Virtua Tennis 322.01.2007, Jörg Luibl
Virtua Tennis 3

Vorschau:

Virtua Tennis ist ein Stück Videospielgeschichte. Schon auf Dreamcast war es Kult und hat Segas Ruf bei seinem Erscheinen im Jahr 2000 als Arcade-Schmiede allererster Güte zementiert. Es sah fantastisch aus, spielte sich wunderbar und gilt bis heute als eines der besten Spiele für die in Frieden ruhende Konsole mit dem Kringel. Kann man auf PlayStation 3 und Xbox 360 die Wiederauferstehung feiern?

Xbox 360 kontra PS3

Virtua Tennis 3 (ab 19,98€ bei kaufen) sieht klasse aus. Aber wenn zwei Teams auf unterschiedlichen Plattformen an einem Spiel arbeiten, dürfte am Ende nicht dasselbe rauskommen. Endlich haben wir beide Fassungen hier parallel spielen und vergleichen können - das Ergebnis: Die PlayStation 3, die 1080p unterstützt, hat auf dem Centrecourt eindeutig die grafische Nase vorn. Die Plätze sehen deutlich schärfer

Vor allem in der Frontalaufnahme ist Virtua Tennis 3 nah dran am Fotorealismus - leider vermisst man noch Schweiß auf der Haut und durchschwitzte Shirts (360).
aus, das Licht strahlt brillanter und das Publikum begeistert mit individuellen Polygonfans anstatt der Pappkameraden, die man noch auf Microsofts Konsole sieht. Auf der Xbox 360 wirken die Plätze etwas verwaschener, es gibt zudem längere Ladezeiten. Aber: Noch hatten wir nicht die finalen Fassungen im Schacht - da kann noch etwas passieren. Und Sega hat uns gerade eben versichert, dass die finalisierte 360-Fassung grafisch mit der PS3 auf par sein soll; wir sind gespannt.

Trotz des Vorsprungs der PS3 und der wunderbar animierten Figuren, die butterweich über den Platz jagen, während sich ihre Shirts aufbauschen und in der Nahaufnahme sogar die Poren zu sehen sind, erreicht Sega auch auf der PS3 noch nicht ganz das Maß an Fotorealismus, das Next-Generation verspricht. Man ist nah dran, aber insgesamt noch nicht ganz so nah an der Faszination wie etwa Fight Night Round 3 . Man vermisst z.B. das langsame Schwitzen der Profis auf Haut und Stoff, wie man es auch aus NBA 2K7 kennt. Auch beim Abreiben der Stirn kommt es noch zu kleinen Brüchen, wenn die Hand gar nicht den Kopf berührt, und Schweiß ist leider (noch?) nicht zu sehen. Das Drumherum von Stadien, Zuschauern und Balljungen sieht verdammt gut aus, aber im Detail kann man heutzutage noch etwas mehr erwarten, hier fehlt in unseren Vorschauversionen noch der letzte Schliff - etwa, wenn der Staub auf dem Sandplatz leicht verzögert aufgewirbelt wird, nachdem der Fuß schon längst weg ist.

Auch wenn die Xbox 360 grafisch unterlegen ist, hat sie einen nicht zu unterschätzenden Trumpf im Ärmel: Nur hier wird man Virtua Tennis 3 online spielen können! Das ist natürlich angesichts der großen Community und der Aussicht auf Ranglisten oder Turniere ein enormer Pluspunkt, der selbst die vermeintlich schwächere Kulisse mehr als ausgleichen könnte. Verzichte ich zugunsten schärferer Plätze auf ein Online-Match gegen Freunde? Für uns ist es vollkommen unverständlich, warum sich Sega und Sony diesen Joker entgehen lassen. Dieses hervorragende Spiel schreit förmlich nach Internetduellen! Die offizielle Begründung von Sega deutet einfach auf Zeitprobleme hin:

"Zum Zeitpunkt als man das Design- und Entwicklungsdokument finalisieren musste gab es leider noch keine ausreichenden Infos zur Onlinefähigkeit der PS3. Deswegen hat man diesen Punkt streichen müssen."

Anders als die Konkurrenz

Trotzdem wird dieses Sportspiel ein Pflichttitel auf beiden Systemen sein, denn hier wird schnelles Tennis auf höchstem Niveau zelebriert. Top Spin 2 ist auch ein sehr gutes Tennisspiel und momentan das Nonplusultra für Filzballathleten. Aber ich bin mit dem System der Risikoschläge nie richtig warm geworden. Außerdem habe ich das rasante Hin und Her von Lobs und

Auf der PlayStation 3 wirken die Plätze körniger, das Licht brillanter. Sonys Konsole hat grafisch die Nase vorn (PS3).
Stopps vermisst. Mir fehlte dieser spezielle Rhythmus auf dem Platz. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das gute alte Arcadegefühl von Virtua Tennis vermisst. Was habe ich dieses Spiel geliebt! Wir haben es in der Anfangsphase von 4Players bis zum Erbrechen gezockt.

