Just Cause 408.11.2018, Mathias Oertel
Just Cause 4

Vorschau: Ein Spiel wie eine Naturgewalt

Es dauert nicht mehr lange, bis Diktatoren-Schreck Rico Rodriguez erneut Wingsuit, Greifhaken und ein beeindruckendes Arsenal an Waffen einpackt, um wieder einmal für Recht und (Un-)Ordnung zu sorgen. Doch nachdem sich das vom New Yorker Avalanche-Studio entwickelte Just Cause 3 in der riesigen Welt verlor, muss der Anfang Dezember erscheinende Nachfolger wieder zulegen. Wir haben für die Vorschau einige explosive Stunden mit Just Cause 4 (ab 4,99€ bei kaufen) verbracht.

Alles neu für Rico

Omar Shakir, der Narrative Director von Just Cause 3 und 4 brachte es schnell auf den Punkt: Mit dem jüngsten Teil hat der New Yorker Ableger der kürzlich von Nordisk Film übernommenen Avalanche Studios sein bislang ambitioniertestes Projekt in der Mache. Nicht nur, weil man in dem fiktiven südamerikanischen Land Solís versucht, viele erzählerisch offene Elemente rund um Rico Rodriguez, seine Familie und seine Freunde zu bündeln und zu einem packenden Ende zu führen. Sondern auch, weil man vieles renoviert oder komplett neu eingebaut hat: den Kampf, das Fahrzeugverhalten und vor allem das dynamische Wetter, das von der hauseigenen Apex Engine mit korrekten physikalischen Auswirkungen dargestellt werden soll. Und das alles nicht mehr in einer Insel-Welt wie in den bisherigen Teilen, sondern auf einer weitgehend durchgängigen Landmasse, die über die vier Biome Regenwald, Wüste, Gebirge sowie Grünland verfügt. Dass jede dieser Zonen mit spezifischen Wetterphänomenen wie Sandstürmen, Blizzards oder Tornados ausgestattet wurden, die auch spielerisch Einfluss nehmen sollen und eigene Missionsstränge haben, sorgt definitiv für Neugier.

Dass Avalanches Apex-Engine stimmungsvolle Panoramen sowie eindrucksvolle Explosionen abbilden kann, ist keine Überraschung.

Doch für mich viel wichtiger ist, ob man nicht nur die Kulisse aufgepeppt hat, sondern die Mankos des Vorgängers in Angriff genommen hat. Denn obwohl Just Cause 3 so gut aussah wie kein anderer Teil der Serie, hatte man den spielerischen Fokus verloren. Die Action war nach wie vor imposant sowie explosiv inszeniert. Doch sowohl bei der Geschichte als auch der Charakterzeichnung machte man einen bis mehrere Schritte zurück. Zudem verlief die Befreiung der einzelnen Gebiete beim Kampf gegen die extrem schwache KI stets zu gleichförmig, während die Nebenaktivitäten zwar spielerisch motiviert wurden, sich aber unter dem Strich nur als weitgehend belangloser Zeitvertreib oder Füllmaterial für Komplettierer etablieren konnten.

Doch nur Just Cause 3.5?

Da man spielmechanisch auf den Vorgänger aufbaut, dürften sich Veteranen schnell in die nahezu identische Steuerung einfinden. Der Wechsel von Fallschirm und Wingsuit sorgt zusammen mit der Greifhakenmechanik weiterhin dafür, dass man eine ansprechende Alternative für die Fortbewegung in dem riesigen Gebiet von Solís hat. Doch natürlich kann auch man auch das breite Spektrum an Fahrzeugen nutzen, das von Autos über Transporter und Motorräder bis hin zu militärischem Gerät wie Panzern, Kampfjets oder Helikoptern reicht. Klemmt man sich hinter das Steuer der Vehikel, stellt man fest, dass die Physik einen trägeren Eindruck hinterlässt als noch in Teil 3 – und das wirkt sich definitiv positiv aus. Das Gewicht der jeweiligen Fahrzeuge ist besser spürbar, so dass auch die unterschiedlichen Fahrmodelle bemerkbar sind und im Gegensatz zu Just Cause 3 das Geschwindigkeitsgefühl intensiver wirkt – vor allem, wenn man die Boliden bei einem Wechsel des Untergrunds nicht mehr so einfach unter Kontrolle halten kann.

Das Fahrverhalten wurde überarbeitet, präsentiert sich nun träger als in den Vorgängern und hinterlässt damit einen mechanisch besseren Eindruck.

