Vorschau: The Longest Journey: Dreamfall (Adventure)

von Bodo Naser



The Longest Journey: Dreamfall
Entwickler:
Publisher: dtp
Release:
24.05.2006
28.07.2006
Spielinfo Bilder Videos
Würde jemand heutzutage ein Märchen schreiben, würde er wahrscheinlich eine Geschichte wie die von The Longest Journey 2: Dreamfall erzählen, in der hypermoderne Technik und archaische Magie aufeinander treffen. Hierzulande soll Funcoms träumerisches 3D-Abenteuer nächsten Monat bei dtp erscheinen. Und doch sind es wieder die guten alten Fragen, mit denen alles anfängt.

Besuch in der Traumzeit

Dreamfall beginnt mit vielen Fragen und wenigen Antworten, ganz wie man es von einem Abenteuer der geheimnisvollen Art erwartet. Gleich zu Beginn macht sich jemand auf eine Reise ins Unbekannte, die asiatisch anmutende Mönche rituell für ihn vorbereiten. Ein Zurück scheint es für den mysteriösen Herren
Wenn einer eine Reise tut... Dieser Trip führt allerdings eher auf die metaphysische Ebene.
 nicht zu geben, der ein wenig an H.P. Lovecrafts verzweifelte Protagonisten erinnert, die kurz vor dem Suizid noch einen letzten, enthüllenden Brief verfassen, der hier allerdings mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Er landet jedenfalls in einer Anderswelt, in der er nicht herzlich aufgenommen wird...

Schnitt. Teil eins. Nun sehe ich ein hübsches Mädchen, das wie tot auf einem Krankenbett liegt. Sie sieht sich selbst von außen, denn ihr Leben scheint nur noch an einem seidenen Faden zu hängen. Ihre Vorgeschichte werdet ihr aus der 3rd-Person-Perspektive nachspielen können: Die junge Frau heißt Zoe Castillo und wohnt in einem futuristischen Casablanca. Zoe fühlt sich ein wenig nutzlos und fehl am Platze, nachdem sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Ich verfolge Zoes Tagesablauf, der normaler nicht sein könnte. Ich stecke ihr Handy ein und gehe mit ihr raus auf die orientalisch angehauchte Gasse. Leider quält mich die unausgegorene Tastatur-Maus-Steuerung, die oft überreagiert. Beim fertigen Spiel soll sich die Bedienung einstellen lassen und ihr werdet auch per Gamepad spielen können.

Nichts, wie es scheint

Die Story entwickelt sich langsam, zieht mich aber dennoch in ihren Bann. Die multikulturelle 3D-Idylle, die das Spiel zunächst vermittelt, ist nämlich nur oberflächlich: Zoe lebt in einem modernem Überwachungsstaat, der an The
Dreamfall spielt in einer nicht all zu fernen Zukunft, weshalb viele Geräte vertraut erscheinen.
Moment of Silence erinnert. Ich mag solche kritischen Gedankenspiele wie in Orwells 1984 und stürze mich neugierig ins Ungewisse. So unähnlich ist diese Welt unserer gar nicht, denn überall gibt es inhaltsleere Fernsehberieselung. Wer sich etwas zuschulden kommen lässt, wird von einer brutalen Eingreiftruppe verschleppt. Ich will mehr wissen: Zoes Ex-Freund Reza, von dem sie nicht richtig loskommt, scheint einer großen Sache auf der Spur zu sein, in die er sie aber nicht einweihen möchte. Sie soll aber etwas für ihn abholen... Was steckt hinter der Geheimniskrämerei?

Doch es deutet sich bereits an, dass auch diese gesellschaftliche Ebene wohl nicht entscheidend sein wird. Hinter dieser vordergründigen, technologischen Welt verbergen sich die Abgründe einer zweiten Dimension, die nur gelegentlich durchscheint. Zoe wird von gar finsteren Visionen geplagt, die von den allgegenwärtigen Bildschirmen auf sie einstürmen. Ganz schön schaurig - dabei ist ein Mädchen zu sehen, das in etwa wie die Kleine aus dem Shooter F.E.A.R. aussieht. Die an den Horror-Film Ring erinnernden Filmschnipsel fordern mich auf, eine gewisse April zu suchen. War das nicht die Protagonistin aus dem Vorgänger? Was ist mir ihr passiert? 

Zum Zuschauen verdammt

Zu tun gibt es wenig, fast zu wenig. Kommt dann eine Aufgabe, ist sie stets mit einigen Handgriffen gemacht: Die eingeschlossene Wissenschaftlerin befreie ich mit ein paar Aktionen aus dem gläsernen Aufzug, die trotz Klettereinlage wenig prickelnd sind. "Dutzendware" kommt mir da in den Sinn. Die verkorkste
Eines der Mini-Rätselchen. Sieht schwerer aus, als es schließlich ist.
Steuerung sorgt hier nicht für ein Aha-Erlebnis wie beim richtungweisenden Fahrenheit, wo alles neu und aufregend war. So sind es letztlich die teils langen, aber keinesfalls langweiligen Dialoge, die gelegentlich für Freiraum sorgen. Obwohl sie automatisch ablaufen, werdet ihr die Richtung bestimmen können, in die ein Gespräch laufen soll. Gebt ihr bei der Geheimpolizei alles zu oder tut ihr so, als wüsstet ihr von nichts? Ob das wirklich eine Wende in der Story auslöst, muss erst die Testfassung zeigen.

