Medal of Honor: European Assault05.03.2005, Paul Kautz
Medal of Honor: European Assault

Vorschau:

Die Ankündigung eines neuen Medal of Honor-Titels ist für Freunde intelligenter Ego-Shooter immer ein Tag der Freude. Außerdem nähert sich das sechsjährige Jubiläum der erfolgreichen Reihe – Grund genug für Electronic Arts, mit den bewährten Spielkonventionen zu brechen, und die Serie gründlich aufzumöbeln. Wir durften einen ausführlichen Blick auf eine frühe Prä-Alpha-Version werfen: Unsere gesammelten Eindrücke findet ihr in der europaweit ersten Vorschau!

Alles neu in Europa

Wenn ein enthusiastischer Entwickler über der Präsentation seines Spiels ebenso wie der faszinierte Redakteur glatt das leckere Mittagessen ignoriert, dann muss es sich um ein besonderes Juwel handeln. In diesem Fall ist das Medal of Honor: European Assault (ab 10,00€ bei kaufen) (vorher bekannt als »MoH: Dogs of War«), der jüngste Spross der ruhmreichen Reihe, der sie außerdem von Grund auf erneuern soll. Dieses hehre Ziel zu erreichen erfordert einen Mehrfrontenangriff: mehr spielerische Freiheiten, frische

Vier Mann hoch an die Front: Wir lieferten uns mit den Entwicklern eine heiße Mehrspielerpartie.
Schauplätze, neue Ideen – aber dabei nie die alten Stärken der MoH-Serie wie authentische Schlachten, ergreifende Atmosphäre und realistisches Mittendringefühl vergessen! Eine Sisyphosaufgabe? Möglicherweise – möglicherweise aber auch nicht!

Zunächst einmal kümmern sich die Entwickler um die korsettartige Linearität der Vorgänger. Executive Producer Dan Winters drückte das bei der Präsentation so aus: »Die bisherigen MoH-Games waren wie Achterbahnfahrten: aufregend, unterhaltsam, aber mit streng vorgegebener Richtung, ohne die Möglichkeit links und rechts vom Hauptpfad etwas zu machen. European Assault ist jetzt mehr mit einem ganzen Vergnügungspark zu vergleichen!« - diese Metapher bedeutet nicht weniger, als dass der Spieler jetzt innerhalb der Missionen selbst aussuchen kann, was er wann und wo macht! Jeder Level ist ein weites Spielgebiet, in dem es ein Primärziel gibt – die Sprengung eines Treibstoffdepots etwa. Auf dem Weg dahin, auch abhängig davon welchen Pfad der Spieler eingeschlagen hat, warten mehr oder weniger offensichtliche Sekundärziele, um die man sich kümmern kann oder auch nicht. Als Krönung gibt es noch gut versteckte Bonusziele – die haben keine Auswirkung auf den Spielverlauf, bieten aber z.B. Upgrades, bessere Waffen oder wichtige Informationen. Diese Freiheit macht European Assault zum ersten offenen MoH-Game, was sich natürlich positiv auf die Wiederspielbarkeit auswirkt.

Auf nach Frankreich!

In European Assault übernehmt ihr nicht den Part eines namenlosen Soldaten, sondern den des amerikanischen OSS-Mitarbeiters William Holt – wie in Pacific Assault erlebt ihr das Game als eine Ansammlung von Rückblenden aus seinem ereignisreichen Leben. Da ihr für den OSS tätig seid (»Office of Strategic Services«, der direkte Vorgänger des heutigen CIA), obliegt euch nicht nur das Führen von Gefechten, sondern vor allem auch das Sammeln von kriegswichtigem Informationsmaterial. Das findet ihr zum einen in Bunkern, zum anderen bei höherrangigen »Nemesis«-Gegnern wie dem Offizier Klaus Müller. Der gibt zwar sein Bestes, um einer direkten Konfrontation mit euch aus dem Weg zu gehen, erwischt ihr ihn aber, ist die Ausbeute groß.

In St. Nazaire trefft ihr auf heftigen Widerstand - viel Feind, viel Ehr'!
 Anstatt den »normalen« Weg der WW2-Shooter zu gehen, und euch die üblich verdächtigen Szenarien von der Normandie bis Stalingrad zu präsentieren, konzentriert sich European Assault auf zwar kriegsentscheidende, aber trotzdem weniger bekannte Schlachten – wie z.B. den Kommando-Einsatz in St. Nazaire 1942. In dem begleitet ihr einen großen Trupp britischer Elite-Soldaten in einem als deutsches Schiff getarnten Boot. Das Ziel ist das einzige Trockendock, welches groß genug ist für das gefürchtete deutsche Schlachtschiff »Tirpitz«, das Schwesterschiff der »Bismarck«. Das modifizierte Boot enthält nicht nur die Soldaten, sondern auch mehrere hundert Pfund Dynamit, mit dem das Dock eingeäschert werden soll. Spätestens beim Ausstieg merkt ihr, dass ihr praktisch nie allein unterwegs seid, sondern von einer Gruppe Soldaten begleitet werdet, der ihr auch rudimentäre Kommandos geben könnt. Ihr winkt sie per Knopfdruck an eine bestimmte Position, an der sie selbständig entscheiden, was zu tun ist: In Deckung gehen, ausschwärmen, Feuer erwidern und weitere Aktionen werden von der KI automatisch ausgeführt. Weitere Schlachten, die natürlich alle auf realen Begebenheiten basieren, führen euch u.a. nach Nordafrika und Russland.      

