Grand Theft Auto 425.01.2008, Paul Kautz
Grand Theft Auto 4

Vorschau:

Bereits im Oktober letzten Jahres hätten wir alle wissen sollen, wer der »Special Someone« ist, den Nico Bellic laut dem zweiten Trailer in Liberty City sucht. Bereits im Oktober letzten Jahres hätten wir Cousin Roman kennen lernen sollen. Bereits im Oktober letzten Jahres hätte uns Rockstar Games mit dem wahren GTA3-Nachfolger aus den Socken hauen sollen. Na schön, dann machen sie das eben im April - was wir jetzt wieder zu sehen bekamen, lässt die Vorfreude jedenfalls wieder gehörig hüpfen!

Es ist was faul im Staate Rockstar

Die GTA-Serie war immer für eine Schlagzeile gut, wenn auch nicht immer aus guten Gründen: Brillantes Spielprinzip hier, Gewaltverherrlichung da, Meilenstein der Spielgeschichte hier, Jugendverrohung dort. Und wie wird wohl die Welt auf GTA 4 reagieren? Wird Jack Thompson wieder Zeter und Mordio schreien? Werden die Fans wieder mit Geldsäcken winkend die Geschäfte stürmen? Wir werden sehen. Was sich jetzt schon abzeichnet, ist dass GTA 4 zwar nicht den Quantensprung schafft, den der dritte Teil mit der Eroberung der dritten Dimension packte (eine weitere kann Rockstar schwer hinzufügen). Stattdessen perfektionieren die Designer all das, was bereits in GTA 3, Vice City und San Andreas für Begeisterung sorgte, reichern es mit frischen Ideen an und garnieren das Ganze mit zeitgemäßer Grafik. Evolution.

Immer auf der Flucht: Niko Bellic stürmt in Kürze durch das erste GTA der neuen Generation.
Wir werden euch jetzt nichts über das neue Wanted-System, die Taxifahrten oder den geplanten Mehrspielermodus erzählen - ausführliche Informationen über all diese Themen findet ihr in unserer ersten Vorschau zum Spiel. Stattdessen beschreiben wir euch lieber eine Mission, die uns vorgeführt wurde: Nikos Freund Brucie hat ein Problem mit einem Typen namens Lyle Rivas, den er beseitigt haben möchte - wie man es von der Serie kennt, ist Niko genau der richtige Mann für eine derartige Aufgabe. Ärgerlicherweise ist nicht bekannt, wo sich der Kerl versteckt hält, also ist erstmal Detektivarbeit angesagt - ein Polizeicomputer muss her! Und wo findet man den? In einem Polizeiwagen. Um einen abzustauben, hat der Spieler jetzt mehrere Möglichkeiten: Er kann die klassisch rabiate Varianten anwenden und möglichst viel Ärger verursachen; wild um sich schießen, Autos zerstören, für allgemeines Chaos sorgen - die Polizei kommt dann schon. Zwar fällt dann der Autoklau leicht, aber die Flucht wird knifflig. Variante B ist also vorzuziehen: Gemütlich durch die Gegend cruisen und eine herrenlose Polizistenschaukel suchen. Schau an, da steht ja eine - der zuständige Fahrer wühlt gerade im Kofferraum, na so ein Zufall. Zack, die Mühle ist im Handumdrehen geklaut, der Computer wechselt den Besitzer. Der Name des Verdächtigen ist schnell eingegeben, der Rechner spuckt seinen letzten bekannten Aufenthaltsort aus - nichts wie hin! Dort angekommen überrascht Niko ihn zwar beim Pinkeln, aber trotzdem schafft es der Bursche, zu entkommen. Eine wilde Verfolgungsjagd bahnt sich an, in der demonstriert wird, die Niko mittlerweile in alle Richtungen aus dem Fenster feuern kann, das vorher von innen mit dem Ellebogen zerkloppt wird. Kurz darauf macht Lyle einen Fahrfehler, landet mit dem Auto in einer soliden Wand und sucht sein Heil in der beinbasierten Flucht - keine Chance gegen gut gezielte Kugeln. Das Handy wird aufgeklappt, Brucies Nummer gewählt »Job's done!« reingemurmelt, fertig. Links oben rotiert das Speichersymbol, ein lange gewünschtes Novum in der Serie: Nach jeder geschafften Mission wird der Spielstand automatisch gesichert, die Rückkehr zum »Savehouse« samt sechs verlorener Stunden ist jetzt nicht mehr nötig. Innerhalb längerer Missionen werden gerüchteweise sogar Checkpunkte angelegt, auch das gab's in der Serie bislang nicht.

