Xperia Play02.05.2011, Paul Kautz
Xperia Play

Special:

Handy-Spiele. Haha! Snake und so, vielleicht irgendwelche ruckelig scrollenden 2D-Jump-n-Runs, komplett unsteuerbar. Oder? Vielleicht ist diese Sicht auf mobile Spiele mittlerweile etwas veraltet - spätestens mit dem iPhone sowie dem dazu gehörigen AppStore hat sich das Smartphone zum Alleskönner gemausert. Aber da ist ja nicht nur iOS, sondern auch Windows Phone 7 und ganz besonders Googles Android, das im Xperia Play unter anderem den Sprung auf die PlayStation ermöglicht.

Wuchtbrumme in der Tasche

Ein Handy wie jedes andere? Nicht ganz - denn das Xperia Play versteckt unter seiner Schiebehülle eine für Spieler durchaus angenehme Überraschung.
Ein Handy wie jedes andere? Nicht ganz - denn das Xperia Play versteckt unter seiner Schiebehülle eine für Spieler durchaus angenehme Überraschung.
Telefone werden immer kleiner, flacher, handlicher. Insofern staunt man schon nicht schlecht, wenn man die kompakte Verpackung des Xperia Play (XP) öffnet und ein im Vergleich zum iPhone 4 ziemlich wuchtiges Gerät entdeckt: 175 Gramm schwer und 16 Millimeter dick mag nicht nach viel klingen, im Vergleich zu den Flachmännern der Konkurrenz wirkt es aber wie ein Sprung zurück in die Neunziger, als Handys nicht in Hosen-, sondern in Aktentaschen transportiert wurden. Das Display ist mit einer Auflösung von 854x480 Pixeln etwas kleiner als bei der Apfel-Konkurrenz, außerdem ist die Hintergrundbeleuchtung selbst bei höchster Stufe geringer. In Verbindung mit der stark reflektierenden Oberfläche ergibt das einen Bildschirm, der an sonnigen Tagen für wenig Durchblick sorgt. Die Bedienung des Handys erfolgt nicht nur über das Touchpad, sondern auch über stabile Tasten, die am unteren Rand angebracht sind.

Unter der dezent nach billigem Kunststoff aussehenden Haube versteckt sich solide, aber nicht gerade beeindruckende Technik: Betrieben wird das Xperia Play von einem mit 1 GHz befeuerten Snapdragon-Prozessor von Qualcomm, der unter anderen auch in Googles Nexus One werkelt. 512 MB RAM dienen als interner Speicher, Anwendungen und Spiele finden dagegen auf einer microSD-Karte Platz - eine mit acht GB liegt der Packung bei, bis zu 32 GB werden unterstützt. Zwei Kameras sind eingebaut, eine vorne, eine hinten - Videotelefonie ist also möglich. Die hintere hat fünf Megapixel (Maximal-Auflösung: 2592x1944 Pixel), und macht bei ordentlicher Beleuchtung ansehnliche Fotos - ab Dämmerlicht ist sie aber kaum noch zu gebrauchen. Videos darf man damit auch drehen, allerdings maximal in 800x480 bei 30 fps.

Digitales Leckerbrot

Da liegen sie friedvoll nebeneinander, Xperia Play und iPhone 4. Natürlich kann SonyEricssons Smartphone auch Musik und Videos wiedergeben, wobei es in der Wahl der Codecs etwas großzügiger ist als der Apple-Bruder.
Da liegen sie friedvoll nebeneinander, Xperia Play und iPhone 4. Natürlich kann SonyEricssons Smartphone auch Musik und Videos wiedergeben, wobei es in der Wahl der Codecs etwas großzügiger ist als der Apple-Bruder.
Neben dem Telefon bekommt man ein paar knappe, mehrsprachige Handbüchlein, ordentliche In Ear-Kopfhörer sowie ein Ladekabel. Das Xperia Play lässt sich entweder über Steckdose oder via USB aufladen, wobei Letzteres deutlich länger dauert. Bei vollem Spiel-, Telefon-, Video- und Internetbetrieb hält der 1500mAh-Akku (der sich im Gegensatz zum iPhone austauschen lässt) etwa fünf Stunden, das Aufladen dauert fast genauso lange. Über das gleiche Kabel lässt sich das Gerät auch mit dem Computer verbinden, um Dateien zu übertragen, die dann mit dem eingebauten Musik- und Videoplayer abgespielt werden können. Das XP ist etwas liberaler als das Apple-Gerät, was die Wahl der Formate betrifft: In Sachen Musik werden eine ganze Reihe von Codecs unterstützt, von MP3 über AAC und OGG bis WAV und WMA - Videos werden in den Formaten 3GP, H.263, MPEG4 und WMV akzeptiert. Die Klangwiedergabe erfolgt entweder über den Klinkenstecker oder über die eingebauten Stereolautsprecher. Die sind zwar ziemlich schwachbrüstig, für das Nerven von S-Bahn-Mitfahrern sollten sie aber reichen.

