die für eine hohe erzählerische Qualität und eine stimmungsvolle Atmosphäre bürgen dürften.

Automata setzt auf ähnliche Elemente wie der Vorgänger, z.B. seitwärts scrollende Abschnitte im Wechsel mit Schulter- oder Vogelperspektive.
Und um den Rest, sprich: die Kulisse und das Kampfsystem, also die beiden Punkte, die im von Cavia entwickelten Vorgänger für eher zweifelhafte Aufmerksamkeit sorgten, kümmert sich ein Team von Platinum Games, das von Atsushi Inaba als Co-Produzent des Spiels angeführt wird. Dass die grundlegende Idee für Automata ebenfalls von Platinum kommt, das sein Konzept jedoch nur umsetzen wollte, wenn die federführenden Köpfe hinter dem Original auch dabei sind, macht dieses Action-Rollenspiel für mich nur noch spannender. Und schaut man sich die hervorstechenden Merkmale an, mit denen Nier auf den ersten Blick überzeugen möchte, ist es ein typisches Platinum-Spiel – nicht nur wegen der in Schwarz gekleideten Androidin, die man steuert und die mit ihren knappen Kluft gelegentlich Erinnerungen an eine Umbra-Hexe wach werden lässt, während die Augenbinden eine Verbeugung vor dem Charakter Emil aus dem Vorgänger sein dürften.

Sauber, schnell, schick

Platinum zeichnet eine düstere Zukunft.
Das Kampfsystem bietet einerseits die Möglichkeit, seine Widersacher auch aus dem Sprung heraus mit schick animierten Schwertangriffen zu malträtieren, deren Kombos allerdings aus nur zwei Knöpfen fließen. Einen aktiven Block gibt es nicht, doch schafft man es, eine Bayonetta’sche Ausweichaktion per Knopfdruck im letzten Moment zu starten, entgeht man nicht nur dem feindlichen Angriff, sondern kann umgehend einen verheerenden Konter starten, der den Kombozähler weiter nach oben treibt. Zusätzlich verfügt man über einen ständig begleitenden Partner, der als mobiler Geschützturm eingesetzt und als moderne, allerdings stumme Variante des Buches Grimoire Weiss interpretiert werden kann. Interessanterweise wird in der Day-1-Edition ein Download-Code für einen Skin mitgeliefert, mit dem man den „Pod“ tatsächlich in der Form des sprechenden Buches aus dem Vorgänger mitnehmen kann.

Die Kombination von Schießen und Nahkampf ist zwar kein neues Konzept, da auch schon Devil May Cry und natürlich Bayonetta mit diesen Elementen für Begeisterung gesorgt haben. Doch nur selten war die Verbindung beider Angriffsarten so harmonisch, waren die Übergänge so nahtlos – und das, obwohl man beim Schießen quasi auf Twinstick-Kontrollen setzt. Sprich: Ballern und Bewegung laufen unabhängig voneinander. Das ergibt spätestens dann Sinn, wenn sich die Kameraposition dynamisch bzw. aus dramaturgischen Gründen ändert, was ebenfalls ein Element ist, das man aus dem Vorgänger kennt. Immer wieder wird z.B. in eine seitwärts scrollende Ansicht geschaltet. Neu sind allerdings die Vogelperspektiven, in denen sich Nier Automata wie eine durch Nahkampf angereicherte Version eines Shmup spielt. Langer Rede, kurzer Sinn: Die hochdynamischen Kämpfe machen einen Heidenspaß, fordern bei Bossen das gesamte Können ab und werden hoffentlich in der finalen Version durch unterschiedliche Bewaffnungen und neue Fähigkeiten zusätzlich aufgewertet.

Speicherplatz-Mangel

Der Kampf gegen den turmhohen Boss wird episch inszeniert.
Denn davon gab es bislang noch nichts zu sehen, es wird allerdings rudimentär angedeutet, wenn man sich die Charakter-Entwicklung anschaut. Da 2B eine Androidin ist, werden ihre Kampfroutinen ebenso über Speicherchips festgelegt wie z.B. die Anzeigen auf dem Bildschirm. Jedes Modul nimmt dabei unterschiedlich viele Plätze ein. Die wiederum sind knapp, auch wenn man im Laufe der Zeit das Speichervolumen upgraden kann. Dementsprechend wird man irgendwann an den Punkt kommen, an dem man sich entscheiden muss, welche Chips man mitnimmt, welche man austauscht und welche man komplett vergessen kann. Einer sollte allerdings stets drin bleiben: Wer den Hauptspeicherchip entfernt, sollte sich nicht wundern, wenn das Spiel vorbei ist… Ich hoffe, dass Platinum ein breites Repertoire an Angriffs- und Verteidigungsoptionen zur Verfügung stellt, mit denen man 2B an seine präferierte Spielweise anpassen kann.

Auch die Hub-Welten, in denen man sich sammelt, ausruht, neu ausrüstet, ggf. Unterhaltungen führt etc. glänzen vorerst durch Abwesenheit – was eventuell damit zusammenhängt, dass man die Geschichte als Überraschung belassen möchte. Dafür jedoch zeigt sich die Kulisse von ihrer ausgereiften Seite und lässt die kruden sowie mitunter vorsintflutlichen Eindrücke des Vorgängers vergessen. Die Action profitiert von jederzeit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde, während die Umgebung mit ihren metallenen Fabrikstrukturen eine hoffnungslose Stimmung ausstrahlt, die als idealer Hintergrund für die Auseinandersetzungen mit teilweise Bildschirm füllenden Gegnern genutzt wird. Und von Zeit zu Zeit darf man sogar Panoramen genießen, die an Enslaved erinnern, ein weiteres stimmungsvolles Endzeit-Abenteuer.

Ausblick

Als bekannt wurde, dass Platinum Games für und zusammen mit Square Enix an der Fortsetzung zu Nier arbeitet, konnte ich meine Freude kaum zügeln. Und nachdem ich nun erstmals die Androidin 2B durch Gefechte führen durfte, kann ich den März kaum erwarten. Zwar lässt sich derzeit noch absolut nichts über Dramaturgie und Geschichte sagen. Doch wenn Nier Automata hier ähnlich aufgestellt ist wie der in dieser Hinsicht hervorragende und bewegende Vorgänger, könnte das Action-Rollenspiel zum ersten großen Geheimtipp des Jahres werden. Denn sowohl Kampfsystem als auch vor allem die jederzeit mit 60 Bildern laufende und damit die Action unterstützende Kulisse hinterlassen einen richtig guten Eindruck. Da vor allem Letzteres bei Nier eine mittlere Enttäuschung und damit hauptverantwortlich dafür war, dass das Action-Rollenspiel kaum Beachtung fand, scheint Platinum auf dem richtigen Weg zu sein.

Einschätzung: gut

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