Bitte wenden! Bitte wenden! Bitte wenden!

Niko an der Waffe, Playboy X am Fernglas - eine der Missionen, in denen ihr mit einem NPC zusammenarbeitet.
 Eine andere Mission wirft Niko in ein Team mit dem Schwätzer »Playboy X« in ein Team: Von der Mafia kontrollierte Gewerkschafter verhindern wichtige Bauarbeiten, Playboy X sucht nach einem Mann, der unkomplizierte Lösungen parat hat. Nikos Ansatz beinhaltet eine Fahrt mit einem Außenlift, um auf das Dach eines Hochhauses zu gelangen. Dort wird das Scharfschützengewehr gezückt, um erstmal die Wachen auf der Baustelle auszuschalten. Die Gewerkschafter sind alarmiert, jetzt ist Nahkampf angesagt: Niko fährt wieder runter, während Playboy X oben bleibt, um ihm mittels Fernglas und Funkgerät über die Position der Gegner zu informieren. Auf der Baustelle argumentiert Niko mit Uzi, MG und Granaten, während das neue Deckungssystem seine Muskeln spielen lässt: Hinter jedem einigermaßen soliden Gegenstand, ob Wand, Kiste oder Auto, kann Deckung gesucht werden. Von da aus kann man entweder blind rausfeuern oder die Gegner mit einer Art Auto-Targeting ins Visier nehmen - tut man das, erhält man rund um das Fadenkreuz herum eine Anzeige der feindlichen Lebensenergie.        

Niko kämpft sich von Stockwerk zu Stockwerk, rennt durch große Rohre, klettert für bessere Übersicht auf Palettenstapel und sieht sich schließlich dem letzten Gewerkschaftsführer gegenüber, der mit dem Helikopter türmen will. Sein Pech, dass Nikos Hosentaschen groß genug für einen Raketenwerfer waren - eine Rauchfahne später vergeht der Hubschrauber in einer monströsen Explosion, das Handy wird aufgeklappt, »Job's done!« gemurmelt, das Spiel gespeichert.

