Dark Void17.12.2009, Benjamin Schmädig
Dark Void

Vorschau:

"Bunte Mischung" beschreibt nicht einmal ansatzweise, was die Jungs bei Airtight Games gebraut haben. In aller Kürze: Die Handlung spielt nicht nur zur Zeit des Hitler-Regimes, der Held trägt auch eine modische Lederjacke, spricht mit der Stimme von Nathan Drake, während er in einem Science Fiction-Abenteuer knackige 3rd-Person-Action erlebt. Letzteres aber nur, wenn er nicht gerade eine Art Jump&Run-Sequenz bestehen muss. Ach, und fliegen kann er auch...

Ganz gewöhnlich?

Lasst euch nicht verwirren! Dark Void (ab 4,45€ bei kaufen) ist keine lieblose Zusammenstellung zufälliger Versatzstücke. Im Grunde ist es sogar ganz einfach: Dark Void ist ein Shooter, der sich selbst dann vertraut anfühlt, wenn sich der Held in die Lüfte schwingt. Und weil er das jederzeit tun kann, ist das Erstlingswerk von Airtight Games etwas Besonderes.

Bis ich nach Lust und Laune zwischen Luft- und Landgefechten wechseln konnte, vergingen allerdings gute zwei Stunden, in denen ich William Grey (zu Deutsch: Grau) und seine spielerischen Eigenheiten kennenlernen konnte. Dark Void lässt sich nämlich Zeit. Es wirft mich nicht kopfüber ins kalte Wasser, sondern macht mich zunächst damit vertraut, dass Will zwei Waffen tragen kann, mit denen er am effektivsten aus der Deckung heraus feuert. Wie üblich sucht er dabei per Knopfdruck schützende Säulen oder Baumstämme auf. Der Einstieg erklärt mir, dass er mit versteckten und von

Video. Der Traum vom Fliegen - für Will Grey wird er zur Realität.Feinden fallen gelassenen Extras seine Waffen aufwerten kann. Und er erklärt natürlich, warum er all das überhaupt tun sollte. Denn was bringt einen ganz normalen Piloten dazu, ein schweres Maschinengewehr in die Hand zu nehmen?

Flammen und Unbekannte

Es beginnt mit einer Lieferung, die Will und seine alte Flamme Ava in einer kleinen Propellermaschine wieder vereint. Da ist selbstverständlich noch viel Feuer im Spiel... vorher sind da aber ein Absturz im Bermuda-Dreieck, eine unbekannte Insel sowie aggressive Blechbüchsen, die von wurmähnlichen Wesen gesteuert werden. Einige der Glibberviecher kriechen nach dem Verschrotten ihrer Hüllen aus den Metallresten, andere attackieren sogar ohne Kampfanzug und wieder andere müssen in den zehn Mann hohen "Kegeln" stecken, die als besonders große Gegner für Spannung sorgen. Bei dem Modell "gewöhnlicher Soldat" gibt es neben der Standardausführung hingegen auch stärkere Varianten mit Raketenwerfern und solche, die in einer sich ausbreitenden Energiekugel explodieren - freundlich ist anders. Gut, dass Will und Ava gleich zu Beginn auf einen Vermummten treffen.  Noch besser, dass der Kamerad umgehend das Zeitliche segnet und zwei MGs zurücklässt. Schlecht leider, dass die Szene genau so nüchtern gefilmt wurde man sie in zwei lapidaren Sätzen zusammenfassen kann.

Dabei legt Dark Void einen interessanten roten Faden aus, denn sobald es ins Innere der vermeintlichen Insel geht, treffen Mythos und Mystery in einer angenehm fremd anmutenden Welt aufeinander. Statt des Dschungels, in dem Ava und Will notlanden, sind sie dann in einer steinernen Wüste gefangen, in der kantige, wie aufeinander gestapelte Felsen, vorherrschen. Wie diese "The Void", also "Die Leere", dahin kam und was es damit auf sich hat? Genau das will ich herausfinden! Ich hätte allerdings nichts dagegen, wenn sich die Zwischensequenzen nicht nur wie lose eingestreute Momente aneinander reihen, sondern die Geschichte nachvollziehbar machen würden. Besonders die Charaktere gehen bislang völlig unter. Williams irgendwas Grey? Keine Ahnung - aber der Nachnahme ist Programm! Ava? Mit ihr geht es mir ähnlich. Immerhin funktioniert die verhinderte Romanze aber erzählerisch noch am besten. Ich frage mich nur, ob es so clever war, dem englischen Will dieselbe Stimme zu verpassen, die Nathan Drake seit zwei Episoden Uncharted auf den Leib geschneidert wird. Mit einem Eigenleben tut sich Airtights Held jedenfalls schwer.        