Als Sega Ende 2005 die ersten Bilder für PlayStation 3 und Xbox 360 zeigte, schlich sich dennoch Skepsis ein: Polygone aufbohren kann jeder. Aber würde man die Spielmechanik in die nächste Generation retten können? Erst die Tokyo Games Show hat für Optimismus gesorgt. Und die Versionen, die wir jetzt hier spielen können, haben sie vollkommen ausgeräumt: Dieses Tennis serviert euch genau das rasante Filzballadrenalin, das den ersten Teil anno 2000 so erfolgreich gemacht hat. Und das Spielgefühl ist auf Xbox 360 und PlayStation 3 identisch. Zwar könnt ihr auf der Sony-Variante noch alternativ die Sixaxis-Kontrolle für Schläge nutzen, also den Controller für einen TopSpin-Schlag von links unten nach oben ziehen oder für einen Lob nach hinten, aber das ist eher eine Spielerei als eine Bereicherung, da ich die Schläge nicht wirklich nachahme wie etwa in Wii Sports.

Arcade & Taktik

 

Virtua Tennis war noch nie eine Simulation, setzte noch nie auf Realismus - es war immer schwer, den Ball ins Aus zu schlagen oder einen Return vollkommen zu verziehen. Auch Netzroller, Stolperer oder ähnliche Brüche im sauberen Rhythmus gab es selten bis gar nicht zu sehen. Ganz wichtig war aber trotz der arcadigen Schnelligkeit von Bewegungen und Schlägen die taktische Tiefe, die dank des vielseitigen Einsatzes von Slice, Topspin, Lobs und Stopps entsteht.

Und hier spielt auch der dritte Teil seine Trümpfe aus: Man kann mit lediglich drei belegten Knöpfen unheimlich schnell loslegen - TopSpin, Slice, Lob, fertig. Aber erst das wirklich gute Timing und ein Auge für die Schlagposition werden richtig harte Cross- oder Passierschläge einleiten. Sehr schön ist, dass man auch die Stopps einwandfrei setzen kann: egal ob gemein und schräg oder direkt hinter dem Netz. 

         

Stopp und Gegenstopp

Wenn man die Slice-Taste gedrückt hält und gleichzeitig den Analogstick nach hinten zieht, kann man dem Filzball plötzlich die Geschwindigkeit nehmen und ihn mit Unterschnitt knapp hinter dem Netz platzieren. Nur, wenn der Kontrahent das

Zwölf Minispiele warten auf euch: Hier geht es um gute Laufarbeit und perfektes Timing beim Schlag.
schnell genug erkennt, kann er diesen Stopp noch erlaufen und evtl. sogar einen Gegenstopp setzen. Daraus ergeben sich unheimlich dynamische Spielzüge, die sehr schnell das Flair des Dreamcast-Vorbilds vermitteln. Und diesmal gehen nicht nur die Spieler mit gereckten Fäusten oder Jubelgesten mit, auch das Publikum passt sich an das Match an, buht euch aus oder peitscht euch in den Tie-Break - akustisch hat dieses Virtua Tennis mächtig dazugelernt.

Das Spielgefühl ist trotz vieler Ähnlichkeiten nicht identisch zu 2000: Es gibt deutlich mehr Fehlschläge nach returnierten Schmetterbällen. Wer da die falsche Taste drückt oder den Analogstick zum Dämpfen des Balles nicht schnell genug nach hinten zieht, wird ihn weit hinter die Grundlinie befördern. Auch die Aufschläge haben es in sich: Hier sind Asse wirklich selten und erfordern präzise Handarbeit, denn nur die perfekte Kombination aus punktgenauer Richtungs- sowie Wuchteingabe sorgt für unerreichbare Services.

