Special: Tegra 2
Dass Handy-Spiele sich spätestens seit iPhone, Xperia & Co nicht mehr verstecken müssen, sollte hinlänglich bekannt sein. Dass man es bei Nvidia und LG aber auch mit den Konsolen aufnehmen möchte, lässt dann doch aufhorchen. Wir haben uns angesehen, was dran ist an dieser Werbebotschaft: "Console Quality Gaming".
Drei wesentliche Komponenten sollen dieser gewagten Ansage Nachdruck verleihen: Der Tegra 2 Chip von Nvidia (ein Dual Core-Prozessor für Smartphones), das LG P990 Optimus Speed (das mit dem Motorola Atrix 4G als bislang einziges Telefon über diesen Chip verfügt) und ein unscheinbares Mini-HDMI-Kabel, mit dem sich sämtlicher Inhalt vom Telefon verlustfrei auf HD und Full HD-Displays darstellen lässt. Derzeit gibt es 14 Tegra-optimierte Spiele im Android Marketplace - wie sich diese schlagen, lest ihr in diesem Special.
Im Folgenden durchleuchten wir die technischen Eckdaten, die auf einem Smartphone eine Darstellungsqualität ermöglichen die zum Beispiel jene der Wii tatsächlich erreicht und teilweise sogar übersteigt.
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Das Optimus Speed im Vergleich zum IPhone |
Uns interessiert hier natürlich die besondere Leistungsfähigkeit des Prozessors im Multimedia- Bereich: die GeForce GPU des Tegra 2. Technisch versierte Leser werden die folgenden Begriffe einordnen können: Early-Z, Pixel Caches, Texture Caches, integrierte Pixel Shader & Blender, CSAA, 16x AF und optimierte Speicherverwaltung. Alles Begriffe und Eigenschaften, die man in diesem Zusammenhang von Nvidi-Grafikkarten für den PC kennt...aber in einem Smartphone? Der Prozessor taktet mit 1 Ghz pro Kern und verfügt über bis zu einem Gigabyte Speicherkapazität. Dies ermöglicht u.a. Videoausgabe in 1080p Full HD, wobei die gängigen Codecs wie MPEG4, DivX, XviD und WMV sowie Real Video unterstützt werden, nicht jedoch MKV. Im GL Benchmark 2.0 schneidet der Prozessor mit einem Wert von 22.8 knapp vor dem direkten Konkurrenten S5PC110 von Samsung ab, der einen Wert von 21.6 erreicht. Deutlicher vorn liegt er indes bei Spielen, die auf Adobe Flash basieren ("Crush the Castle 2" oder "Flood Runner 2"). Hier liegen die Werte teilweise doppelt über jenen der Mitbewerber, was auch nicht weiter verwundert, da der Chip bislang als einziger mit GPU-Beschleunigung für Adobe Flash aufwartet.
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Was die Breite angeht, ist kaum ein Unterschied zum IPhone festzustellen |
Das aktuelle Smartphone-Flaggschiff der Koreaner ist mit dem Motorola Atrix 4G das bislang einzige Handy, in das der Tegra 2-Chip eingebaut ist. Mit einer Länge von knapp 126, einer Breite von etwa 64, einer Höhe von 11 Millimetern und einem Gewicht von 147 Gramm ist das Quadband-Handy zwar kein Fliegengewicht, aber auch beileibe keine solche Wuchtbrumme wie z.B. das Xperia Play von Sony Ericsson. Es ist einen guten Zentimeter länger als das iPhone 4, aber das ist voll und ganz dem größeren TFT Display von 4 Zoll (10,16cm) geschuldet und das kann bei Multimedia-Anwendungen wie Spielen oder Filmen nicht schaden. Das Display kann 16,7 Mio Farben bei einer WVGA Auflösung von 800x480 Pixeln darstellen. Intern verfügt das Gerät über acht Gigabyte Speicherkapazität, wovon etwa 5,5 zur freien Verfügung stehen; per microSD ist eine Erweiterung bis zu 32 GB möglich. Der austauschbare 3,7 Volt Li-Ion Akku soll, abhängig vom eingebuchten Netz, laut Hersteller Stand-by-Zeiten zwischen 435 und 480 Stunden ermöglichen, die Sprechzeiten sollen sich zwischen sieben und zehn Stunden einpendeln. Unser Testgerät konnte diese Vorgaben allerdings nicht erfüllen. Häufig entlud sich der Akku über Nacht und erforderte am nächsten Morgen eine Neuaufladung. Da das Leihgerät naturgemäß schon einiges an Benchmarks und Tests hinter sich gebracht hat, kann dies natürlich auch einem bereits entkräfteten Akku geschuldet sein, bei einem Neugerät wäre dies allerdings ein Grund zur Reklamation.
