Pro Evolution Soccer 200807.08.2007, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 2008

Vorschau:

Was wird gespielt, wenn Männer wie Ferkel quieken? Was wird gespielt, wenn die Zeit still stehen und der Ball rollen soll? Pro Evolution Soccer. Dieses Fußballspiel begeistert seit Jahren mit einer Qualität, die im Bereich der Sportsimulationen ihresgleichen sucht. Das Geheimnis des Erfolges steckt in der Art und Weise, wie das Leder durch die Luft fliegt, wie die Spieler sich bewegen - all das wirkt authentisch, lebensecht und herrlich unberechenbar.

Beeindruckende Kulisse?

Aber diese großartige Simulation muss dieses Jahr auch zwei große Fragen beantworten. Erstens: Kann man auf der Xbox 360, der PS3 und dem PC neben der Spieltiefe endlich auch eine beeindruckende Kulisse anbieten? Diese drei Fassungen sollen sich technisch und inhaltlich auf einem Niveau befinden - inklusive Editor. Im Gegensatz zum letzten Jahr könnt ihr 

Ein Editor für alle: Konami lässt endlich auch auf der Xbox 360 freies Schaffen und Verändern zu - die Community wird sich freuen!
also auf allen Plattformen Namen, Gesicht, Trikots, Werte und Spezialtalente verändern. Vor allem, wenn die Lizenzen mal wieder nicht ausreichen, dürfte dieser Zusatz für Abhilfe sorgen. Bisher haben wir auf deutscher Seite nur mit dem FC Bayern München im Original samt Ribéry und Schlaudraff auflaufen können. Welche Vereine sonst dabei sind oder rausfallen, wird sich noch zeigen.

Wir konnten bisher nur den Kick auf der PS2 und Microsofts Rasen ausprobieren. Wird das Spiel auf Letzterem in neuem Glanz erstrahlen? Die Tendenz geht bisher eher in Richtung grafische Verbesserung als pompöse Umwälzung. Das Dilemma ist: Unsere Fassung zeigte zwar schon eine edle Menüführung, die Einblendung der Ersatzbank samt Trainer sowie ansehnliche kleine Zuschauergruppen. Und auch die Spielerfiguren sahen nicht nur besser aus als im letzten Teil, ihre Animationen wurden reichlich aufgestockt. Aber sowohl die Stadionkulisse als auch die Technik waren noch nicht finalisiert, der Ball rollte nie ruckelfrei, die Ränge zeigten noch alte Texturen, die Kamera zickte in Wiederholungen. Sprich: Das Drumherum lässt sich noch nicht einschätzen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Japaner den Kick bis zum Release im Oktober in Sachen Framerate und Stadion auf Vordermann bringen.

Spieltiefe. Ballschwere. Torhunger.

Immerhin können wir die zweite große und für viele Fans wichtigere Frage klar beantworten: Kann man dieses Fußballgefühl noch verbessern? Kann man Ballphysik und Figurenverhalten noch lebendiger gestalten?  Oh ja! Und wie: Wir spielen diese Reihe seit Jahren. Wir lieben dieses Fußballspiel. Aber wir waren skeptisch, als Konami etwas von "Team Vision" und

Die einfachen Freistöße könnt ihr jetzt noch schneller ausführen - ein Druck auf die Passtaste reicht, es gibt keine Unterbrechung.
"Inverse Kinetic" erzählte - tolle Phrasen, nichts dahinter? Pustekuchen. Auch, wenn sich die lernfähige KI erst auf lange Sicht beweisen muss und wir beide Anglizismen erst im Test auf Spielspaß erden: Wir haben auf dem dritten Schiwerigkeitsgrad die ersten beiden Spiele gegen die gute KI verloren. Und nach etwa einem halben Dutzend Matches kamen wir kaum noch weg vom Rasen.