Trotzdem heißt Arcade auch, dass man Unerreichbare wieder ins Feld bringt. Und das kann man bei Virtua Tennis 3 deutlich öfter und leichter als bei dem etwas realistischeren Top Spin 2. Sprich: Ihr hechtet sehr oft scheinbar aussichtslosen Bällen hinterher und bringt sie noch ins Feld - und das auch noch elegant animiert. Das können hartnäckige Sprinter sogar mehrmals wiederholen, so dass es einen richtigen Zermürbungskampf zwischen aktivem Topspinschleuderer und passivem Returnierer gibt. Man kann über die Authentizität dieser vielen Last-second-Situationen streiten, aber so war Virtua Tennis schon immer, genau diese Ballwechsel haben es ausgezeichnet, denn man kann den Spieß irgendwann auch wieder

Im Editor bastelt ihr euch einen Profi nach Maß, der dann die Karriereleiter hinauf klettert.
umdrehen. Zur Perfektion fehlen Kleinigkeiten: Sehr oft wünscht man sich z.B. beim Zurücklaufen, nachdem man am Netz z.B. überlupft wurde, noch eine Sprinttaste. Bisher wirkt das Hinterherhetzen noch zu langsam, zu einförmig in der Geschwindigkeit. Hier würde ein kurzer Spurt Sinn machen.

Karriere & Minispiele

Vor jedem Spiel und auch im Karrieremodus könnt ihr endlich bis zu drei Gewinnsätze sowie alle möglichen Verlängerungsvarianten einstellen - auch kurze Einsatzspiele mit einem Tiebreak nach vier Spielen sind möglich. In diversen internationalen Turnieren von Paris bis Melbourne geht es auf den bekannten Belägen von Gras, Hartgummi bis Sand um den Sieg. Hier muss sich euer selbst erstellter Profi den KI-Gegnern stellen, um in der Weltrangliste aufzusteigen - im Editor könnt ihr Aussehen und Ausrüstung selbst bestimmen.

Dieser World Tour Modus war bisher allerdings ein Schwachpunkt von Virtua Tennis, denn erstens konnte man kaum individuelle Spielweisen bei den Kontrahenten entdecken, zweitens waren sie zu leicht auszurechnen. In unseren ersten Matches zeigte sich die KI bereits von ihrer fordernden Seite - das stimmt optimistisch. Ob Sega hier tatsächlich bessere

Wie im Vorbild bewegt ihr euch im World Tour Modus über den Globus, spielt Turniere in allen Kontinenten und rüstet euch in Shops aus.
Routinen anbieten kann als in der Vergangenheit, werden wir erst im Test analysieren. Diese Fragen sind dann wichtig: Gibt es deutlich erkennbare Spielstile? Wirken sich Merkmale wie "schneller Läufer" oder "harter Vorhandspieler" wirklich auf dem Platz aus?

Eines steht jetzt schon fest: Der Umfang stimmt! Die Liste der männlichen und weiblichen Profis kann sich sehen lassen. Egal ob Federer, Roddick, Henman oder Haas, Williams, Hingis, Sharapova oder Davenport - etwa 20 bekannte Sportler und Sportlerinnen sind dabei. Außerdem gibt es zwölf Minigames vom Kegeln bis zum Luftballonabschießen oder dem Ausweichen von Riesenbällen. Gegenüber den Vorgängern hat Sega hier noch mal kräftig aufgestockt und umgestellt, so dass Abwechslung im Training garantiert sein sollte. Wie bisher könnt ihr euren Profi in diesen Übungen gezielt verbessern - z.B. das Laufverhalten, die Volleys oder den Aufschlag.

       

Ausblick

Ich liebe dieses Spiel. Es gibt nur drei Schläge, aber hundert Spielzüge. Man schnuppert ein paar Minuten rein und landet dann für Stunden in dieser rasanten Endlosschleife aus Stopps, Schmetterbällen und Lobs, die den Filzball zum Zentrum des Universums machen. Das ist das Arcade-Feeling der alten Schule - rasant, taktisch, packend. Das war anno 2000 auf Dreamcast so, das wird im März 2006 auf Xbox 360 und PlayStation 3 so sein. Die spannende Frage für den Test bleibt, ob die Gegner in der Karriere mit eigenem Spielverhalten fordern können - das war bisher ein Schwachpunkt der Serie. Eine Stärke ist damals wie heute die Kulisse: Virtua Tennis sieht klasse aus. Allerdings sieht es auf Sonys Konsole in unseren Vorschaufassungen noch deutlich besser aus, denn die Plätze wirken schärfer und körniger, das Licht strahlt brillanter, das Publikum ist lebendiger. Sega hat uns jedoch mitgeteilt, dass die finalen Fassungen grafisch identisch aussehen sollen - nur, dass die PS3 eine höhere Auflösung von 1080p bieten wird. Aber diesen Sony-Aufschlag kontert die Xbox 360 mit einem für Zuschauer ebenso unverständlichen wie unerreichbaren Return: Nur sie wird einen Online-Modus anbieten. Matchball, Microsoft? Egal, wie sich dieses Fehlen auswirken wird: Auf dem Platz hinterlassen beide Fassungen eine ausgezeichnete Figur!



Ersteindruck: sehr gut

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