Tekken 607.10.2009, Paul Kautz
Tekken 6

Vorschau:

Der ewige Krieg der Prügel-Geschmäcker geht in eine neue Runde: Ein aktuelles Soul Calibur ist ebenso draußen wie ein HD-Street Fighter, mit BlazBlue haben auch die Fans des Guilty Gear-Kampfsystems einen hervorragenden Vertreter auf aktuellen Konsolengenerationen zur Verfügung. Und die Tekken-Fraktion? Die muss sich seit Jahren mit dem bis heute online nahezu unspielbaren Tekken 5: Dark Resurrection Online auf PS3 begnügen. Aber nicht mehr lange!

Die guten alten Zeiten

Der edle, ganz à la Namco verdammt gut gerendete Vorspann läuft und ich bin ratlos: Rechts unten steht tatsächlich »Münze einwerfen«. Ich versuche es, die Redaktions-360 mag mich danach nicht mehr. Hm. Na gut, dann hat das wohl einfach einer als Gag aus der Arcade-Version dringelassen? Oder probiert Microsoft neue Wege des Micropayments aus?

Video: Der sechste Teil bietet das bislang umfangreichste Tekken-Erlebnis - mit brandneuen Kämpfern und erstmals auch auf der Xbox 360!Egal, die Start-Taste wird gedrückt, das Hauptmenü erscheint: Der wild frisierte Lars Alexandersson steht in der Mitte des Bildschirms und schaut mich grimmig an, obwohl ich freundlich lächle. Neenee, so nicht, mein Herr - in den Optionen wähle ich die ebenfalls grinsende Christie Monteiro als meinen Charakter. Das bewirkt nicht nur, dass sie ab sofort in ihrem aktuellen Outfit das Hauptmenü ziert, sondern über ihre Fortschritte wird direkt hier und übersichtlich Buch geführt: Wie viel Geld sie bislang verdient hat, welchen Rang sie bekleidet, wie viele Kämpfe sie verloren bzw. gewonnen hat - Statistiker werden von Beginn an glücklich gemacht.

Und Traditionalisten ebenso, denn im Gegensatz zu Soul Calibur: Broken Destiny , das aus irgendeinem Grund mit den altbewährten Einzelspielermodi abschloss und sie durch fragwürdige Neuzugänge ersetzte, erwartet den Serienkenner hier ein vertrautes Bild. Gegeneinander-Modus, Geister-Kampf, Team- und Zeitangriff, Survival sowie Training laden den Spieler in ein gewohnt möbliertes neues Zuhause ein. Die wichtigste Solo-Variante von allen ist natürlich einmal mehr der Arcade-Modus, der sich von der leicht freien Struktur von Tekken 5 (wo man sich nach dem Ende eines Kampfes unter drei potenziellen Gegnern entscheiden durfte) verabschiedet, und einfach zehn Kämpfe hintereinander serviert, die von drei Bossen gekrönt werden. Der erste davon ist eigentlich gar keiner: Riesen-Roboter »Nancy MI847J« ist nur für jede Menge Bonusgeld gut, der Kampf gegen ihn wird nicht

Man darf zwar keine eigenen Fighter erschaffen, dafür aber ausführlich an den bestehenden herumdoktern.
ohne Grund als »Extra-Stage« bezeichnet. Die Vorstufe zum Finale wird von Jin Kazama besetzt, dem aktuellen »King of Iron Fist« und Herrscher über die Mishima Zaibatsu. Der finale Boss ist brandneu im Tekkenversum: Azazel, ein großes, leuchtendes, an den Super Ogre aus Tekken 3 erinnerndes Flügelbiest - das leider der Jinpachi Mishima-Tradition aus Tekken 5 folgt, nach der der Endgegner nicht nur möglichst schwer, sondern seine Angriffe auch sehr schlecht abzuschätzen sein sollen. Nerv!