Liberty City ist verdammt groß - bloß gut, dass es so viele Fortbewegungsmittel sowie ein praktisches Navigationssystem gibt.
GTA 4 wird groß: Um einen ungefähren Eindruck vom Umfang Liberty Citys zu gewinnen, ließ man bei der Präsentation Niko in ein Schlauchboot springen und eine gemütliche Runde um eine der drei Inseln drehen, aus denen die Stadt besteht - die Umrundung hat bei Vollgas etwa acht Minuten gedauert. Das Ganze wird weniger ausufernd als San Andreas, in dessen weiter Landschaft man sich schon mal verlaufen konnte, stattdessen kompakter à la GTA 3, aber mit mehr Inhalt. Die meisten Gebäude können betreten werden, auf den Straßen ist deutlich mehr los - es gibt sogar immer wieder dicke Staus! Falls ihr trotzdem mal nicht genau wisst, wo ihr seid oder wo ihr hin wollt, werdet ihr das Navigationssystem zu schätzen wissen: Übersichtskarte geöffnet, Zielpunkt angeklickt, und schon zeigt der Computer die optimale Linie da hin, die sich natürlich eurem Weg entsprechend anpasst - in Luxuskisten gibt's sogar knarzend gesprochene Richtungsanweisungen. Generell sind die Entwickler großzügig, was Bequemlichkeits-Features angeht: Neben den in der ersten Vorschau erwähnten Taxifahrten, die euch gegen geringes Entgelt gemütlich und zuverlässig durch die Stadt kutschieren, kommt vor allem eurem Mobiltelefon erhöhte Bedeutung zu. Verpatzte Missionen können damit direkt wiederholt werden, außerdem dient es dazu, soziale Kontakte zu pflegen: Ihr bekommt immer wieder Anrufe von Freunden und Bekannten, die ihr annehmen oder ignorieren könnt - wenn ihr beharrlich bleibt, versucht es der Anrufer noch ein paar Mal, dann nicht mehr. Am grundlegenden Missionsdesign ändert dieses wenig soziale Verhalten nichts, allerdings macht es euch doch das Leben schwerer: Denn wer sich immer wieder auf ein Schwätzchen einlässt oder mit Freunden einen trinken geht, der kommt leichter an Waffen oder erhält kostenlose Taxifahrten. Apropos Trinken: Damit sollte man es, das kennt man ja aus der richtigen Welt, nicht übertreiben: Wer einen Wodka über den Durst trinkt, wankt nicht nur schlimmer als Britney Spears, auch die Grafik wird Brechreiz erregend verzerrt. Wer sich jetzt noch hinter das Steuer eines Wagens setzt, wird mit komplett verknoteter und wabbeliger Steuerung belohnt.

Krümel im Bild

Es wird auch wieder Hubschrauber im Spiel geben - ob ihr sie auch selbst benutzen dürft, wird bislang nicht verraten.
Zeit für den dritten Auftrag, in dem man einen mit Drogen vollgestopften Truck von den chinesischen Triaden klauen muss - der logischerweise nicht einfach mitgenommen werden kann. Ein hitziges Feuergefecht später haut der letzte Überlebende mit dem Truck ab, Niko hechtet hinterher und bekommt gerade noch die Stoßstange zu fassen. Nachdem er sich kurze Zeit mitschleifen lässt, klettert er auf das Dach des LKWs und muss sich nach vorne durchkämpfen - der Ausdruck hat schon seine Richtigkeit, denn der Fahrer fährt wie ein Wilder um die Kurven, was dafür sorgt, dass Niko auf den Dach von einer Seite zur nächsten kullert. Endlich vorne angelangt gibt es eine kurze Kabbelei um die Waffe, einen einzelnen Schuss und ein Problem weniger - das Handy wird aufgeklappt, »Job's done!« gemurmelt, das Spiel gespeichert. Das Besonders in dieser Mission war, dass die neue Physikengine »Euphoria« hier besonders ihre Muskeln spielen lassen durfte, indem sie Niko zum Spielball der Fliehkräfte werden ließ. Normalerweise sorgt das System für Echtzeit-Reaktionen aller Figuren auf externe Einflüsse: Jede Person im Spiel basiert auf einem Skelett-Animationssystem, jeder Kontakt mit anderen Objekten, wie sagen wir mal einem gut beschleunigten Auto, wird in Echtzeit berechnet und nicht als geskriptete Animation abgespielt - dadurch wirkt die Welt natürlich glaubwürdiger. Dafür sorgen auch kleinere Details, die man nur an Rande wahrnimmt, aber zu schätzen weiß: Treppen werden tatsächlich als Stufen benutzt und nicht einfach überflogen, Reifen sind individuell zerschießbar, was sofortige Reaktionen auf die Fahrphysik hat.

