F.E.A.R. 2: Project Origin22.12.2008, Paul Kautz
F.E.A.R. 2: Project Origin

Vorschau:

Vor drei Jahren setzte F.E.A.R. in vielerlei Hinsicht Shooter-Maßstäbe: Die brillant eingeflochtenen Horror-Elemente sorgten für klappernde Zähne vor dem Monitor, die unerwartet clever agierenden Gegner für anerkennende Flüche. Okay, die eintönigen Bürolevels sorgten weniger für Begeisterung, aber irgendwo muss ja noch Platz für Verbesserungen sein. Wie viel davon genutzt wurde, konnten wir selbst erfahren: Wir haben den offiziellen Nachfolger, der nach allerlei Rechtsquerelen jetzt auch wieder die vier Buchstaben im Namen trägt, ausführlich gespielt.

Anrufbeantworter in der Dunkelheit

Die beiden F.E.A.R.-Add-Ons Extraction Point  und Mission Perseus  spielten nach bzw. parallel zu den Geschehnissen des Hauptprogramms. Project Origin (PO) geht den salomonischen Mittelweg und beginnt kurz vor dem Ende des ersten Teils. Ihr schlüpft in die massive Panzerung von Sergeant Bechet, einem Mitglied einer Special Forces-Einheit.

Alma verfolgt euch in vielerlei Gestalt wieder bis in die tiefsten Albträume - Monolith hat Zahl und Intensität der Visionen gehörig nach oben geschraubt.
Die tummelt sich auf einer Routine-Mission, als die Kleinstadt Auburn unerwartet von einer gigantischen Explosion (F.E.A.R.-Kenner nicken wissend) zerfetzt wird - und ihr steckt natürlich mittendrin! Genau wie der kleine Psychoteufel Alma, der hinter dem ganzen Schlamassel steckt und euch die ganze Zeit mit schrecklichen Visionen plagt...

Ganz besonders in Sachen Story und Erzählweise derselben will Entwickler Monolith mehr Qualität bieten: Vorbei sind die Zeiten, als ihr euch aufgrund knarziger Anrufbeantworter-Sprüche selbst die Fragmente der Geschichte zusammen puzzeln musstet. Zwar gibt es auch jetzt wieder viel zu sammeln und zu finden, aber dazu erwarten euch viele Dialoge mit euren Teamkameraden und noch mehr Visionen, die mitten im Spiel verzerrt eingeblendet werden und euch mehr über die Herkunft und Absichten von Alma verraten. Das Ganze natürlich wieder mal wahnsinnig verstörend und von bizarren Geräuschen und Effekten begleitet - Monolith beschreitet den Horror-Pfad à la The Ring noch deutlicher als vorher und lässt dieses Mal auch spürbar die Condemned-Konkurrenz aus eigenem Hause einfließen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ihr hauptsächlich durch zappendustere Levels stiefelt: Zwar spielt der größte Teil wieder mal nachts, allerdings wurde eure Taschenlampe auf Dauerbetrieb umgerüstet - kein ständiges Ein- und Ausschalten mehr nötig.

Wir sind die Psycho-Roboter

Die Power Armor macht mächtig Rabatz und erinnert an gute Shogo-Zeiten - allerdings ist die Bewegungsfreiheit der Mechs eingeschränkt.
Büros und Lagerhallen? Ja, gibt es auch in Project Origin. Aber ausschließlich? Nicht die Bohne: Der erste der vier Levels, die wir spielen konnten (von insgesamt 14), führte uns durch ein ausschweifendes Penthouse. Der zweite durch eine trostlose Grundschule. Der dritte schließlich platzierte uns im Herzen des brachial zerstörten Auburn. Inmitten all der Trümmer wartete ein mächtiger Hoffnungschimmer, mit dem Monolith zu seinen Shogo-Wurzeln zurückkehrt: Die so genannte »Power Armor« macht aus euch einen Roboter-Koloss, der nicht nur vor Beschuss relativ sicher ist, sondern der auch mächtiger austeilt als 20 Klitschkos. Zum einen verfügt der Anzug über ein schnell überhitzendes MG, mit dem heranstürmende Gegnerscharren einfach umgemäht werden können. Zum anderen kann er Salven von vier Raketen abfeuern, die auch den stärksten Widersacher schnell in Bröckchen verwandeln.