In einem Punkt ist der mehrere Wochen alte Build, der auf dem Vorschau-Event zur Verfügung stand, allerdings nur unwesentlich weiter als der mittlerweile gut drei Jahre alte letzte Abenteuer-Urlaub von Rico Rodriguez: Der KI. Und da sind nicht einmal die weiterhin eher auf „Kanonenfutter“ eingestellten Gegner das Problem, da sie dies durch Masse wettmachen können. Es betrifft vielmehr die Kollegen, die mit einem unterwegs sind. Während sie hinsichtlich Verteidigung und Treffsicherheit durchaus eine Hilfe sind, sorgt ihre Wegfindung für Sorgenfalten. In Missionen, in denen man z.B. inhaftierte Rebellen befreien und sie zu einem Evakuierungspunkt begleiten muss, ist es ärgerlich, wenn sie auf halbem Weg irgendwo stehenbleiben, dadurch unter Beschuss geraten und dann nicht einmal eine Deckung aufsuchen. Das dadurch nötige Babysitting bremst die ansonsten angenehme Dynamik aus und ist definitiv ein Punkt, den Avalanche in den Griff kriegen muss – zumal man den Mitläufern auch keine Befehle geben kann. Noch gravierender ist es, wenn sie hinter dem Steuer eines Fahrzeugs sitzen und man das Vehikel wie z.B. einen LKW von der Ladefläche aus beschützen muss. Hier kann es nämlich passieren, dass sie nach einer Kollision massive Probleme haben, wieder auf die Straße oder die richtige Route zu finden, so dass sie einem mit Rumeiern die letzten Geduldsfäden abkauen, während man die verfolgenden Fahrzeuge eines nach dem anderen in gleißenden Explosionen aufgehen lässt. Zudem könnte die Zivilbevölkerung durchaus panischer reagieren, wenn ein Geschoss neben ihnen einschlägt oder ein Helikopter-Wrack beinahe auf ihnen landet.

Fortschritt ist nicht aufzuhalten

Doch abseits dieser Punkte ist Just Cause 4 auf dem besten Wege, sich in diesem Jahr der starken Open-World-Abenteuer als weiterer lohnenswerter Vertreter zu präsentieren. Denn ausgehend von den bisherigen Stunden in Solís konnten die Inhalte zusammen mit der sehr ansehnlichen Umgebung sowie den erneut über alle Zweifel erhabenen Explosionen über die KI-Mankos hinwegtrösten – vor allem, wenn noch ein paar Optimierungen hinsichtlich der Wegfindung stattfinden. Über Aufbau und Dramaturgie der Story lässt sich zwar noch nicht allzu viel sagen, da man nicht den Einstieg spielen konnte, sondern mitten ins Geschehen geworfen wurde. Doch die Verknüpfungen, die in den solide inszenierten Zwischensequenzen angedeutet wurden, machen auf jeden Fall neugierig und geben Hoffnung, dass das Drehbuch nicht nur auf Feuerbälle und viel Krawumm baut, sondern auch die Figuren entsprechend in Szene setzt. Zudem fällt auf, dass die deutsche Sprachausgabe einen deutlich besseren Eindruck hinterlässt als beim Vorgänger, in dem Moritz Bleibtreu in der Rolle von Rico Rodriguez keine glückliche Figur machte. Ebenfalls sehr angenehm: Sowohl das Stiften von Chaos (sprich: die Zerstörung der staatlichen Einrichtungen) als auch viele der bekannten und vor allem der neuen Nebenaktivitäten scheinen zielgerichteter in den Spielverlauf integriert zu sein.

Egal ob in einem Sandsturm oder nicht: Die Explosionen machen einiges her.

Immer noch sind die Wingsuit-Herausforderungen, die Rennen sowie weitere Spielereien notwendig, um sich Punkte für Upgrades zu verdienen. Da diese aber an Personen gebunden sind, die wiederum nicht nur eine eigene Storyline haben, sondern entsprechende Spezialisierungsoptionen für den Greifhaken erlauben, ist die Notwendigkeit für diese nach und nach auf der riesigen Karte auftauchenden Aktivitäten deutlich höher als in Just Cause 3. Denn der Greifhaken ist mit seinen neuen Ausrüstungsmöglichkeiten fast schon so wichtig wie Rico selbst. Es stehen drei Konfigurationen zur Verfügung, zwischen denen man jederzeit umschalten und noch wichtiger: die man ad hoc verändern kann. Neben dem Zugmotor, der z.B. das Verbinden von zwei Gegenständen erlaubt, bevor man sie aufeinander zuschnellen lässt, hat man die sogenannten Luftheber (quasi einen Ballon) sowie Schubraketem zur Verfügung. Und dies wird im späteren Verlauf mit entsprechenden Upgrades auch spielmechanisch relevant, da einem neue Optionen zur Verfügung stehen, wie man die gegnerischen Anlagen formschön zerlegen kann – natürlich alles im Rahmen einer korrekt eingesetzten Physik. Lasst einfach eurer Fantasie freien Lauf und malt euch aus, wenn man einen schweren Panzer mit Hilfe von entsprechend zahlreichen Ballons und Schubraketen zu einer schwebenden Festung macht. Mit zahlreichen freispielbaren Upgrades kann man weitere Modifikationen zuschalten wie z.B. den „Impuls“, der zwei mit dem Zugmotor verbundene Gegenstände nach dem Aufeinandertreffen voneinander weg schleudert. Die Möglichkeiten, mit der Umgebung und hier insbesondere den Gegnern sowie ihrem Gerät zu experimentieren, sind enorm und zeigen, dass Avalanche nicht nur bei der Kulisse oder der Story, sondern auch dem „Spielplatz“-Gedanken auf den Stärken der Vorgänger aufbaut. Und man nutzt es für clevere Rätsel, wenn man z.B. riesige Granitkugeln manipulieren muss, um versteckte Höhen zu öffnen – hier weht gelegentlich sogar ein Hauch von Tomb Raider.