Shoppen für Reiche

Jeder gemeisterte Kampf bringt für den Fighter in erster Linie virtuelles Geld, welches über das zufällig auftauchende »Tekken Roulette« auch noch stark vermehrt werden kann - damit kann man dann nach Herzenslust shoppen. Für jeden Kämpfer gibt es eine irre Menge an Klamotten, Gegenständen, Frisuren (mit individueller Basis, linker/rechter Seite und hinterem Abschluss!) und sonstige Kinkerlitzchen, die aber bewusst gewählt werden sollten: Wenn es für einen gemeisterten Kampf 4.000 Credits gibt, aber bereits eine ganz gewöhnliche Hose 200.000 kostet, dann sollte man sich den Kauf wahrlich gut überlegen! Immerhin ist so gewährleistet, dass man online kaum zwei Mal dieselbe Figur zu sehen bekommt - die Sachen sind einfach zu teuer. Diese große Auswahl an Personalisierung tröstet erfolgreich darüber hinweg, dass es auch in Tekken 6 (ab 14,99€ bei kaufen), im Gegensatz zu den letzten Soul Calibur -Spielen, keinen Editor im eigentlichen Sinne gibt. Man darf immer nur an bestehenden Figuren herumdoktern, aber keine eigenen erschaffen - schade.

         

Tekken 6 sieht besser aus als je zuvor: Leveldesign, Effekte und Animationen bewegen sich auf höchstem Niveau.
Tekken 6 präsentiert die Auswahl der Fighter unter dem »Best Of«-Motto: Insgesamt warten 40 Prügelknaben und -mädels auf ihre Auswahl, 34 davon aus vorherigen Teilen bekannt, sechs brandneu. Darunter Zafina, die nicht nur einen eleganten Scheitel trägt, sondern eine Stil-Mischung aus Affe und Skorpion kämpft, und damit an Eileen aus Virtua Fighter 5 sowie den Soul Calibur-Veteranen Voldo erinnert. Der mit schweren Knochen gesegnete, aber dafür erschreckend gewandt prügelende Bob könnte ein Bruder von Rufus aus Street Fighter 4 sein. Und der im Cape gewandete Lars Alexandersson haut mächtig beeindruckend drauflos - sein energischer Kampfstil erinnert an eine Mischung aus Jin Kazama und Raven. Kurz gesagt: Wieder einmal ist für jeden Martial Arts-Freund etwas dabei. Die Kontrolle geht gewohnt locker von der Hand, allerdings gab es viele mehr oder weniger deutliche Tweaks an den einzelnen Fightern. Manche wurden verlangsamt, andere dezent beschleunigt, es gibt viele neue Moves, dafür fielen ein paar alte (und im Zweifelsfall zu mächtige) unter den Tisch - im Großen und Ganzen bleibt das Spielerlebnis bekannt, aber es gibt wieder viel dazu zu lernen und dementsprechend jede Menge »Hui, wie habe ich denn das gerade gemacht?«-Momente. Neu ist die Möglichkeit, mit dem richtigen Manöver den Boden zu durchbrechen und ein Stockwerk tiefer weiter zu kloppen. Klingt in der Theorie nett, in der Praxis empfand ich das schnell als lästig: Der Durchbruch erfolgt immer irgendwie unerwartet und unterbricht zuverlässig jede Kombo. Dafür bestechen die Levels (die es jetzt in den Varianten »unendlich« und »mit Wänden« gibt) einmal mehr mit beeindruckend vielen Details und Abwechslung. Mein aktueller Favorit ist die klischeehafte
Die neuen Kampfeffekte mögen auf Screenshots komisch aussehen - in Bewegung jedoch verleihen sie den Fights eine mächtige Zusatzportion Rasanz.
bayerische Berglandschaft, in der man sich bei herrlichstem Alpenpanorama nicht nur durch herumstehende und -blökende Schafherden prügelt (die sich wie Flummis wegkicken lassen), sondern die auch von einem herrlich albernen Yodel-Soundtrack begleitet wird. Ebenfalls ein Erlebnis: Die an M.C. Escher erinnernde Surreal-Welt mit zerfallener, dimensional herausfordernd verbogener Stadt sowie vorbei zischenden Düsenfliegern im Hintergrund. Nicht zu vergessen die romantische Ruinenlandschaft, in der Sonne und Mond im Zeitraffer auf- und untergehen.