Max Payne an der Front

Eine der wichtigsten Neuerungen ist der »Rally-Modus«: Darin besteigt ihr mitnichten einen rasanten Hobel. Statt dessen füllt sich im Laufe des Spiels euer »Rally Meter« auf; landet ihr besonders viele Abschüsse hintereinander, erfüllt ihr viele Bonusziele oder verhaltet ihr euch euren Kameraden gegenüber heroisch (gebt einem verwundeten Mitsoldaten z.B. ein Heilpäckchen, statt es selbst zu benutzen), geht es noch schneller. Ist die Anzeige gefüllt könnt ihr euch auf Knopfdruck für kurze Zeit in eine Art konzentrierte Trance versetzen. Das Ganze beruht auf Aussagen von Kriegsveteranen wie Cpt. Dale Dye (der u.a. militärischer Berater für die bisherigen MoH-Games und Steven Spielberg »Saving Private Ryan« war): In besonders kritischen Momenten ist der Streß und die Konzentration so groß, dass man alles um sich vergisst, und per Tunnelblick nur noch auf die Aufgabe fokussiert ist. Genau dieses Gefühl versuchen die Entwickler auf den Monitor zu bringen: das Sichtfeld wird bis auf einen

Das neu entwickelte Grafiksystem setzt wieder auf realistische Szenarien.
kleinen Ausschnitt verzerrt, die Umgebungsgeräusche dringen wie durch Watte zu euch durch, alles scheint wie in Zeitlupe abzulaufen – außerdem seid ihr für diese knapp zehn Sekunden unverwundbar, habt unendlich viel Munition und erledigt Gegner mit einem Schuss. Um mit dieser Art Bullet Time aus MoH keinen Arcade-Shooter zu machen, ist dieser seltene Zustand nur für absolute Notfälle oder größere Gegneransammlungen gedacht.

Die KI wird ebenfalls komplett runderneuert, und ist, bis auf die Ausnahme grundlegender Verhaltensmuster, komplett ungeskriptet. Jeder Soldat verfügt sogar über einen »Agony Meter«, der sein Verhalten in Krisensituation definiert. Ist ein Gegner schwer verwundet, kann er sich entscheiden, ob er verletzt von dannen humpelt, verzweifelt aus allen Rohren feuert oder sich vielleicht tot stellt. Das System wirkt sich sogar auf Gruppen aus: Merkt eine Feindansammlung, dass sie hoffnungslos unterlegen ist, nimmt sie schon mal die Beine in die Hand – woraufhin die eigene KI u.U. frisch motiviert und laut johlend hinter den Hasenfüßen herjagt. Schlagt ihr euch besonders gut, entwickeln eure Widersacher auf Dauer sogar Respekt vor euch, was sich besonders im Verhalten der »Nemesis«-Gegner widerspiegelt – wie dem bereits erwähnten Klaus Müller.

Aber da ihr früher oder später unvermeidlicherweise der gegnerischen Übermacht zum Opfer fallt, gibt es in European Assault ein neues System, um Quicksave und –load-Orgien zu vermeiden: Ihr verfügt von Anfang an über mehrere Leben, so dass ihr kurz nach einem kritischen Treffer benommen wieder aufsteht. Durch die Erfüllung sekundärer Ziele könnt ihr euch sogar noch Leben dazuverdienen, aber die Quasi-Unsterblichkeit ist ausgeschlossen – die Anzahl der Wiederbelebungen ist strikt limitiert!

Hier gibt's was auf die Ohren

European Assault legt den Fokus auf dem Einzelspielererlebnis: die durchgehende Storyline, umrahmt von nahtlos ins Spiel übergehenden Renderfilmen, dreht sich um die Versuche der Nazis, mit überlegener Technologie, inkl. der Atombombe, die Oberhand zu behalten – deswegen schickt man auch einen Spion an die Front. Die Mehrspielerfraktion bekommt zwar auch etwas Zucker, aber nur in eingeschränkter Form: maximal vier Spieler sind per Splitscreen zugelassen,

Eure Kameraden handeln sehr selbständig, und überraschen euch immer wieder.
Online-Modi sind nicht geplant. Dafür erwarten euch diverse Spielvarianten, vom klassischen Deathmatch über Capture-The-Flag bis hin zu einem CounterStrike-kompatiblen Bombenleg-/Bombenentschärf-Modus – der mit vier Spielern vor einem Fernseher für ungeahnt chaotischen Spaß sorgt, wie wir bei einem schnellen Match gegen die Entwickler feststellen durften.

Technisch basiert der im Sommer 2005 für PS2 und Xbox erscheinende Titel auf einem neuen Entwicklungssystem: Bis zu 50 völlig autonom agierende Spielfiguren finden sich auf dem Schlachtfeld, auf dem auch ohne euer Zutun jederzeit die Hölle los ist. Fetzige Explosionen, die besonders deutlich die Nutzung der Havok-Physikengine demonstrieren, bewirken bei euch einen beeindruckenden »Shellshock«-Effekt, wenn z.B. eine Granate in eurer Nähe explodiert: für kurze Zeit seid ihr optisch und akustisch wie betäubt, schwankt schwer kontrollierbar durch das Szenario. Dazu gibt es sehr viel Funkverkehr und einen dramatischen Soundtrack aus dem Orchestergraben des London Symphonic Orchestra.   

Ausblick

Das wird ja auch Zeit! Nachdem das WW2-Genre schon seit einiger Zeit aufgrund immergleicher Spielstrukturen und Schlachtfelder ernsthaft stagnierte, scheint European Assault frischen Wind auf die Konsolen zu bringen: neue Szenarien, nicht-lineares Spielprinzip, ein bisschen Arcade-Einfluss – ich bin happy. Dazu noch ansehnliche Grafik, die speziell auf der PS2 überraschend gut aussieht, und es kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen. Ab dem Sommer werden wir sehen, ob das ausführliche Spielgefühl den sehr guten Ersteindruck bestätigen kann.

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