Taktik à la Just Cause

Auch die Eroberung der Gebiete, die beim Vorgänger zu der ewig gleichen sowie auf Dauer ermüdenden Nebenaufgaben-Schleife wie dem Zerstören von Lautsprechern, dem Erobern von Gefängnissen usw. geführt hat, wirkt bei Just Cause 4 harmonischer. Über das Stiften von Chaos oder besondere Missionen werden Rebellen-Truppen freigeschaltet, mit denen man die Grenzen zwischen befreiten und besetzten Gebieten auf der Übersichtskarte verschieben kann. So hat man eine größtmögliche Freiheit, welche Areale man sich als nächstes vornimmt, wobei davon auszugehen ist, dass es im Rahmen des erzählerischen Fortschritts eine ideale Reihenfolge und entsprechende Vorschläge gibt. Dieses leicht taktische Element wertet

Die Wetterphänomene des fiktiven südamerikanisches Landes wurden alle mit einer spezifischen Reihe von Missionen versehen.

die Action definitiv auf, muss sich allerdings langfristig beweisen. Können die Feinde z.B. Truppen auch zurückschlagen? Darf man sich bei bereits eroberten Bereichen nicht zu sicher fühlen, da ein dynamischer Gegenschlag zu erwarten ist? Die Antwort darauf können wir erst im Test geben, da die zur Verfügung stehende Zeit nicht gereicht hat, um alle Details zu erfassen.

Denn viel zu häufig habe ich mich dabei ertappt, wie ich auf der Karte auf ein Missionssymbol oder eine Aktivität klickte, um einen Wegpunkt anzulegen, mich auf die Reise gemacht habe und die Kulisse in mich aufsog, während ich mich entweder zu Lande oder in der Luft dem Ziel näherte. Klar: Die Wüstengebiete erinnern schon irgendwie an Mad Max – vor allem, wenn ein beeindruckender Sandsturm die Sicht einschränkt und man Schwierigkeiten hat, auf den Beinen zu halten. Doch mit seinen gelungenen Wechseln aus urbanen und ländlichen Gebieten oder den verschiedenen Klima- sowie Wetterzonen demonstriert Avalanche die Fähigkeiten der Apex-Engine auf beeindruckende Weise. Da zudem die Missionen (zumindest bislang) ebenfalls besser in die Welt integriert scheinen, stehen die Chancen verdammt gut, dass sich Just Cause 4 als Open-World-Abenteuer mit Assassin’s Creed Odyssey, Spider-Man und Red Dead Redemption 2 bis ins nächste Jahr hinein um meine Zeit streiten wird.

Ausblick

Nachdem Avalanche New York mit Just Cause 3 zwar visuell zulegen konnte und die seinerzeit eindrucksvollsten Explosionen in Videospielen zelebrierte, trat man inhaltlich und erzählerisch auf der Stelle. Hinsichtlich der KI wird man zwar ausgehend von der Vorschau-Version keine großen Sprünge machen, doch in einigen anderen Bereichen stellt Just Cause 4 einen mitunter deutlichen Fortschritt zum Vorgänger dar. Das nach eigener Aussage bislang ambitionierteste Abenteuer mit Rico Rodriguez versucht nicht nur erzählerisch einen Bogen über alle bisherigen Teile zu spannen. Auch mechanisch wirkt vieles besser mit der Geschichte, einzelnen Figuren sowie der Spielwelt verknüpft, so dass ein homogenes Erlebnis entsteht, bei dem aber auch der traditionelle Action-Spielplatz nicht zu kurz kommt. Man hat in vielen Bereichen wie z.B. der Fahrphysik oder auch den ballistischen Gefechten optimiert. Mit der frischen hauseigenen Apex-Engine nutzt man zudem einen hochtourigen Motor, um das nicht mehr aus zig Inseln, sondern einer großen Landmasse bestehende fiktive südamerikanische Land Solís mit seinen abwechslungsreichen Landschaften darzustellen. Dass Apex dabei erneut eindrucksvolle Explosionen auf den Bildschirm bringt, versteht sich von selbst. Auch spielerisch geht man neue Wege mit dem konfigurierbaren Greifhaken oder den erfrischenden Umgebungsrätsel, die sogar einen Hauch Tomb Raider verströmen. Hinzu kommt ein leicht taktisches Element bei der Gebietsbefreiung, das die demotivierende Eroberungsschleife des Vorgängers ersetzt. Und das alles könnte  reichen, um zumindest die Vorsprünge zu egalisieren, die sich zuletzt Assassin’s Creed Odyssey oder Spider-Man als Open-World-Abenteuer herausgearbeitet haben.

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