Vorschau: Ein Wald- und Wüsten-Shooter
Das Wichtigste zuerst
Ja, OK: Stimmt gar nicht. Avalanche kann natürlich Ego-Perspektive. Ich würde The Hunter allerdings nicht in dieselbe Kategorie stecken, in der sich Shooter vom Schlage eines Doom oder Quake Champions tummeln. Tatsächlich mag ich Abenteuer mit dem id-Logo u.a. deshalb, weil sie sich so verdammt gut anfühlen. Kein anderes Studio hat ähnlich zuverlässig Spiele erschaffen, in denen Bewegung, Waffen-Handling und Treffer-Feedback dermaßen eingängig und „richtig“ sind. Entsprechend skeptisch war ich denn auch, als bekannt wurde, dass Rage 2 nicht hauptsächlich bei id Software entsteht.
Und tatsächlich sind sich id, Avalanche und Bethesda dieser Bedenken offenbar bewusst. Die erste spielbare Demo, das ebenso laute wie kurze Infiltrieren eines mehrstöckigen Gebäudes, hat mit der offenen Welt, um die sich Rage 2 eigentlich
Shopping statt Do-It-Yourself
Um das aber klarzustellen: Rage 2 spielt nicht in durch Ladepausen getrennten Levels, auch nicht in einer halboffenen Welt wie sein Vorgänger. Rage 2 ist Open World, wie man sie von Avalanche kennt. Man kann überallhin gehen und sich stundenlang in Nebenaufgaben verlieren (dazu zählen Rennnen, das Überfallen von Konvois und Lagern sowie weitere Beschäftigungen, die bei der ersten Vorstellung kaum erwähnt wurden) Auch der Fahrzeugkampf spielt genau wie im ersten Teil eine große Rolle. Immerhin kennt sich Avalanche nach dreimal Just Cause und einmal Mad Max mit dieser Art Action bestens aus..
Man wird die Waffen des Fahrzeugs aufrüsten und genau wie den kompletten fahrbaren Untersatz jederzeit wechseln können; verschiedene Luft- und Bodenvehikel stehen zur Verfügung. Auch Pistolen, MGs, Schrotflinten usw. verbessert man, etwa in Sachen Reichweite und Schaden, die Fähigkeiten ebenso – gleich mehr zu denen.
Das Sammeln von Materialien und anschließende Basteln des Vorgängers gibt es allerdings nicht mehr, jedenfalls nicht in der bekannten Form. Zwar findet man auch in Rage 2 Ressourcen, die verkauft man aber und erwirbt von dem erhaltenen Geld die gewünschten Upgrades. Auch erfolgreich abgeschlossene Missionen werfen Kohle ab; im Interview deutet Willits an, dass das die Haupteinnahmequelle sein wird.
Die Kraft der Nanotrites
Doch woher kommen eigentlich die Fähigkeiten, die es in Teil eins so noch nicht gab. Erzählerisch funktioniert das so: 30 Jahre sind seit dem Vorgänger vergangen und in dieser Zeit hat sich die ohnehin von Mutationen und Nanotrites (den künstlich erzeugten Auslösern der Mutationen) geprägte Postapokalypse samt ihrer Einwohner gehörig gewandelt. Deshalb gibt es dort neben trockenem Fels und Stein inzwischen auch Wasser und dichte Wälder sowie noch stärker veränderte Menschen mit besonderen Kräften.
Einer von ihnen ist Walker, dessen Fähigkeiten vor allem eins tun: Sie machen Spaß! Mit einem brutalen Tackling setzt der Protagonist Gegnern etwa so zu, dass die meisten dabei draufgehen. Oder er springt kurz ab, um sich von oben in eine Gruppe Mutanten zu stürzen und sämtliche Umstehenden zu Boden zu reißen. Nicht zuletzt zündet er alle paar Minuten eine Overdrive-Phase, in der seine Waffen besonders großen Schaden anrichten. Mit einem schnellen Schritt in eine beliebige Richtung weicht er zudem Gefahren aus. Das sind längst nicht alle Fähigkeiten, doch was in der Demo nicht zu sehen war, hielten die Entwickler noch hinter Schluss und Riegel.
Action und Reaktion
Wieder dabei sind außerdem Wingsticks, die man diesmal einfach so in Richtung Feind schmeißt oder deren Flugbahn man bei gehaltenem Abzug so mit dem rechten Stick präpariert, dass die Bumerangs gezielt um Hindernisse herum fliegen. Ebenfalls bekannt: das hervorragende Treffer-Feedback. Schießt man Gegnern in den Fuß, kommen sie etwa ins Straucheln. Eine physikalisch korrekte Körpersimulation ist Rage 2 natürlich nicht. Ich hatte aber großen Spaß dabei, einem der Mutanten wiederholt ins Bein zu ballern, sodass er nur langsam näher kam und irgendwann das Zeitliche segnete, bevor er überhaupt am Ziel war. Man wirft Granaten auf ahnungslose Wachen und sehen die Gegner einen Wingstick kommen, weichen sie flink aus, indem sie sich unter dem Geschoss hinweg ducken.
Ja, das fühlt sich alles an wie Rage; wie ein Spiel von id Software, in dem Bewegungen, Action und Reaktionen so unbeschwert ineinanderfließen, dass man voll darin aufgehen
Wie schrumpft man Entfernungen?
Von Willits wollte ich noch wissen, was id denn lernen musste, um einen Shooter in einer offenen Welt zu erschaffen. Immerhin ist das ein Novum für die Texaner, denen mit id Tech 5 einfach nicht die Technik zur Verfügung stand, um für Rage weitläufige Schauplätze zu erschaffen.
Doch vorrangig ist es wohl kein technischer Aspekt, den die Entwickler erlernen mussten – sondern vielmehr die Entfernung, um die sie sich Gedanken machten. Denn während für id typische Schusswechsel in überschaubaren Arealen stattfinden, kann man in einer offenen Welt selbst weit entfernte Gegner aufs Korn nehmen. Das geht hier vermutlich auch. Den Entwicklern scheint aber viel daran gelegen, unmittelbaren Kontakt zwischen Held und Bösewichten herzustellen, weshalb sie laut Willits Anreize schaffen mussten, die Spielern diese Annäherung schmackhaft machen.
Und sollte er damit u.a. die knackigen Schusswechsel sowie die mächtigen Spezialfähigkeiten meinen, dürfte dieses Vorhaben denn auch gelingen.
Ausblick
Weil ich skeptisch war, ob Avalanche einen Ego-Shooter entwickeln kann, der sich ähnlich gut anfühlt wie ein waschechtes id-Spiel, bin ich jetzt umso erfreuter, dass ich mir darum keine Sorgen mehr machen muss. Inhaltlich ist die kurze E3-Demo zwar wenig aufschlussreich und die offene Welt war weder zu sehen noch Thema der ersten Vorstellung direkt vor Art bei Avalanche. Spielerisch überzeugten die brachialen Gefechte aber – auch weil der „Bumerang“ und mächtige Nahkampf-Fähigkeiten über profanes Geballer hinausgehen. Wirklich einschätzen kann ich Rage 2 noch nicht. Gespannt drauf bin ich aber allemal. Und ach, ja: Es sieht auch diesmal wieder ziemlich gut aus!
Einschätzung: gut
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