Rage01.06.2011, Benjamin Schmädig
Rage

Vorschau:

"Wut". Das kracht, das spricht von Power, das weckt die Leidenschaft für harte Action. Völlig zu Recht! Immerhin kommt das Spiel, das auf Deutsch "Wut" heißt, von jenen Leuten, die mit Doom und Quake den Ego-Shooter populär gemacht haben. Umso erstaunlicher, dass das neue Rage (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) so wenig mit Doom und Quake gemein hat...

Die Handlung: Mutanten!

Für grandiose Geschichten war id Software nie bekannt: Das eine Mal entfleuchte Höllengetier auf die Erde, das andere Mal griffen Außerirdische an und diesmal sind es eben Mutanten, die nach einem Meteoriteneinschlag auf unserem Planeten wüten. Eine Art Militärgewalt mit geheimnisvollen Zielen mischt ebenfalls mit, zahlreiche kleine Fraktionen sollen die Welt lebendig machen. Das Problem: Die Entwickler zeigten in zahlreichen Präsentationen bisher nur viele kurze Spielszenen - ein umfassender Eindruck vom Schauplatz und seiner Geschichte erschließt sich so leider noch nicht. Glück im Unglück: Wen interessiert's? Man muss nur wissen, dass Rage in einem Szenario spielt, das Fallout und Borderlands auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sieht: Die Menschen hausen in kleinen Siedlungen der Marke "postatomarer Eigenbau", zerfallene Wolkenkratzer ragen zwischen staubigen Gebirgsketten hervor. So richtig kann man Fallout, Borderlands und Rage dann allerdings doch nicht verwechseln. Denn wer die vergleichsweise matschigen Oberflächen des einen oder die karge Einöde des anderen mit den gestochen scharfen Bildern in Rage verwechselt, der hat Tomaten auf den Augen!

Ein technischer Meilenstein?

Wenn Rage vier Jahre nach seiner offiziellen Ankündigung endlich erscheint, wird es zu den eindrucksvollsten Shootern seiner Zeit gehören. Jedes Gebirge, jeder Berg, jeder Felsen scheint von Hand gezeichnet. Man muss schon genau hinschauen, um wiederkehrende Elemente zu entdecken. Diese Einzigartigkeit jeder Kleinigkeit könnte seine wichtigste technische Errungenschaft sein, weil sie neue kreative Freiräume schafft. Die Rage-Schauplätze wirken jedenfalls wesentlich lebendiger als die Stückwerk-Kulissen anderer Abenteuer. Abgesehen davon ist der sichtbare Ausschnitt dem ersten Eindruck nach deutlich größer als die beengende "Periskop-Sicht" vieler moderner Spiele. Vor zwei, drei Jahren wäre Rage ein technischer Meilenstein gewesen! Wie es sich anno 2011 im Vergleich zu den aktuellen Killzones und Gears of Wars schlägt, bleibt abzuwarten. Denn id Software hat sich verdammt viel Zeit gelassen...

Gespräch mit dem Creative Director

Warum Rage nur eine kleine Mehrspieler-Komponente anbietet und was neue Technologie für id Software bedeutet: Tim Willits beantwortet unsere Fragen im Interview.

Die freie Actionwelt

Kein Wunder: Rage ist anders als Doom und Quake. Es ist zwar ein reinrassiger Ego-Shooter - ganz klassisch ohne Deckungssystem, Schleichen oder nennenswerten Nahkampf - gleichzeitig reißt es die engen id-Schießgassen aber auseinander und weist ähnlich wie Borderlands den Weg in eine offene Welt. Keine schier unbegrenzte Fallout-Welt, aber eine, durch die verschiedene Wege zu vielen Zielen führen. Wer den roten Faden außer Acht lassen will, kann das in zahlreichen Nebenmissionen tun. Man unterhält sich mit den Bewohnern kleiner Ortschaften, verdient in Minispielen, z.B. einer Art Holoschach, den einen oder anderen Taler und bastelt an eigenen Waffen und Gadgets. Da sind z.B. spinnenähnliche Roboter, die selbstständig auf Feinde ziele - ausgesprochen hilfreiche Gefährten! Es gibt auch Geschütztürme sowie ferngesteuerte Dronen, die man in Richtung Feind lenken und manuell sprengen kann. Immerhin: Laut id Software ist Rage "kein kurzes Spiel". Eine genaue Mindestspieldauer verriet Creative Director Tim Willits zwar auch auf Nachfrage nicht, es sei aber unmöglich, Rage in sechs Stunden zu beenden...