Warum? Torhunger! Lust auf all die neuen Szenen und Schussbewegungen, die Konami hier in petto hat! Und: Der Ball ist schwerer! Jetzt machen Schüsse aus der zweiten Reihe wieder richtig Spaß, denn sie sind gefährlicher: Wenn Ballack das Leder aus 32 Metern Richtung Kasten jagt, senkt es sich auf den letzten Metern wie eine Eisenkugel - das sieht auch bei Direktabnahmen klasse aus. Überhaupt hat der Ball an Wirkung gewonnen: Jeder Pressschlag dröhnt in den Boxen, er prallt bei schlampigen Annahmen weiter ab, er ist viel deutlicher Mittelpunkt der Zweikämpfe. Das Hin und Her auf kleinstem Raum hat an Gewicht gewonnen.

                  

Ein neues Körpergefühl

Schwalbe? Erstmals könnt ihr über das Drücken von drei Tasten zu diesem unfairen Mittel greifen. Meist wird das mit Gelb bestraft...
Das liegt auch daran, dass der Körpereinsatz jetzt spürbarer ist: Man kann besser abschirmen, man kann seine Gegner anrempeln und aus dem Gleichgewicht bringen - Riesen wie Luca Toni halten ihr Gleichgewicht viel länger im harten Zweikampf als Zwerge wie Pirlo. Der kann als Techniker dafür deutlich effektiver dribbeln: Das Haken schlagen und Antäuschen funktioniert deshalb so gut, weil die Beschleunigung auf den ersten Metern wichtiger ist. Und das hat wiederum Auswirkungen auf die Defensive: Wer einfach nur die Doppeldeckung aktiviert, um einen zweiten Mann auf den Gegner zu hetzen, wird viel seltener an den Ball kommen als ein vorausschauender Spieler, der den Pass antizipiert. Das war zwar auch früher so, aber jetzt ist dieses manuelle Laufen in den zu erwartenden Ballweg wesentlich effektiver. Hab ich schon erzählt, dass Torhüter spektakulär mit einer Hand abwehren, dann fallen und den Nachschuss mit der anderen Hand ablenken? Oder dass der Lupfer wieder einfacher funktioniert und Flankenwechsel beeindruckend aussehen?

Schauspieler! Schwalbe!

Die größte Neuerung ist die Schwalbe: Wenn ihr den Ball führenden Spieler steuert, könnt ihr euch über das gleichzeitige Drücken der beiden linken sowie der rechten Schultertaste schauspielerisch zu Boden begeben. Nicht nur im Strafraum, sondern überall. Allerdings ahnden die Schiris diese unfairen Einlagen sofort mit einer gelben Karte - es ist uns kein einziges Mal gelungen, einen Elfmeter zu schinden. Selbst die KI setzt diese Methode in der Meisterliga ein und wird meist bestraft. So lange dieser Zusatz so selten zum Erfolg führt, ist er ein willkommener! Schließlich gehört die Schwalbe zum Fußball wie das Doping zum Radsport.

Was verbirgt sich hinter "Inverse Kinetic" (IK)? Eine situationsabhängige Animation, die je nach Abstand zwischen Ball und Fuß berechnet wird. Ohne diese Technik würde der Spieler den Ball an der weißen Stelle treffen - die gezeigte Bewegung müsste vorher festgelegt werden und würde einen steiferen Abschluss zeigen...
Und ansonsten? Es gibt kleine Zusätze wie die Freistoßmauer, die man jetzt manuell verstärken kann: Einfach die beiden Bumper gleichzeitig drücken und mit dem Digikreuz weitere Spieler in die Mauer beordern. Hier könnt ihr quasi von spärlichen zwei Mann auf ganz zehn aufstocken - mit allen Nebenwirkungen. Außerdem soll man bei Ecken einen langen Verteidiger in den Strafraum holen können. Das konnten wir allerdings noch genau so wenig ausführen wie das Zupfen am Trikot. Wird Letzteres automatisch eingeleitet oder kann ich es ähnlich wie die Schwalbe gezielt einsetzen? Das wäre natürlich klasse. Neu ist übrigens auch die sehr schnelle Ausführung bei kleineren Freistößen: Es gibt keine Unterbrechung, kein lästiges Zwei-Tasten-Drücken, sondern nur noch einen Druck auf die Passtaste und das Spiel läuft reibungslos weiter.