           

Die Energiewaffe lässt auf ihrem langsamen Flug nur qualmende Skelette zurück.
Eine unaufhaltsame Uber-Maschine also, mit der selbst die Psychotussi nur ein Fingerschnipsen davon entfernt ist, als Alma-förmiger Haufen Matsch an der nächsten Wand zu enden? Nicht ganz: Denn zum einen ist die Power Armor sehr langsam unterwegs, mit Raketenwerfern bewaffnete Flitzegegner sind eine ernst zu nehmende Gefahr. Zum anderen sind die Levelteile, in denen ihr euch mit dem Mech tummeln könnt, deutlich limitiert: Wenn herrenlos herumliegende Mauerteile den Weg blockieren, hilft alles nichts - dann muss man aussteigen und zu Fuß weiterballern.

Trotz aller Horror-Weiterentwicklungen bleibt auch PO in seinem Herzen ein linearer Shooter: Zum üblichen Rabatz-Arsenal wie MG, Raketenwerfer, Pistole und Nagelkanone (mit der man Gegner wieder durchschlagskräftig an Decken und Wände tackern kann - wollen doch mal sehen, wie viel davon in der deutschen Fassung übrig bleibt) gesellt sich dieses Mal u.a. eine sehr praktische Energiewaffe. Die feuert eine einzelne, bratzelnde, langsam vor sich her schwebende Kugel ab, ähnlich der BFG 2000 aus Doom. Und wer deren Wirkung kennt, der dürfte auch hier kaum darüber überrascht sein, dass das Geschoss auf seinem gemütlichen Pfad nichts als qualmende Skelette hinterlässt. Solche Kaliber sind eine gern gesehene Hilfe, denn die bereits in F.E.A.R. erstklassige KI hat nichts von ihrer Gerissenheit verlernt. Nach wie vor beherrschen sie ganz formidabel

Ihr seid nicht allein: Clevere KI-Kämpfer tummeln sich sowohl in euren als auch in gegnerischen Reihen.
die Kunst der Flankierung und Team-Arbeit, sie nutzen die Umgebung clever für Deckung (und machen sie sich teilweise selbst, indem sie stabile Objekte zum Schutz vor sich umwerfen, was ihr übrigens auch könnt), außerdem müsst ihr jetzt auf Angriffe aus allen Richtungen gefasst sein - manche der Feinde können an Decken und Wänden klettern, andere können sich unsichtbar machen. Ein besonders fieses Exemplar teilt nicht nur ordentlich aus und steckt genauso problemlos ein - der Mistkerl hat auch noch die Fähigkeit, bereits erledigte Gegner wieder zu beleben!

Wie gewohnt hilft es besonders gegen derartige Widerlinge, mit der Kraft der Zeitlupe gegen sie vorzugehen: Auf Tastendruck könnt ihr das Geschehen dramatisch verlangsamen, wodurch die Umgebung mehr denn je in ein psychedelisches Effektmeer getaucht wird. Besonders anspruchsvolle Bossgegner verlangen euch sogar mittlerweile allgegenwärtige Reaktionstests (Quick Time Reactions) ab, die bei anhaltendem Erfolg mit besonders blutigen Finishing Moves belohnt werden. Generell verspricht das Spiel einmal mehr nichts für Zartbesaitete zu werden: Der Bildschirm trieft regelmäßig vor Blut, Körper werden zerfetzt, die Visionen und Träume sind teilweise hammerhart inszeniert - hoffen wir auf das Beste und die Gnade der USK.

      

Ausblick

F.E.A.R. steht auf meiner Liste der besten Shooter aller Zeiten immer noch sehr weit oben: Okay, technisch spielt die Büroballerei mittlerweile kaum mehr in der Oberliga, aber atmosphärisch setzt sie auch nach drei langen Jahren voller erstklassiger Konkurrenz nach wie vor Maßstäbe. Von daher bin ich verdammt froh, dass es nach den fortschreitend immer langweiligeren Add-Ons endlich einen richtigen Nachfolger vom Original-Entwickler gibt: Project Origin spielt sich wunderbar rasant und brachial, die Zeitlupendarstellung sucht ihresgleichen und die verstörende Inszenierung der Visionen ist fieser denn je - der Einfluss von Condemned ist nicht von der Hand zu weisen. Apropos Einfluss: Die Shogo-kompatiblen Power Armor-Mechs sind jetzt schon meine Freunde, auch wenn ihr Bewegungsradius stark eingeschränkt ist. Das, die kompromisslose Action, die großartige Präsentation sowie die flotte Spielbarkeit lassen bei mir nur eine Frage übrig: Wieso dauert es noch so lange bis Februar?

Ersteindruck: ausgezeichnet

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