Das Xperia Play basiert auf dem auch als »Gingerbread« bekannten Android 2.3.2., umfasst also alle bekannten Vor- und Nachteile des Google-Betriebssystems. Der größte Vorteil dürfte wohl die fast grenzenlose Personalisierungsmöglichkeit sein, dank der man sein Telefon völlig seinem eigenen Geschmack anpassen kann. Der bekannte Nachteil ist, und in der Hinsicht sind sich Google und Apple ganz ähnlich, dass nichts ohne einen Google-Account geht - Mail oder Store-Zugriff verlangen eine entsprechende Anmeldung. Apropos: Neben WLAN und UMTS wird auch Bluetooth unterstützt, außerdem enthält das Gerät einen Annäherungssensor (um das Display auszuschalten, wenn man es sich zum Telefonieren an die Backe hält), einen Lichtsensor sowie einen digitalen Kompass. Hinzu kommt ein Beschleunigungsmesser, der u.a. dafür sorgt, dass man das XP hoch und quer halten kann - in letzterer Variante tippt es sich weitaus angenehmer. Auffällig ist allerdings, dass die Bedienung des Dashboards spürbar träger ist als beim iPhone, das Ausführen von Apps erfolgt immer mit ganz kurzer Verzögerung.

Packt das Gamepad aus!

Das ausgefahrene Bediendeck erlaubt sehr gute Bedienung, die PlayStation-Kompatibilität ist auf dem Papier eine prima Sache - der aktuelle Zustand des PlayStation pocket-Marktplatzes ist allerdings eine Katastrophe.
Das ausgefahrene Smartphone erlaubt eine sehr gute Bedienung und die PSone-Kompatibilität ist auf dem Papier eine prima Sache - das Angebot des Marktplatzes ist allerdings eine Katastrophe.
In Sachen Ottonormal-Touchbedienung ist das XP also ein Android-Handy wie viele andere auch - es macht in dieser Hinsicht nichts Spezielles. Interessant wird es erst, wenn man die obere Hälfte nach unten schiebt. Es enthüllen sich Bedienelemente, die nicht ohne Grund an Sonys glücklose PSPgo erinnern - das Xperia Play ist das erste Nicht-Sony-Handheld, das den offiziellen PlayStation-Segen schon auf der Verpackung trägt. Die Bedienung sollte also jedem bekannt vorkommen, der jemals ein PS-Pad in der Hand hatte: X-, Dreieck-, Kreis- und Vierecks-Taste liegen rechts, ein bemerkenswert präzises Digipad rechts auf der Oberfläche. Die Buttons sind sehr flach, aber dennoch sehr gut erreichbar - was man von hinten liegenden Schultertasten sowie der mittig platzierten Lautstärkewippe nicht behaupten kann. Extrem gewöhnungsbedürftig sind auch die zwischen Digibuttons und -pad platzierten »Analogsticks«: Das sind kreisrunde Touchpads, die man mit den Daumen bedient - ähnlich wie beim DualShock. Nur dass hier kaum spürbare Kreisränder einen haptischen Unterschied zu den auf dem iPhone allgegenwärtigen virtuellen Sticks bieten. All diese Bedienelemente werden nur bei speziellen Xperia Play- bzw. PSone-Spielen genutzt - normale Android-Apps werden ganz normal über den Touchscreen kontrolliert.

Ach ja, die PlayStation-Kompatibilität - das wichtigste Feature des XP, jedenfalls für den alten Spielehasen. Denn zwar kann die PSP das schon lange, aber wie cool ist es, zwischen zwei Telefonaten einfach mal eine Runde Tekken 3 zu zocken, dann einen kurzen Abstecher nach Facebook, gefolgt von durchkämpften Stunden in Final Fantasy 7? Wissen wir nicht, denn der »PlayStation pocket«-Markt ist derzeit noch eine bedauernswert leere Wüste. Neben »Crash Bandicoot«, das standardmäßig auf dem XP vorinstalliert ist, stehen gerade mal fünf PSone-Spiele zur Wahl: Cool Boarders 2, Destruction Derby, Jumping Flash, MediEvil und Syphon Filter - nicht gerade ein Killer-Angebot. Klar, das wird im Laufe der nächsten Wochen und Monate noch erweitert, aber die Krone des enttäuschendsten Start-Lineups der letzten Jahre darf der 3DS jetzt locker an das Xperia Play abgeben. Vor allem, wenn man bedenkt, wie reich an brillanten Spielen die PlayStation-Geschichte ist.

