Phantom Doctrine15.06.2018, Benjamin Schmädig

Vorschau: Das leise XCOM

Phantom Doctrine (ab 35,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist kein Spiel für die E3. Der von XCOM inspirierte Strategie/Taktik-Mix ist viel zu umfangreich, um ihn binnen einer halben Stunde ausreichend anzuspielen. Nachdem ich mir den Spionage-Thriller aber früher schon mal angesehen hatte, habe ich einen zweiten Blick drauf geworfen und den Designer neben mir mit Fragen gelöchert, während ich gleichzeitig eine Mission gespielt und Agenten auf der Weltkarte verschoben habe. Und das hat sich gelohnt!

Vom Wilden Westen in den Kalten Krieg

Agenten, Kalter Krieg, Verschwörungen: Das sind die Schlagworte des Szenarios, das auf realen Fakten fußt und in das CreativeForge Games (Hard West) historische Ereignisse eingeflochten hat – aber beileibe nicht den Anspruch erhebt Geschichtsunterricht zu geben. Der Hintergrund soll vor allem als stimmungsvolle Kulisse dienen, vor der CIA, KGB und

Ganz ähnlich wie im großen Vorbild XCOM baut man auch in Phantom Doctrine eine Basis aus, von der aus man Agenten auf Mission schickt.
Mossad spionieren und infiltrieren. Zugang zum Mossad erhält man dabei erst später; zunächst einmal stehen CIA und KGB als spielbare Fraktionen zur Verfügung. Interessantes Detail: Nach dem ersten Durchspielen darf man die Handlung in einer erweiterten Version des Story-Modus' erleben, die zusätzliches Licht auf verschiedene Aspekte der Geschichte wirft.

Beim ersten Mal ist jedoch gar nicht klar, worum es eigentlich geht. Eine Verschwörung gibt es, so viel weiß man. Doch wer da welche Strippen zieht und warum, das müssen CIA oder KGB erst herausfinden. Also errichtet man eine Basis, baut sie aus, heuert Agenten an, entwickelt ihre Fähigkeiten und schickt die Frauen und Männer schließlich auf Mission – ähnlich wie mit Hard West machen die Entwickler keinen Hehl daraus, dass ihr Spiel von XCOM inspiriert wurde. Anders als dort erstellt man allerdings eine Hauptfigur, die nicht sterben darf. Andere Charaktere kann man zwar genauso individualisieren, deren Ableben ist allerdings „erlaubt“. Und wer den auch hier vorhandenen Ironman-Modus kennt, weiß, wie schmerzhaft das sein kann.

Lesen und verstehen

Dass man die Agenten in den Einsatz schickt, heißt aber nicht immer, dass man ein taktisches Gefecht startet. Es kann auch bedeuten, dass man sie an einen der Orte reisen lässt, wo sich wichtige Informationen befinden. Diese extrahieren sie dann

Agenten bringen übrigens ihre eigenen Geschichten mit. So kann es passieren, dass jemand einen alten Feind ausschalten will. Entweder lässt man sie oder ihn das dann tun und riskiert, dass der Charakter nicht zurückkehrt, oder man engagiert selbst einen Auftragskiller. So sollen die Figuren Persönlichkeiten erhalten, die über eine Beschreibung ihrer Fähigkeiten hinausgeht.
selbstständig, wobei man stets beliebig viele Spione in den Flieger steckt – was u.a. deshalb bedeutsam ist, weil das Reisen Zeit kostet und nicht alle Einheiten jeden Einsatzort rechtzeitig erreichen können. Sprich, nicht alle Agenten können jeden Brennpunkt immer rechtzeitig erreichen.

Eine interessante Besonderheit sind außerdem die Informationen selbst, denn hat man mehrere von ihnen erfolgreich extrahiert, ordnet man sie wie in einem Film- und Fernseh-Krimi an einer Pinnwand an, bevor man die Texte einiger Dokumente tatsächlich lesen muss. Das sind natürlich keine Romane, sondern nur zwei, drei Absätze, in denen man dann den Namen einer gesuchten Organisation anklicken muss. Hat man das getan und taucht dieser Name bereits in einem anderen Dokument auf, kann man die beiden Hinweise schließlich mit einem Faden verbinden. Irgendwann führt dieser Faden über mehrere Stationen dann zu dem entscheidenden Hinweis – das ist der Zeitpunkt, an dem die nächste Hauptmission, also der nächste rundentaktische Einsatz zur Verfügung steht.

