Project CARS 214.08.2017, Michael Krosta

Vorschau: Rennen nach Maß

Project Cars war bereits ein ernstzunehmender Herausforderer für die Platzhirschen Gran Turismo und Forza Motorsport. Mit dem Nachfolger wollen die Slightly Mad Studios im Rennspieljahr 2017 ebenfalls wieder die Konkurrenz aufmischen und haben dafür an vielen Stellen geschraubt, um die Rennsimulation noch besser zu machen. Wir haben Project Cars 2 (ab 14,99€ bei kaufen) für die Vorschau einem umfangreichen Vorab-Check unterzogen...

Höhere Zugänglichkeit trifft höheren Realismus

Die Richtung ist klar: Project Cars 2 versteht sich genauso als eine Simulation wie der Vorgänger. Trotzdem wollen die Entwickler die Zugänglichkeit erhöhen und auch Gelegenheitsspieler für den anspruchsvollen Motorsport begeistern. Nein, keine Sorge: Die Fahrphysik wird nicht verweichlicht, damit sich die knapp 200 PS-Monster von Audi über Neuzugang Ferrari bis Zonda einfacher zähmen lassen. Lediglich eine Reihe optionaler Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle greifen auf Wunsch unter die Arme oder sind in manchen Serien selbst unter realistischen Bedingungen verfügbar. Tatsächlich will man mit dem neuen Reifenmodell den Realitätsanspruch sogar noch weiter erhöhen anstatt ihn zurückzuschrauben. Die überarbeitete Fahrphysik macht dabei eine hervorragende Figur: Die Boliden kommen zwar jetzt etwas schneller ins Rutschen als im Vorgänger, doch kann man gleichzeitig ein besseres Gespür für die Grenzbereiche entwickeln und ausbrechende Hecks sicherer abfangen.

Der Fuhrpark wurde mit attraktiven Neuzugängen erweitert - darunter auch Modelle von Ferrari.
Das optimierte Force Feedback trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei und bietet jetzt sogar als Alternative zur manuellen Feinjustierung eine Auswahl an vorgefertigten Einstellungen, die bestimmte Facetten betonen. Generell ist es beeindruckend, wie unterschiedlich sich die jeweiligen Fahrzeugmodelle vom Go-Kart über Serienwagen bis zur Rennmaschine anfühlen – und auch anhören, wobei die Motorenklänge in der finalen Abmischung gerne einen Tick lauter ausfallen dürfen. Neuerdings darf man den Asphalt auch gegen Schotter- und Eispisten tauschen, um auch beim Driften durch rutschige Kurven sein fahrerisches Können unter Beweis zu stellen. Mit dem Lenkrad fährt sich Project Cars 2 großartig. Aber wie sieht es mit dem Controller aus? Besser als im ersten Teil, aber die Steuerung wirkt immer noch zu sensibel. So fällt es im Vergleich zum Fahren mit einem Lenkrad deutlich schwerer, vor allem die stärker motorisierten Flitzer sicher auf der Piste zu halten. Das gelingt der Forza- und GT-Konkurrenz deutlich besser.  

Kleine Fehlerteufel

Trotz Verbesserungen bei der Fahrphysik passieren bei der Zieldurchfahrt manchmal aber noch Dinge mit den Wagen, die mit der Realität nichts zu tun haben und eher für Lacher sorgen, wenn sie arg seltsam durch die Gegend hoppeln. Dinge, die bis zur Veröffentlichung hoffentlich noch aus der Welt geschafft werden. Gleiches gilt für das Strafsystem, das dem Fahrer schon mal grundlos eine Zeitstrafe aufbrummt. Und auch bei den Boxenstopps muss noch Hand angelegt werden: Es darf nicht sein,

Es wird schmutzig: Neben Asphaltstrecken geht es beim RallyCross auch auf staubige Pisten.
dass das Auto bei der automatisierten Anfahrt die Leitplanke touchiert und das Lenkrad bei der Ansteuerung der Crew einfach starr geradeaus zeigt.

