Street Fighter 414.01.2009, Paul Kautz
Street Fighter 4

Vorschau:

Es gibt Serien, die sich irgendwann einfach totlaufen: Wenn die Entwickler zu ambitioniert ans Werk gehen und sich zu weit vom angenehmen Spielgefühl entfernen, wenn von einstiger Innovation nur mehr bestenfalls Stagnation übrig bleibt, wenn die Zahl nach dem Spielenamen in den zweistelligen Bereich rutscht. In solchen Fällen gibt es eigentlich nur drei Lösungen: Einstampfen, Pause machen - oder sich auf die großartigen Wurzeln besinnen und diese in ein zeitgemäßes Gewand packen. Ratet mal, was Capcom mit der Street Fighter-Serie gemacht hat...

Zum Niederknien

Spieleredakteure sind ein verwöhntes Volk: Da kann ein Spiel mit Multiwuppdidutexturing, Schlagmichtotshadern und Aufsmaulmapping protzen, der erste Kommentar ist gewöhnlich trotzdem nur »Hm. Ruckelt.« - nur wirklich selten kommt es vor, dass einer dieser elitären Snobs nicht nur gebannt sitzen bleibt, sondern gackernd

Das einzigartige Grafikdesign macht Street Fighter 4 (ab 3,00€ bei kaufen) zu einer optisch beeindruckenden Mischung aus Cartoon, Realismus und Tuschekunst.
durch die Büros rennt und dabei »Mitkommen! Ansehen! Geil!« skandiert. Zuletzt passiert beim Intro von Street Fighter IV (SF4): Okay, man kennt es schon von den ersten Ankündigungsvideos, aber den begnadeten Tusche-Kampf zwischen Ryu und Ken in überlebensgroßer HD-Pracht vor sich zu haben ist dann doch ein anderes Kaliber. Wenn es gegenwärtig ein Intro gibt, das auch den härtesten Beat-em-Up-Verweigerer zum Pfiff zwischen den Zahnlücken und einem anerkennenden »Heilige Scheiße!«-Spruch bewegt, dann ist es dieses.

Das besondere Grafikdesign ist es, das den neuesten Spross der ruhm- und traditionsreichen Street Fighter-Familie in einem brillanten Licht dastehen lässt. Die Figuren zeigen in Bewegung einfach das Flüssigste und Kreativste, was es derzeit im Prügler-Bereich gibt. Soul Calibur 4 hat die Messlatte vor ein paar Monaten verdammt weit nach oben gekurbelt und ich würde nicht wagen zu behaupten, dass es im Vergleich alt aussieht. Nur eben nicht ganz so durchgestylt: Chun-Li, die mit ihren Oberschenkel-Säulen zum Lightning Leg ausholt; Zangief, dessen gebürstetes Brusthaar zum Kraulen nah ist, da allein sein Bizeps ein gefühltes Drittel des Bildschirms einnimmt; Sakura, die nach kurzem Anlauf schliddernd und hoppelnd vor ihrem Gegner zum Stillstand kommt - einfach großartig! Seht die Videos, analysiert die Screenshots, bewundert die fabelhafte Mimik.

Hadoken vs. Shoryuken

Den grafischen Fortschritt mal beiseite geschoben dürfte der Prügelfan vor einem mittelschweren Dilemma stehen: Erst vor ein paar Wochen wurde mit Super Street Fighter 2 Turbo HD Remix ein in jeder Hinsicht höchst kompetentes Remake des nach einhelliger Meinung aller führenden Experten besten Street Fighter-Teils veröffentlicht. Wozu brauche ich also noch den Teil vier? Eine berechtigte Frage, denn obwohl der Neuling ebenfalls den angesprochenen »Rückschritt« zu SF2 macht, bleibt das HD-Remake die Wahl für Profis - 

Ausdrucksstark: Die Figuren zeigen erstaunlich viel Emotion für ein Prügelspiel.
denen 3D-Polygonpixel zuwider sind, und die lieber tiefschürfende Verstellmöglichkeiten der Spielbalance haben. SF4 geht zwar den sinnvollen Schritt zurück zu den Wurzeln, bleibt dabei allerdings zugänglicher. Das heißt nicht, dass es hier gemächlich zu geht: Wie gewohnt könnt ihr unter verschiedenen Turbo-Stufen wählen, Sprünge und Angriffe fühlen sich immer noch zackig an. Zumindest so zackig, wie es mit einem Gamepad eben möglich ist: PlayStation 3-Klopper haben da noch die Nase vorn, denn gerade mit dem schwarzen Digipad geht der Shoryuken ebenso zügig von der Hand wie der Tiger Uppercut. Xbox-Ryus hingegen haben mit dem schwammigen Standard-Pad zu kämpfen: Schlecht ist es natürlich nicht, aber eben für ein derart auf präzises Timing und Reaktionsschnelligkeit setzendes Spiel nicht optimal. Beste Lösung für alle: Ein Arcade-Stick muss ins Haus. Ein echter Street Fighter-Enthusiast würde sein Spiel ohnehin mit nichts anderem anfassen.