Ein Herz für die PlayStation 2

Wer auf der PS2 kickt, wird zwar nicht dieselbe aufgebohrte Kulisse bekommen, denn die Grafikengine ist da langsam am Limit, aber dafür mehr Inhalte: Statt etwa einem Dutzend gibt es hier gleich 33 Stadien, nur hier gibt es die Matches mit Zufallskader, statt einfachem Training gibt es hier ausführliches Learning-by-doing, zusätzlich zu normalen Pokalen gibt es die World Tour und neue Community-Features - dahinter verbergen sich Freundesverwaltung, private Turniere oder Ligen. Es ist natürlich schade, dass Konami hier nicht alle Plattformen gleich behandelt. Vor allem das intensive Training, bei dem alle Finessen vom Doppelpass bis zum Übersteiger vorgeführt und nachgespielt werden, dürfte Einsteigern auf 360, PS3 und PC fehlen.

Mit IK sieht das Ganze eleganter, natürlicher aus. Außerdem können dadurch spezielle Schüsse gezeigt werden, die die Körperhaltung, wie z.B. die Höhe des Knies über dem Ball berücksichtigen.
Und die Replays? Die gibt es endlich auf allen Plattformen! Ihr könnt auch auf den aktuellen Konsolen frei speichern und abspulen. Sehr interessant sind hier die neuen Statistiken, die an euer Profil gebunden sind: Dort könnt ihr sehen, wie euer höchster Sieg ausfiel, aus welcher Distanz ihr euren besten Torschuss abgegeben habt oder mit welchem Wert ihr euren eigenen Ballbesitzrekord gebrochen habt.  Und die Meisterliga? Auch die ist bei allen dabei. Allerdings wurde ihre Präsentation auf der Xbox 360 verfeinert: Erstmals gibt es eine Einführung mit gesprochenem Text, außerdem wurden die Menüs überarbeitet. Inhaltlich bleibt dennoch alles beim Alten: Ihr startet mit einem No-name-Team oder einem selbst erstellten, das ihr an die Spitze bringen müsst. Dabei könnt ihr nicht nur die Werte eurer Spieler über Einsatz und Erfolge steigern, sondern auch ihre Popularität und damit das Image des Teams. Erst, wenn ihr euch einen Namen gemacht habt, überlegen sich große Spieler zu euch zu wechseln. Magere 9000 Punkte stehen euch zu Beginn zur Verfügung, das Konto wird über Siege aufgefüllt. Freut euch auf alte Bekannte wie Iouga, Espimas, Hamsun oder Minanda - der Mann ist schon 36. Aber er weiß, vielleicht könnt ihr den 19-jährigen Jungmittelfelder Ettori oder den 20-jährigen Stürmer Guitierrez ja zu einem Star machen?

        

Ausblick

Auch, wenn die Fragen der Technik und Lizenzen erst mit der finalen Version beantwortet werden können - auf dem Platz geht die Post ab! Nach einem Spiel haben wir uns gefragt, was neu sein soll. Nach zwei Spielen haben wir mit den Schwalben herumexperimentiert und die Freistoßmauer erweitert. Nach drei Spielen schlugen die ersten Granaten aus der zweiten Reihe im Kasten ein - wow! Wie kann dieses Feintuning der Ballphysik eine so große Auswirkung auf den Spielspaß haben? Oder liegt es daran, dass Körpereinsatz und Zweikämpfe auf engstem Raum wirkungsvoller sind? Oder daran, dass man jetzt wesentlich überlegter vorgehen muss und sich weniger auf Doppeldeckung und Automatismen verlassen kann? Alles wirkt unberechenbarer und dadurch natürlicher. Nach fünf Spielen haben wir uns dermaßen heftige Duelle im Mittelfeld geliefert, dass das Gamepad quietschte. Nach einem Dutzend Spielen war klar: Auch dieses Jahr geht kein Weg an diesem Pro Evolution Soccer 2008 vorbei. Konami verfeinert dieses großartige Spiel ohne großes Feature-Tamtam genau da, wo es nötig ist - das mag für viele nur Feintuning sein, aber für mich ist das eine konstante Qualitätssteigerung.

Ersteindruck: sehr gut

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