Echte Adventure-Fans werden bei Dreamfall wohl schwerlich auf ihre Kosten kommen, da das Spiel auf klassische Rätsel weitgehend verzichtet. Die Mini-Knobeleien, die vorkommen, sind kaum der Erwähnung wert, da sie nach wenigen Augenblicken enträtselt sind. Dafür wird es Kämpfe und Actionpassagen geben, die allerdings eher bemüht als rund wirken. Die Martial Arts-Einlagen entpuppen sich als wilde Klickerei, weshalb ich auf eine zweite Runde gegen die Trainerin im Fitnessstudio dankend verzichte. Für jemanden, der schon fünf Minuten ein Klopperspiel mit guter Bedienung wie Dead or Alive gespielt hat, sind sie eine Zumutung. Sie bleiben etwas, das es zu überwinden gilt, um die spannende Story weiterverfolgen zu können.

Deine blauen Augen

Zoe sieht ohne Frage nett aus, hat aber bei näherer Betrachtung ein Augenproblem.
Äußerlich wird es wenig an Dreamfall auszusetzen geben: Die moderne 3D-Darstellung ist gefällig, auch wenn sie nicht derart vom Hocker reißt, wie man vielleicht meinen könnte. In Casablanca dürfte trotz bunter Umgebung wenig afrikanisches Flair aufkommen, da der Parcours, in dem ihr euch frei bewegen dürft, eher überschaubar ist. Kommt ihr den virtuellen 3D-Akteuren aber näher, wirken sie schon nicht mehr so smart wie aus der Ferne. Die Animationen des Gesichtes sind eher hölzern, weshalb mich die tiefgründigen Augen von Zoe immer ein wenig unnatürlich anblicken. Dreamfall bietet viele Cutscenes in 3D-Spielgrafik, in denen das wegen der Großaufnahmen auffällt.

Inwiefern die deutsche Sprachausgabe zu überzeugen vermag, muss sich erst noch zeigen. Ich bin gespannt, ob sie das weltmännische Flair des betont britischen Originals einfangen kann.
                  
 

AUSBLICK



Ich muss zugeben, dass mich Dreamfall ein wenig enttäuscht. Von einem Adventure, das mit derartigen Vorschusslorbeeren bedacht wurde, hätte ich einfach mehr erwartet. Obwohl sich Dreamfall viel Zeit für die Gespräche, das Entwickeln der Charaktere und die schöne Story nimmt, kann mein Ausblick bisher nur verhalten ausfallen. Zu viele Dinge fallen unangenehm auf: Die Steuerung ist leider eine Zumutung, da ich dauernd auf etwas drauflaufe oder irgendwo hängen bleibe, und die Sachen, die wichtig sind, trotz Automatik nicht richtig anvisieren kann. Von der üblichen Shooter-Bedienung scheinen die Macher noch nie etwas gehört zu haben. Die Kämpfe sind überflüssig wie ein Kropf, man hätte sie getrost weglassen können. Auch die Actioneinlagen wirken bestenfalls bemüht, und die kaum vorhandenen Aufgaben sind eigentlich ein Witz, da ich bisher die Herausforderung vermisse. Ich bin trotzdem sehr neugierig, ob mich die spannende Geschichte in der liebevollen 3D-Kulisse doch noch in ihren Bann ziehen kann.


Ersteindruck: befriedigend

Kommentare

johndoe-freename-95322 schrieb am
Hmmm...glaub' ich noch nicht. Dennoch, die Vorschau ist ja eine Katastrophe - also, nicht die Vorschau selbst, aber der Eindruck, den sie hinterlässt. Sollten die so ein Highlight wirklich vergeigt haben? :(
dima4711 schrieb am
Tja, und weil dieses Spiel so genial ist, gibt's auch gleich eine "kleine Preiserhöhung" KOSTENLOS dazu.
Diese Mail erhielt ich gerade von AMAZON auf meine Vorbestellung zu Dreamfall: Wohlgemerkt für die PC-Version.
Guten Tag!
Wir gruessen Sie ganz herzlich. Zu Ihrer Amazon.de-Bestellung gibt es Neuigkeiten.
Hierzu moechten wir gerne Ihre Meinung hoeren.
Der uns vom Verlag gemeldete voraussichtliche Ladenpreis fuer den von Ihnen vorbestellten Titel hat sich geaendert (Preisangabe ohne Mwst):
"Dreamfall - The longest Journey" [CD-ROM]
ALTER PREIS NEUER PREIS
EUR 44,98 EUR 73,95
Wir bemuehen uns sehr, unseren Datenbestand auf dem neuesten Stand zu halten. Gelegentlich kann es vorkommen, dass Aenderungen noch nicht in unserer Datenbank erfasst sind oder Herstellerpreise vor dem Erscheinungstermin noch einmal geaendert werden. In diesen Faellen bitten wir um Entschuldigung!
gloomy schrieb am
Gut geschriebene Vorschau, schade, dass das Spiel scheinbar nicht an den tollen Vorgänger ranreicht. Hört sich ja nach einem soliden 70er an. Das sind halt die bescheuerten Zugeständnisse an die neue Zielgruppe die die Oldschool-Adventures nicht kennen und lieber Action-Adventures spielen.
johndoe-freename-81181 schrieb am
Ist immer wieder das selbe
Es gibt ein tolles Adventure und der Nachfolger wird dann mit Action Elementen, und Kistenschieberein verkorkst
Die macher von Baphomets Fluch haben sich mit dieser Strtegie auch schon heftigst auf die fresse gelegt
die haben aber wenigstens daraus gelernt
Blue_Ace schrieb am
Hört sich nicht besonders gut an, wurde doch so viel darüber geworben. Keine richtigen Rätsel, keine richtige Kampfszenen, keine richtige Action??
Fühlt sich nach verkorksten Fahrenheitklon an, obwohl die Grafik schon ganz schick ist.
schrieb am