            

Auch spielerisch geht der vierte Teil der Serie (ja, ich übersehe jetzt geflissentlich, dass diese Bezeichnung angesichts der gefühlten 700 bereits veröffentlichten Teile eigentlich ein Hohn ist) zurück zur guten alten Zeit: 

Die Spezialmanöver sind wie gewohnt ebenso bombastisch inszeniert wie durchschlagskräftig.
Keine 3D-Experimente, keine Spielereien auf unterschiedlichen Ebenen - die Grafik ist 3D, das Spielprinzip bleibt 2D. Überflüssiger Ballast früherer Teile wurde über Bord gekippt, zurück bleiben die guten alten Standard-Moves sowie zig Kombos: Mit der viergeteilten »Super«-Leiste kann man den Bildschirm in Effekte und den Gegner in eine Welt aus Schmerz tauchen - Super- und EX-Manöver sehen nicht nur irre gut aus, sondern hauen auch stärker rein als der Nachwuchs von Chuck Norris und She-Hulk. Ebenfalls vorhanden ist die »Rage«-Leiste, die allerdings »Revenge« heißt: Kassiert man genug Treffer, welche die Anzeige füllen, kann man mit Ultra-Angriffen kontern. Die werden die normale Special Moves ausgelöst (allerdings drückt ihr drei Angriffs-Buttons statt einem) und bergen potenzielles Ausführungs-Risiko, halten aber die Kämpfe bis zum Schluss spannend. Profis haben außerdem mit den neuen »Focus«-Angriffen brachiale Kombinationsmöglichkeiten, lassen sich doch damit Specials überbrücken und (unter Verlust von »Super«-Energie) zu weiteren Angriffen kombinieren, die, sofern die benötigten Buttons lange genug gedrückt werden, unblockbar werden - höchst riskant, aber damit auch höchst lohnenswert für Spieler, die gerne an ihrem perfekten Timing feilen.

Volle Schlagkraft voraus!

In Sachen Kämpfer-Kader verlässt sich Capcom im Großen und Ganzen auf Veteranen: Von Ryu und Ken über Guile und E. Honda bis Cammy und Fei-Long warten bekannte Größen aus den SF2- und Alpha-Teilen. Natürlich nicht zu vergessen die obligatorischen Bosse wie Vega, Sagat und Chef-Übelmeister M. Bison, sowie die nicht ganz so bekannten wie Gouken, Seth und Akuma.

Die Charakterauswahl bietet sowohl bewährte Kämpfer als auch einige Neuzugänge.
Allerdings gibt es auch einige Neuzugänge, die man vorher noch nie steuern durfte: Darunter »El Fuerte«, der spanische Luchador, der klein sein mag, aber irre schnell ist und fiese Beinscheren drauf hat. »Crimson Viper«, die amerikanische Agentin, erinnert an eine rothaarige Angelina Jolie und hat verdammt zackige Moves. Und »Abel« hat vielleicht sein Gedächtnis verloren und ist im Vergleich eher langsam, aber dafür schlagkräftig und als Mixed Martial Artist sehr trickreich angreifend. Wie sich diese und andere Frischlinge auf die Balance von SF2 auswirken, werden wir im Test analysieren.

Neben den obligatorischen Arcade- und VS-Modi soll es auch eine »richtige« Einzelspieler-Variante sowie einen Online-Modus geben. Den hat der HD-Remix gerade hervorragend vorgemacht, so dass in Sachen Lag-Freiheit und Verbindungsqualität wohl nicht mit schlechten Überraschungen gerechnet werden muss - ausprobieren konnten wir es allerdings noch nicht. Trotzdem stellt sich aber die Frage, ob das tatsächlich so irre sinnvoll ist: Street Fighter 2 lebte schon immer davon, dem einen Meter entfernt sitzenden Freund nach einem gelungenen Hadoken den Ellbogen in die Kinnlade zu drücken, um das hämische Lachen auszuknipsen.   

Ausblick

2009 wird ein gutes Jahr für den Beat-em-Up-Liebhaber: Zuerst Street Fighter 4 zum Jahresbeginn, dann zum Ausklang Tekken 6. Das Schöne daran ist, dass beide, obwohl es in ihnen um das kontrollierte Austauschen von Handkanten und Fersen geht, tatsächlich erstaunlich wenig miteinander zu tun haben. Street Fighter ist der erdige, der zackige, der reaktionsschnelle, der puristischere Prügler - und sieht dabei so gut aus, dass alleine schon das Intro zum Niederknien und Freudentränen versprühen einlädt. Aufsmaul-Spartaner mögen beim HD-Remake mit seiner perfekten Balance und den tiefschürfenden Eingreif-Optionen besser aufgehoben sein, doch für die Serie an sich ist Street Fighter 4 endlich der richtige Schritt in ein neues Zeitalter: Zurück zu den spielerischen Wurzeln, vorwärts in die HD-Zukunft. Es spielt sich bereits jetzt schnell, flüssig, kombo- sowie variantenreich, und bietet dabei sowohl dem Einsteiger als auch dem Tatsumakisenpuukyaku-Imschlafausführer gleichsam Abwechslung wie Herausforderung. Irgendwie gut, dass Tekken 6 noch so weit entfernt ist.

Ersteindruck: ausgezeichnet

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