Später Steampunk

So holprig das Abenteuer aber im bewegten Bild eingefangen wird, so sehr gefällt mir der ungewöhnliche Stil. Nein, Dark Void ist kein Paradebeispiel für grandioses Design. Die Mischung aus kernigen 30er Jahre und modernem Steampunk geht für mein Kunstgefühl aber auf. Allein die Gesichter der Figuren fallen aus dem Rahmen, weil die zarte Comic-Ästhetik nicht den Mangel an lebendigen Animationen und Proportionen ersetzen kann. Die Augen sind eine Idee zu groß, die Bewegungen vergleichsweise starr - um den harten Vergleich mit Uncharted 2 erneut zu bemühen: Dark Void wirkt auch hier spröde.

Es gilt ja nicht nur für die Filmszenen; viel auffälliger wird die technische Unterlegenheit im eigentlichen Abenteuer. Dann leiden manche Kameraschwenks unter ärgerlichem Schluckauf, während sich die Bildrate meist nur mit Ach und Krach vor dem Stottern rettet. Gerade der spielerische Einstieg im relativ kantigen, teils unscharfen Dschungel macht den Unterschied zu Naughty Dogs Glanzleistung deutlich. Man könnte den Vergleich sogar bis in die Actionszenen ausweiten, weil Will längst nicht so behände rennt, springt, kämpft und in Deckung geht wie Nate.

Die Geschichte ist interessant - wird zu Beginn jedoch holprig inszeniert.
Gerade im Nahkampf ist Sonys Schatzsucher nicht nur schneller, sondern fühlt sich vor allem agiler an als Capcoms Pilot.

Vertikal statt nur nach vorn

Man könnte allerdings auch betonen, dass bei Airtight Games weder die herkömmliche 3rd-Person-Action noch das Erlebnis "Film im Dschungel" im Vordergrund stand. Denn spätestens, wenn Will und Ava endlich ihre Jet-Packs erhalten, öffnet sich die Inselwelt - nicht in der Breite, aber in der Höhe. Die ersten sind dabei auch hier zaghafte Schritte: Schließlich muss ich mich erst einmal daran gewöhnen, dass Will plötzlich nicht nur springen kann. Vielmehr zündet er mit einem zweiten Druck auf die Sprungtaste den Antrieb seines "Rucksacks", um über weite Abgründe zu schweben. Notiz an die Spielegeschichte: Könnte dies die erste glaubhafte Erklärung für den inzwischen allgegenwärtigen Doppelsprung sein? Später kann ich mit einer neueren Version des Jet-Packs durch Gedrückthalten der Sprungtaste sogar dauerhaft schweben.

Wichtig ist auch: Mit Düsen auf dem Rücken gleitet Will nicht nur horizontal, sondern bewegt sich auch vertikal fort. Ich muss lediglich einen hohen Vorsprung anschauen und die Deckungstaste drücken; schon zischt es kurz und mein "Gefährt" drückt mich an den unteren Rand des Vorhangs. Von dort muss ich häufig die über mir stehenden Blechbüchsen ausschalten - was genau so funktioniert, als wäre ich auf ebenem Boden in Deckung gegangen. Wer schnell ist, jettet dabei einfach von Vorhang zu Vorhang, bis er die Widersacher per Nahkampf-Attacke von ihrer Plattform reißt. Das alles funktioniert übrigens auch umgekehrt: Wer von oben auf eine solche Plattform schaut, lässt sich auf dieselbe Weise Vorhang für Vorhang herunter. Vorsicht: Auch die Gegner beherrschen beide Laufwege! Im schlimmsten Fall hat Will deshalb schnell ein, zwei Feinde hinter sich...

Die eindrucksvollsten Momente der ersten Stunden hatte ich während einer Szene, in der Will ein Frachtschiff entdeckt. Allerdings steht die riesige "Zyklop" nicht nur mitten im Dschungel - sie hängt an einem dicht bewachsenen Felshang senkrecht in ein Tal hinab, dessen nebligen Boden ich kaum erkennen konnte. Während ich also meine neu erworbenen Fähigkeiten bei einer vertikalen Schiffsbesichtigung auf die Probe stelle, bricht das Schiff Stück für Stück auseinander. Es ist vielleicht nicht hollywoodreif, aber verdammt cool!   

Auf, auf und davon!