       

Die Glaubwürdigkeit lässt sich naturgemäß am einfachsten anhand der Grafik erfassen, und hier glänzt Rockstar ganz besonders: Liberty City sieht phänomenal aus! Im großen Maßstab sind es die detaillierten Straßenzüge und die gigantischen Gebäude, im kleineren die abwechslungsreichen

Autos sind euch zu langweilig? Chopper oder Rennmotorrad laden zu einer rasanteren Fahrt durch Liberty City ein.
Fahrzeuge, die exzellent animierten Figuren und die tausend coolen kleinen Dinge, die für leuchtende Augen sorgen - wie z.B. die untergehende Sonne, die romantisch in weich schwappenden Wasser glitzert, die Zigarre, deren Rauch sich in der Luft kräuselt oder die Gischt, die bei Bootsfahrten in die Kamera klatscht. Übrigens habt ihr jetzt insgesamt mehr Zeit, nicht nur, um das Morgenrot zu bewundern: Entsprach vorher eine Spielstunde etwa einer Echtzeit-Minute, sind es jetzt doppelt so viele - längere Missionen vermitteln jetzt nicht mehr den Eindruck einer gehetzten Sonne. Und natürlich sind die serientypischen Zwischensequenzen gewohnt großartig inszeniert und exzellent animiert - sowie natürlich fantastisch gesprochen, wenn auch wie üblich ausschließlich in Englisch, der Sprache Unkundige dürfen deutsche Untertitel zuschalten. Übrigens steht es noch nicht fest, ob es eine speziell angepasste deutsche Version geben wird, und ob bzw. in welcher Form eventuelle Schnitte gemacht werden müssen - das liegt einfach daran, dass der Grad der Gewaltdarstellung noch nicht mal für die englische Variante finalisiert ist. Kopfschüsse oder Rampages wurden in den bisherigen Präsentationen nicht gezeigt, was wir bisher zu sehen bekamen, dürfte problemlos auch in hiesigen Varianten durchgehen. Okay, ganz sicher kann man da bei der USK nicht sein, aber die Hoffnung auf ein unverändertes Spielerlebnis bleibt trotzdem.

Flammen im Sonnenuntergang: Der Tagesverlauf dauert länger als bisher in der Serie üblich - das lässt euch mehr Zeit, die Grafik zu genießen.
Allerdings löst die Grafik keine ungezügelte Euphorie aus, und zwar aus drei Gründen. Der erste ist noch der harmloseste, denn Ruckler, Pop-Ups und Fade-Ins lassen sich nach wie vor der frühen Fassung in die Schuhe schieben - da wollen wir den Entwicklern gegenüber mal fair bleiben. Etwas ärgerlicher ist der Unschärfeeffekt, der dafür sorgt, dass Hintergründe verwaschen wirken, allerdings etwas übertrieben - die Figur im Vordergrund hebt sich dadurch etwas zu stark ab, man könnte vermuten, dass jemand zu sehr an Schärfereglern gedreht hätte. Das gegenwärtig größte Grafikärgernis sind allerdings die Schatten: Rockstar benutzt ein sehr eigenes System, um weiche Schatten darzustellen; harte Kanten werden »körnig« dargestellt, was bei einzelnen Gegenständen oder Figuren auch sehr gut aussieht. Sobald aber mehrere Objekte ihre Schatten überlagern, wird's extrem krümelig. Unsere Frage war daher: Ist das Absicht, etwa um dem Bild mehr Filmcharakter zu verleihen, und damit (wie auch der Blur-Effekt vorheriger GTAs) abschaltbar, oder ein gewöhnungsbedürftiger Grafikfehler? Die Frage bleibt bislang unbeantwortet.     

Ausblick

Rockstars letztes GTA, Vice City Stories für PS2  , war der bisherige Tiefpunkt der Serie - zwar immer noch knapp gut, aber meilenweit von den Qualitäten früherer Episoden entfernt. Von daher finde ich es höchst begrüßenswert, dass die Entwickler einen radikalen Strich ziehen und die Serie mit dem »wahren« vierten Teil komplett runderneuern. Okay, »radikal« ist eigentlich nicht völlig richtig, denn Revolutionen sind nicht zu erwarten; Spielprinzip und Missionsdesign bleiben sich selbst treu und dürften kaum für Überraschungen sorgen. Aber wenn die Designer es tatsächlich schaffen, das Beste aus GTA 3, Vice City und San Andreas zu perfektionieren, dann dürfte außer Frage stehen, dass GTA 4 der Höhepunkt der Reihe wird.

Ersteindruck: sehr gut

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