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Mit der 8 MP Kamera lassen sich hochauflösende Fotos schießen. |
Das Optimus Speed wartet auf der Rückseite mit einer acht Megapixel-Kamera mit achtfachem digitalem Zoom auf. Damit lassen sich Bilder in einer Auflösung von 3264 x 2448 Pixel schießen. Die zweite Kamera auf der Display-Seite erfüllt mit 1.3 Megapixel ausreichende Dienste für Videotelefonie oder Videochat. Wie bei Smartphones dieser Preisklasse (400-500 Euro) üblich, verfügt das Gerät über einen integrierten A-GPS/GPS Empfänger, Bluetooth V-2.1, USB-Teathering und WLAN-Hotspot Funktion sowie 7.1 Kanal Audio Wiedergabe. Erwähnenswert ist noch der MicroUSB Ausgang, der es in Zukunft ermöglichen soll, Gamepads oder auch Maus und Tastatur an das Telefon anzuschließen (laut LG laufen hier schon Gespräche mit führenden Peripherie-Herstellern). Und dann wäre da noch der Micro HDMI Anschluss.Mit dem Handy auf dem TV spielen
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Alleinstellungsmerkmal: Verlustfreies Spielen am Großbild-TV |
In Verbindung mit einem entsprechenden Kabel, das für ca. 5-10 Euro erhältlich ist, ermöglicht der Micro HDMI-Anschluss die verlustfreie Darstellung sämtlicher auf dem Telefon lauffähiger multimedialer Inhalte an Großbildschirmen oder auch Beamern. Was Reggie Fils-Aime auf der diesjährigen E3-Pressekonferenz von Nintendo noch als revolutionär angepriesen hat, nämlich den "fliegenden Wechsel" zwischen Wohnzimmer TV und Konsole (bzw. dessen Tablet-Device), ist hier schon Realität. Wir konnten uns davon überzeugen, dass ein Abklemmen des Kabels im laufenden Spielbetrieb problemlos und unterbrechungsfrei möglich ist. Wenn also die große Schwester am Familien-Plasma ihre Daily Soap schauen möchte, klemmt der kleine Bruder kurzerhand das HDMI Kabel vom Telefon und spielt nahtlos und drahtlos darauf weiter. Die Spiele laufen ja ohnehin die ganze Zeit über weiterhin auf dem Telefon. Das TV-Gerät wird schlichtweg als zweites Display genutzt und entschärft auf diese Weise gleich noch das altbekannte Problem, dass die Finger auf den virtuellen Bedienfeldern des kleinen Handy-Displays einen beachtlichen Teil der Sichtfläche einnehmen. In unserem Video könnt ihr euch davon ein gutes Bild machen. Das Handy wird beim Spiel über TV kurzerhand zum Controller...war da nicht was, Reggie? Freilich, die Wii U wird das Ganze komplett kabellos anbieten und schon heute lassen sich beispielsweise iPad I und II mithilfe (teurerer) Apple-zertifizierter Peripherie an Großbildschirme anschließen. Aber das iPhone kann dies aktuell (noch) nicht, zumindest nicht, wenn es um die Wiedergabe von Apps und/oder Spielen geht - lediglich interne Anwendungen und Videowiedergabe am TV ist derzeit möglich. Insofern hat das Optimus Speed im Bereich der Handys aktuell tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal inne. Nebenbei kann es selbstverständlich ebenfalls Videoinhalte via HDMI auf Großbildschirmen wiedergeben und das auch in lupenreinem FullHD, was schon ziemlich beeindruckend ist - für ein Telefon. Übrigens schaltet es in diesem Modus den eigenen TFT Bildschirm in Stand-by, um Akku-Laufzeit zu sparen.
Nimmt man bei Nvidia den Mund zu voll, wenn man von "Console Quality Gaming" spricht? Das kommt darauf an, welche Maßstäbe man ansetzt. Mit PS3, Xbox 360 und aktuellen PC's kann die Tegra 2-Technologie noch lange nicht mithalten. Mit der Wii hingegen schon, zumindest wenn man allein die optische Darstellung der Spiele am Großbildfernseher zu Grunde legt. Fakt ist, im Bereich optimierte Hardware für das Spielen am Handy tut sich einiges und der Markt ist in Bewegung. Der "klassische" Handheld-Markt, den Sony mit der PSP - künftig die Vita - und Nintendo mit DS, DSi und 3DS für sich beanspruchen, bekommt mächtig Konkurrenz von Seiten iPhone, Android, Nvidia, Samsung, LG & Co. Schon kündigt Nvidia die Auslieferung ihrer nächsten Chip-Generationen für Handys an. Ende des Jahres sollen der "Kal-El", 2012 der "Wayne", 2013 der "Logan" und 2014 der "Stark" folgen. Schon der Kal-El soll als Quad-Kern Prozessor die Leistungsfähigkeit des Tegra 2 um den Faktor fünf übersteigen und jenseits aktueller Core 2 Duo PC-Prozessoren angesiedelt sein. Und auch das erste brillenlose 3D Handy für den westlichen Markt steht mit dem Optimus 3D in den Startlöchern. Die günstigen Preise für Handyspiele zwischen 79 cent und fünf bis max. fünfzehn Euro tragen ihr übriges zu der wachsenden Popularität bei. Man darf also gespannt sein wie rasant sich dieser Markt auch technisch künftig weiter entwickeln wird.