Es geht sogar noch cooler, denn mit den Vertikalsprüngen ist ja längst nicht Schluss. Als ich das erwähnte verbesserte Jet-Pack bekam, erfuhr ich immerhin, dass Version zweipunktnull sogar fliegen kann. Statt der Taste zum Schweben drücke ich einfach den Knopf zum Fliegen - schon donnert Will mit einem gefährlichen Affenzahn in Richtung Fadenkreuz. "Gefährlich" ist dabei wörtlich zu verstehen. Zum einen ist beim Fliegen nämlich oben mit einem Schlag unten (was man in den Einstellungen ändern kann, doch dann bekäme mein Fluggefühl einen Drehwurm) und zum anderen beschleunigt Will beim Start so drastisch, dass ich den Abdruck seiner Stirn in so manchem Felsen hinterlassen habe. Eins haben mir die unmittelbare Beschleunigung sowie das ebenso jähe Bremsen dafür deutlich vor Augen geführt: Weil die Kulissen selbst beim schnellen Fliegen nur mäßig flott an mir vorbei

Imposante Bosskämpfe: Im Duell mit den mechanischen Riesen muss Will seine Fähigkeiten in der Luft und am Boden kombinieren.
ziehen, beim Laufen oder Schweben aber scheinbar am Fleck stehen, vermittelt mir Dark Void ein imposantes Gefühl für die Ausdehnung des Raums!

Und natürlich geht es auch in der Luft heiß her. Als ich von feindlichen Gleitern beschossen wurde, hat mir das im Jet-Pack verbaute MG jedenfalls das Leben gerettet. Dennoch musste ich aufpassen - Will besitzt ja keine Rüstung. Da lag es nahe, dass ich beim ersten vorbei zischenden Gleiter die angezeigte Taste drücke, woraufhin Will sich an den Rand des runden "UFOs" schwingt. Jetzt heißt es schnell sein: Um der Bordkanone auszuweichen, muss er im richtigen Moment die Position wechseln. So lange er verschnaufen kann, sollte er dann die Klappe zur Steuerung des Cockpits aufbrechen. Zwischendurch sorge ich mit "Dauerfeuer" auf einer angezeigten Taste dafür, dass Will nicht vom Flieger fällt. Hat er die Elektronik schließlich geknackt, wirft Analogstick-Wackeln den feindlichen Piloten von Bord und schon fege ich in "meinem" UFO mit deutlich mehr Schutz durch die Lüfte.

Die Nicht-Mitdenker

Auf ganz ähnliche Art und Weise musste ich wenig später ein riesiges Monster ausschalten, das den Eingang zu The Void bewachte: Nachdem ich den mechanischen Käfer durch Beschuss seiner Gelenke aufgehalten hatte, musste ich auf seinem Rücken landen, um dort zentrale Bauteile zu zerstören, ohne mich von ihm abschütteln zu lassen. Hoffentlich kommen später weitere spielerische Elemente hinzu - dann könnten in der Leere nämlich packende Bosskämpfe auf mich warten!

Die Kombination aus Fliegen, Schweben und Bodenkampf ist aber nicht nur im Kampf mit dicken Gegnern hilfreich; auch sonst hebe ich mitten im Gefecht immer wieder ab, um in eine bessere Position zu schweben oder gar in den Luftkampf überzugehen. Nur so setzt Will nämlich statt seiner Handfeuerwaffen das schwere MG des Jet-Packs ein - ist dann aber dermaßen schnell, dass er pro Anflug mitunter nur einen Widersacher aufs Korn nehmen kann. Wenn er einen Begleiter beschützen muss, hält der aber vielleicht keine zehn Zeit raubenden Anflüge durch... Schade nur, dass selbst Gegner, die wie ich in allen drei Dimensionen unterwegs sind, oft am Fleck standen, anstatt mich zu umfliegen. In der Welt des Luftkampfs wirkt ihr herkömmliches Positionsverhalten einfach zu unflexibel.    

Ausblick

Der Übergang vom Fliegen zum Schweben zum Laufen, der vertikale Kampf um Höhenunterschiede, der Wechsel von Nah- und Fernkampf: Das ist das Besondere an Dark Void. Die ungewöhnliche Dynamik und das unverbrauchte Szenario sind die zwei Gründe, die mich auf den Rest des Abenteuers neugierig machen. Mit versteckten Extras weckt es sogar meine Entdeckernatur - ich will die Leere unbedingt kennenlernen! Aber Dark Void muss kämpfen. Immer wieder haben mich das schwache Verhalten der Gegner sowie die niedrige Bildrate aus der im besten Sinne befremdlichen Stimmung gerissen. Selbst erzählerisch könnte sich das Abenteuer ebenso als mystischer Krimi entpuppen wie es als gut gedachter B-Movie in Vergessenheit geraten könnte. Hoffentlich hat Dark Void noch ein paar Asse im Ärmel, mit denen es die interessanten spielerischen Akzente der ersten Stunden untermauern kann!

Ersteindruck: gut

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