Luft nach oben

Ein dickes Ding: Im Vergleich zur immer flacher werdenden Konkurrenz ist das Xperia Play gerade durch das Schiebeteil ein wuchtiger Brocken.
Ein dickes Ding: Im Vergleich zur immer flacher werdenden Konkurrenz ist das Xperia Play gerade durch das Schiebeteil ein wuchtiger Brocken.
Die PlayStation-Spiele laufen im 4:3-Originalformat auf dem XP, was standardmäßig für dicke schwarze Ränder links und rechts sorgt. Das Bild lässt sich auch vergrößern oder auf Vollbild schalten, was aber entweder mit Detailverlust bzw. gestreckten Bildern erkauft wird - beides nicht schön. Der Emulator gibt die Spiele genau so wieder, wie man sie kennt: Es gibt also kein bilineares Filtering oder sonstige Verbesserungen der Moderne. Allerdings wirken die Spiele hier pixeliger als gewohnt - durch die höhere Auflösung des Handys muss das Bild hochskaliert werden. Der Spielfortschritt wird automatisch gespeichert, was dem mobilen Handy-Gedanken sehr entgegen kommt.

Von Crash Bandicoot abgesehen sind auf den Xperia Play serienmäßig fünf weitere Spiele installiert: Bruce Lee: Dragon Warrior, FIFA 10, Star Battalion, Die Sims 3 und Tetris. Zum Teil nutzen sie die Gamepad-Kontrolle (und spielen sich gerade im Falle von Bruce Lee damit deutlich besser als auf dem iPhone), teilweise die gewohnte Touchscreen-Eingabe. So oder so ist dieser Teil des Angebots nur die Spitze des Eisbergs: Zwar ist der Android-Marktplatz noch lange nicht so umfangreich wie die AppStore-Konkurrenz, bietet aber dennoch mehr als genug Auswahl für verwöhnte und simpel gestrickte Spieler.

Fazit:

Jeder verbindet mit der PlayStation unterschiedliche »OMG beste Konsole EVAH!«-Erlebnisse: Michael hüpft beim Stichwort »Metal Gear Solid« aus der Hose, Ben könnten nicht mal 100 Pferde von WipEout 2097 trennen - und ich wäre aus allen Wolken gefallen, wenn Tekken 3 zum Xperia Play-Startaufgebot gehört hätte. Aber nö, da sind Kracher wie Cool Boarders 2 oder Jumping Flash. Hm. Unter diesem Gesichtspunkt hat Sony Ericsson also gehörig ins Klo gegriffen, denn wenn man ein neues Handy zu einem gesalzenen Preis auf den Markt bringt, das sich mit »PlayStation-zertifiziert« schmückt, dann kann man durchaus erwarten, wenigstens ein paar Highlights aufs Handy zu bekommen. Immerhin demonstriert Crash Bandicoot, wie deutlich sich die Eingabequalität eines Digipads von virtuellen Sticks abhebt: Die Kontrolle ist zumindest damit punktgenau - die Touch-Scheibchen hingegen unterscheiden sich haptisch kaum von ihren virtuellen Kumpanen. Lässt man die PlayStation-Geschichte außer Acht, bleibt ein solides, zusammengeklappt ziemlich wuchtiges Android-Handy, das sich technisch nicht in jeder Hinsicht mit OS-Kollegen messen kann, aber dem iPhone 4 zumindest ein bisschen auf den Pelz rückt. Würde ich das dafür zur Seite legen? Nein, würde ich nicht: Allein das Display des Apple-Fons ist dem Xperia Play in jeder Hinsicht doppelt und dreifach überlegen, außerdem ist die Verarbeitung einfach hochwertiger - für das XP spricht dagegen das ordentliche Digipad sowie die Trennung von Bildschirm und Eingabe, die sich bei dafür optimierten Spielen auszahlt. Als Smartphone ist es in Ordnung, als Android-Plattform solide - nur für das PlayStation-Feature allein würde ich es mir nicht kaufen. Noch nicht. Mal sehen, wann Tekken 3 kommt.

Paul Kautz

 
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