Spinne und Feind

Alle Gefechte, die ich bisher erlebt oder gesehen habe, waren schnelle, harte Schusswechsel. Schrotflinte, MG, Raketenwerfer: Man zielt, der Gegner zuckt kurz und falls er nicht umkippt, drückt man noch mal ab. Wer gerne modern in Deckung lauert, könnte Rage entsetzt zur Seite legen. Weil ich lieber altmodisch mit einem Schritt zur Seite hinter einem Pfeiler Schutz suche, fühle ich mich bei Rage allerdings pudelwohl. Allzu clevere Burschen sind mir am anderen Ende von Kimme und Korn dabei nicht aufgefallen. Einzelne Feinde bleiben zwar in Deckung oder holen Hilfe, sobald ihre Kameraden das Zeitliche segnen, gut ausgerüstete Militaristen verstecken sich sogar hinter einem Schild. Unterm Strich zählen aber nur das genaue Auge und der schnelle Finger. Interessant sind die Kämpfe vor allem wegen der Gadgets und unterschiedlicher Munitionstypen. Mit einem Bogen könnte man sich etwa an zwei Feinde heran pirschen, um die Pfütze unter ihren Füßen mit einem elektrisch aufgeladenen Pfeil zum Knistern zu bringen.

Gewöhnliche Gegner sind vor allem in der Überzahl und wenn sie aus unterschiedlichen Richtungen attackieren eine Gefahr. Ein großer Dickhäuter streckte allerdings ein gelenkiges Tentakel nach mir aus und verschmierte meine Sicht mit biologischem Matsch - eklig! Dagegen halfen nur geschicktes Ausweichen und Draufhalten.

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Rennabend statt Deathmatch: id befährt neue Online-Wege.

Auch einen Wolkenkratzer-hohen Koloss habe ich schon durch eine Präsentation stampfen sehen. Bekämpfen durfte ich den Riesen aber noch nicht.

Ein Manege voller Action

Wie sich Action und Erkundung die Waage halten, lässt sich momentan kaum abschätzen. Die Entwickler ließen uns lediglich in ganz unterschiedliche Abschnitte springen, um verschiedene Aspekte des Spiels kennenzulernen. So habe ich mich in einen Buggy geschwungen, um durch das offene, aber stets durch Canyons begrenzte Wasteland zu rasen, bin in verfallenen Außenposten auf Mutanten gestoßen und war in den Ruinen einer zerstörten Großstadt unterwegs. Verschlossene Türen musste ich mit einem automatischen Metallschneider öffnen; die Einzelteile dafür fand ich in den Gängen einer Ruine. Nahtlos sind übrigens nur wenige Übergänge; vor dem Betreten jedes Levels und jeder Ortschaft steht ein Ladebildschirm. Zwei zentrale Siedlungen stellte id Software bislang vor: Das gemütliche Wellspring mit seinen Wellblech-Fassaden und - mal wieder - eine ausrangierte U-Bahn-Station.

Eine andere Spielsituation warf mich in eine Art Running Man-Zirkus: In kleinen Manegen bestreitet man dort eine Reihe Arenakämpfe gegen immer stärkere Gegner. Warum man das tun sollte, bleibt noch offen. Als spannender empfand ich ohnehin das Buggy-Rennen, in dem ich Kontrahenten mit Raketen beschieße, mich selbst mit einem Schild schütze und per Boost einen kleinen Vorsprung herausfahre. Und genau so funktioniert auch das Onlinespiel: Bis zu sechs Bleifüße rasen auf der Jagd nach Rallye-Punkten um die Wette. Wem es gelingt, mehrere der zufällig auftauchenden Punkte am Stück einzuheimsen, genießt dabei einen Bonus-Multiplikator. Und der Rest des Feldes? Macht selbstverständlich Jagd auf den Führenden!

Ist das alles? Ist das der Mehrspieler-Teil eines Entwicklers, der das Onlinespiel einst groß gemacht hat? Nicht ganz. Man kann auch gemeinsam mit einem Kumpel Geschichten nachspielen, von denen einige Gesprächspartner erzählen, denen man im Solo-Abenteuer begegnet. Mehr gibt es tatsächlich nicht: ein spaßiges "Destruction Derby" und voneinander unabhängige Koop-Einsätze. Nach Quake 3 Arena entfernten sich die texanischen Entwickler also von ihren Mehrspieler-Wurzeln. Nicht einmal Dedicated Server wollen sie anbieten.

Ausblick

Verzicht aufs Deathmatch? Egal - ich freue mich auf dieses actionreiche "Fallout"! Ich werde den sowohl technisch als auch gestalterisch umwerfenden Ausblick genießen, mich in kurzweilige Feuergefechte stürzen und sie mit Spielereien wie Geschütztürmen oder Automatik-Spinnen salzen! Etliche Nebenmissionen, freies Erkunden, Minispiele, Buggy-Rennen und mehr stehen nämlich scheinbar auch einem knackigen Ego-Shooter ganz hervorragend. Die Wege durchs offene Wasteland sind zwar begrenzte Canyons und Rage dürfte auch keins seiner spielerischen Elemente neu erfinden - in Verbindung mit der hervorragenden neuen Technik sowie der ausgezeichneten Steuerung könnte es aber ein weiterer stimmungsvoller Ausflug in die postapokalyptische Wüste werden. Es wird Zeit, dass id Software endlich nicht Probelöffelchen reicht, sondern die Tore zu Rage endlich vollständig aufstößt!

Ersteindruck: sehr gut

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