Nützliche Hilfen

Abseits der Fahrhilfen will man weniger erfahrenen Rennpiloten aber auch an anderer Stelle entgegen kommen. So kann man jederzeit auf eine Onscreen-Hilfe zurückgreifen, um nicht von all den Einstellungen und Optionen erschlagen zu werden. Das gilt insbesondere für das Setup, das bekanntlich eine Wissenschaft für sich darstellt. Damit nicht jeder Spieler zunächst ein Ingenieurs-Studium absolvieren muss, stellt man dem Schrauber nicht nur Erklärungen in Textform, sondern auch einen Renn-Ingenieur zur Seite. Wie in manchen Titeln von Milestone kann man ihm sagen, wo der Schuh drückt und er nimmt anschließend automatisch die Änderungen am Setup vor, um die geäußerten Probleme wie Über- oder Untersteuern zu beheben. Außerdem ist es jetzt möglich, sich beim Zeitfahren die Setups von schnellen Fahrern direkt aus der Bestenliste herunterzuladen und sogar deren Leistungen durch das Beamen in die Cockpits von bis zu drei Geisterwagen genau zu studieren. So erhält man z.B. nützliche Hinweise für den perfekten Bremspunkt oder die Ideallinie.  

Maßgeschneidertes Racing

Neben der gelungenen Fahrphysik, dem attraktiven Fuhrpark und einer ordentlichen Auswahl an Strecken zählen aber vor allem die individuellen Anpassungen zu den ganz großen Stärken von Project Cars 2. Rollender oder stehender Start? Formationsrunde? Eine Rennen von bis zu 999 Runden? Oder doch lieber ein Zeitlimit? Tag- oder Nachtrennen mit optionaler Zeitrafferfunktion? Komplettes Rennwochenende mit Training und Qualifikation? Manuelle Boxenstopps? Volles Schadensmodell? Hier darf man quasi alles nach Wunsch festlegen. Neuerdings sitzt auf Wunsch sogar ein Spotter auf der Tribüne, der auch abseits von Indycar- und NASCAR-Veranstaltungen den Fahrer mit Informationen versorgt. Selbst die Bildschirmanzeigen lassen sich frei platzieren oder sogar ausblenden. Diese Vielfalt an persönlichen Einstellungen lässt kaum Wünsche offen! Dank der neuen Live-Track-Technologie 3.0 darf man sich sogar für jede Strecke die Jahreszeit aussuchen, in der man auf die Piste gehen will. Wer also schon immer davon geträumt hat, bei Eis und Schnee über die Nordschleife zu brettern, findet hier seine Erfüllung. Selbst völlig unsinnige Kombinationen wie ein Indycar auf einem gefrorenen Eissee in Schweden werden gestattet.

Immer noch ein guter Einstieg in die Karriere als Rennfahrer: Racing auf der Kartbahn.
Auch beim Wetter fährt man mit 18 Varianten so ziemlich alles auf, was Petrus zu bieten hat: Die Auswahl reicht von strahlendem Sonnenschein und einer zunehmend starken Bewölkung über mehrere Abstufungen von Regen und Nebel bis hin zum stürmischen Schneegestöber sowie starken Gewittern mit Blitz und Donner. Bis zu vier Wettertypen darf man für jede Session festlegen und den weichen Übergang sogar mit einem Zeitraffer beschleunigen. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie sich zusammen mit der visuellen Darstellung auch das Grip-Niveau auf dem Asphalt verändert und man mit Slick-Reifen zunehmend ins Schlingern gerät. Die Intensität des Aquaplanings eines Forza Motorsport 6 mit seinen statischen Pfützen wird hier jedoch nicht erreicht. Um nicht unnötig viel Zeit damit zu verschwenden, vor jedem Rennen erneut an seinen Wunsch-Einstellungen zu schrauben, darf man vier Favoriten anlegen. Für einen schnelleren Spielstart werden außerdem diverse Pre-Sets angeboten, darunter z.B. reine Tourenwagen-Events oder Langstrecken-Rennen, bei denen man sich das Durchwühlen durch die Optionen ebenfalls sparen kann.