Einfache und doppelte Agenten

Es gibt selbstverständlich auch optionale Einsätze, die man ebenfalls in rundentaktischer Manier erledigt. Und apropos Kampf: Während auch hier alle Agenten zu Beginn eines Einsatzes unentdeckt umherlaufen, kann man einen Spion zusätzlich als Doppelagent in ein feindliches Lager einschleusen. Der beginnt die Mission dann abseits des Eintrittspunkts seiner Kollegen, also schon im Inneren des Gebäudes, das KGB oder CIA infiltrieren. Die Levels der Rundentaktik werden dabei von Hand erstellt, während Startpositionen sowie versteckte Gegenstände aus einer Reihe vorgegebener Möglichkeiten ausgewürfelt werden. Spätere Nebenmissionen am gleichen Ort oder komplett neue Durchläufe des ganzen Spiels dürften sich also selten gleichen.

Nun gibt es Heimlichtuerei auch in XCOM – in Phantom Doctrine spielt das unentdeckte Vorankommen aber eine wesentlich größere Rolle. Zum einen sind neue Agenten nämlich selten, was den Tod eines Spions umso ärgerlicher macht. Zum anderen sollten während einer Mission auch keine Zivilisten zu Schaden kommen. Geschieht das oder passieren andere Malheurs, steigt nämlich das Gefahrenlevel der eigenen Agentur und ist es hoch genug, wird die Basis angegriffen. Logisch: Die Drahtzieher der Verschwörung wollen nicht erkannt werden. Deshalb ja das geheime Vorgehen auf der Weltkarte und während der

Heimlichtuerei (hier nicht im Bild) spielt in den Einsätzen eine große Rolle.
Einsätze.

Erregt man trotz aller Vorsicht mal zu viel Aufmerksamkeit, kann man die Basis immerhin an einen anderen Ort verlegen. Das kostet natürlich Zeit und Material, könnte sie aber vor großem Schaden bewahren. Eigenhändig verteidigt man solche Angriffe nämlich nicht; das sind automatische Ereignisse, deren Folgen vom Spiel bestimmt werden.

„Sag mir, wo du stehst...“

Zurück zu den Außeneinsätzen, in denen man nicht nur das primäre Ziel, sondern auch sekundäre Aufgaben im Ziel behalten sollte. Deren Erfüllen steigert schließlich die fürs Entwickeln von Basis und Einsatzkräften vorhandenen Ressourcen.

Was man ebenfalls im Blick haben muss: die Patrouillewegen der Wachen. Die sind nämlich markiert, ändern sich aber gelegentlich, sodass man das Verhalten der Gegner zwar einordnen, aber nie vollständig vorhersagen kann. So hilfreich es also ist, manche Wache von hinten auszuknocken, so sehr riskiert man dabei womöglich entdeckt zu werden. Wichtig ist außerdem die Aufmerksamkeit der Agenten, denn Aktionen wie leise Takedowns kosten einen Teil dieser Ressource. Nun kann man Aufmerksamkeit wiederherstellen, doch weil man sie auch benötigt, um etwa Geschossen auszuweichen, sollte man nicht sorglos damit umgehen!

Ausblick

Klar: Vieles erinnert an XCOM, während Animationen und Kulisse des Indie-Spiels dem großen Vorbild durchaus unterlegen sind. Phantom Doctrine hat mich aber nicht nur inhaltlich neugierig gemacht – auch die spielerischen Besonderheiten wirkten beim kurzen Anspielen auf der E3 vielversprechend. Kein Wunder: Wie in einem Kino-Krimi Spuren erst zu entschlüsseln und anschließend auf einer Pinnwand zusammenzufügen ist einfach cool und das überlegte Verschieben der Agenten bestätigt den Eindruck, in einem Spionage-Thriller die Strippen zu ziehen. In den rundentaktischen Missionen gefällt mir hingegen das heimliche Schleichen und Ausknocken ebenso wie die Tatsache, dass man einen Spion schon im Vorfeld der Mission als Doppelagenten einschleusen kann. Eine halbe Stunde und Dutzende beantwortete Fragen an einen Entwickler sind für ein Spiel dieser Art natürlich viel zu wenig. Trotzdem sage ich: Taktiker sollten Phantom Doctrine schon mal unter Beobachtung stellen.

Einschätzung: gut

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