Verkloppte Geschichte

In fast jedem Tekken-Teil gab es bislang Bonusgames; mal mehr, mal weniger gelungen. Womit Namco bislang kein glückliches Händchen hatte, waren die »Action-Adventure«-Modi, in denen man sich aus einer seitlichen oder schwenkenden Perspektive durch Final Fight-ähnliche Levels kloppte - »Tekken Force« (Tekken 3) oder »The Devil Within« (Tekken 5 ) sind nur zwei Beispiele davon, mit Death By Degrees gab es sogar mal ein separat erhältliches Spin-Off. Auch dieses mal konnten die Entwickler nicht die Finger von einem derartigen Bonus lassen, dem allerdings in Tekken 6 sehr große Bedeutung beigemessen wird. Denn nicht nur nimmt »Kampagne«, so der dezent unspektakuläre Name, gleich den ersten Platz im Hauptmenü ein, auch ist sie die einzige zusätzliche Spielvariante - kein Bowling, kein Volleyball, kein gar nichts weit und breit. Hier, und nur hier, wird die Tekken-Geschichte weitererzählt, am Ende der Arcade-Kämpfe gibt es keine Renderfilme oder sonstige interessante Dinge zu sehen. Falls jemand mit der Eisenfaust-Historie nicht so vertraut sein sollte, bekommt er vor Beginn eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse - in Form von merkwürdig gefilterten, spärlich animierten Schwarz-Weiß-Bildern und sehr viel japanischer Sprachausgabe (nebst landessprachlicher Untertitel). Erst danach beginnt die eigentliche Kampagne, eingeleitet von einem abermals sehr guten Renderfilm - und in der Vorschaufassung noch unendlich lang scheinenden Ladezeiten.

Die Kampagne erinnert an frühere Action-Adventure-Ausflüge der Serie - und hinterlässt gegenwärtig noch einen mauen Eindruck.
Da sich diese extrem häufen (Kampf, Zwischensequenz, Zwischensequenz, Zwischensequenz, Kampf, etc.), besteht an dieser Stelle noch erhebliches Optimierungspotenzial; teilweise verbringt man mit dem Warten mehr Zeit als mit dem eigentlichen Kampf. Spielerisch orientiert sich die Kampagne an The Devil Within, bietet eine andere Steuerung als im eigentlichen Arcade-Modus und hinterlässt bislang einen eher mauen Eindruck - sieht aber ziemlich gut aus.

Letzteres gilt auch für das eigentliche Spiel: Tekken 6 ist optisch eine Wucht! Die Animationen sind flüssiger als je zuvor, die Übergänge von auch abstrusesten Kampfmanövern sind fließend und glaubwürdig, die Fighter selbst toll und ideenreich modelliert. Okay, das Ganze könnte angesichts der teilweise deutlich sichtbaren Treppchen etwas Anti-Aliasing vertragen, aber dafür läuft das Geschehen auch in 1080p mit konstanten 60 Frames pro Sekunde jederzeit flüssig und perfekt kontrollierbar. Zu den bewährten Grafikeffekten gesellen sich jetzt auch neue Trefferspuren: Ein satter Kick oder Punch lässt die Umgebung kurzzeitig wie durch gläserne Ringe oder Scherben betrachtet erscheinen - klingt komisch, sieht auf Screenshots auch irgendwie doof, aber in Bewegung dafür umso besser aus!   

Ausblick

Nachdem Soul Calibur zuletzt auf der PSP eine mittelschwere Enttäuschung war, bin ich überglücklich, dass Namco zumindest in Sachen Einzelspielermodi konservativ bleibt - Arcade und Co. sind alle vorhanden und spielen sich fantastisch. Mit dem neuen Endgegner Azazel kann ich mich mal wieder nicht anfreunden - schon wieder so ein übergroßes, kaum abschätzbares Leuchtvieh, das man mal makellos, mal überhaupt nicht besiegt. Grmbl! Auch die »Ein Stockwerk weiter runter«-Funktion mag zwar schön von Dead Or Alive geklaut sein, die Ausführung finde ich bislang aber unpraktisch, da der Fall jede Kombo unterbricht. Und was die Kampagne betrifft, bleibt ich ebenfalls bis zum Test skeptisch: Die Namco-Entwickler haben in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie einfach kein Händchen für gutes Action-Adventure-Design haben. Dieses Mal sollten sie sich aber besser konzentrieren, denn das Teil hat einen sehr prominenten Platz in Hauptmenü und Spieldesign! Doch selbst wenn alle Stricke reißen, einiges kann man Tekken 6 bereits jetzt nicht mehr nehmen: Die perfekte Steuerung, die fantastische Grafik, den wunderbar abwechslungsreichen Kämpfer-Kader, an dem spürbar die Balance-Schraube gedreht wurde. In seinem Kern, dem Teil, auf den es in jedem Beat-em-Up ankommt, spielt sich der sechste Teil bereits jetzt nahezu perfekt - das bleibt hoffentlich dieses Mal auch online so, was wir aber bislang nicht ausprobieren konnten.

Ersteindruck: sehr gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.