Zwei Klassen sind nicht genug

Das Starterfeld ist gewaltig und besteht aus bis zu vier unterschiedlichen Rennklassen.
Wer schon immer mal Karts gemeinsam mit GT-Rennern, Serienwagen und Prototypen auf die Strecke schicken wollte, bekommt jetzt die Gelegenheit dazu: Project Cars 2 erlaubt Multi-Class-Rennen für Fahrzeuge aus bis zu vier verschiedenen Klassen - im Vorgänger waren nur zwei erlaubt. Da wird es mit mehr als 40 Boliden im Starterfeld richtig voll auf der Piste und die nötigen Umrundungen sorgen für einen zusätzlichen Spannungsfaktor.

Dabei muss freilich auch die KI mitspielen, die sich dieses Mal nicht nur hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades, sondern separat beim Aggressionslevel anpassen lässt. Insgesamt machen die KI-Piloten bisher eine ordentliche Figur, sind aber noch ausbaufähig: Zum einen greifen die Fahrer bereits auf mittleren Einstellungen hin und wieder zur Brechstange und schießen den Spieler gnadenlos ab. Zum anderen verschaffen sie sich durch Abkürzungen manchmal unfaire Vorteile, ohne dabei Konsequenzen fürchten zu müssen. Als Spieler wird man bei ähnlichen Vergehen mindestens verwarnt oder muss sogar eine Strafe fürchten.   

Überarbeitete Karriere

Der Karrieremodus wird anders gestaltet als im Vorgänger. So gehört der etwas unübersichtliche Kalender der Vergangenheit an. Stattdessen wählt man jetzt einfach die Rennserie, in der man starten will und klappert die Veranstaltungen ab. Ursprünglich hatte Slighly Mad angekündigt, dass es erneut keine Barrieren bei der Wahl geben würde. Mittlerweile hat man sich allerdings dazu entschlossen, die Top-Serien innerhalb der Karriere erst freizuschalten, wenn man zuerst die nötigen Erfahrungen in einer niedrigeren Klasse gesammelt hat.

Markentreue wird mit einem Job als Werksfahrer belohnt.
Genau wie bei Forza Motorsport wird man jetzt auch hier für Markentreue belohnt und darf ab einem bestimmten Rang sogar als Werksfahrer bei seinem Lieblings-Hersteller anheuern, um Zugang zu weiteren Veranstaltungen zu bekommen. Was den Umfang angeht, hat die Karriere daher wieder viel zu bieten. Was die Inszenierung angeht dagegen weniger: Gerade im Vergleich zu den F1-Spielen von Codemasters wirkt die Karriere von Project Cars 2 mit langweiligen Info-Bildschirmen und fehlenden Siegerehrungen oder anderen Impressionen abseits der Pisten ziemlich unspektakulär.

Ausblick

Wow, bezüglich der Einstellungsvielfalt und den Features von Project Cars 2 können sich viele andere Rennspiele eine dicke Scheibe abschneiden – allen voran Forza Motorsport, das sich immer noch vielen klassischen Elementen wie dem Qualifying verweigert. Man wird regelrecht erschlagen von den zahlreichen Möglichkeiten, die sich einem beim Aufsetzen der Veranstaltungen und dem Herumschrauben am Setup offenbaren. Der grafische Fortschritt hält sich im Vergleich zum visuell eindrucksvollen Vorgänger zwar in Grenzen, aber bei der Physik und dem neuen Reifenmodell geht es definitiv einen Schritt nach vorne, auch wenn die Qualitäten eines Assetto Corsa beim Fahrgefühl und dem Force Feedback trotz der spürbaren Verbesserungen nicht erreicht werden. Auch die überarbeitete Karriere wirkt mir im Vergleich zu F1 2016 zu trocken, spielt damit aber in einer ähnlichen Liga wie die übrige Konkurrenz. Gespannt bin ich darauf, wie sich das geplante Rangsystem schlagen wird, das genau wie Gran Turismo Sport neben den fahrerischen Fähigkeiten auch den Sportgeist der Spieler bewerten und beim Matchmaking berücksichtigen will. Project Cars 2 bringt nach den jetzigen Eindrücken jedenfalls alles mit, um an der Spitze der Rennsimulationen mitzukämpfen!

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit

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