Grand Theft Auto: Vice City08.11.2002, Mathias Oertel
Grand Theft Auto: Vice City

Im Test:

Mit Grand Theft Auto Vice City steht uns die Fortsetzung zu einem der erfolgreichsten PS2-Titel des letzten Jahres ins Haus. Oder ist es doch nur ein eigenständiges Add-On in neuer Umgebung? Werden die hochgesteckten Erwartungen erfüllt? Wo sind Veränderungen im Vergleich zum Vorgänger zu finden? Diese und andere Fragen haben uns beschäftigt, als wir uns stundenlang kriminell und anarchistisch in Vice City herumgetrieben haben.

Willkommen in Vice City

Der Auftrag für Tommy Vercetti ist eigentlich ganz einfach: Bringe in Vice City einen Drogendeal über die Bühne und kehre dann mit dem Dope zu deinem Boss in Liberty City zurück. Doch gerade als der Deal vonstatten gehen soll, werden Tommy und seine Geschäftspartner aus dem Hinterhalt angegriffen. Die Drogen sind weg, das Geld auch und unser Held kommt gerade noch mit dem Leben davon.

Um für seinen Boss das Geld wieder zu beschaffen und den Verantwortlichen zu finden, muss Tommy sich durch die Unterwelt Vice Citys wühlen.

GTA 3.5?

Auf den ersten Blick sind die Unterschiede zu GTA 3 gar nicht so groß: Die offene Missionsstruktur wurde beibehalten, und überall in der lebendigen Stadt gibt es wie im Vorgänger zahlreiche Geheimnisse und versteckte Aufgaben zu finden. Und natürlich könnt Ihr Euch immer noch jedes Auto schnappen, um die Stadt kennen zu lernen und Eure Aufträge zu erledigen.

Doch Rockstar hat sich nicht auf den vollkommen verdienten Lorbeeren ausgeruht, und Vice City einer spielerischen Generalüberholung unterzogen.

Das Stadtgebiet von Vice City ist etwa doppelt so groß wie Liberty City, wobei anfänglich die Westinsel wegen einer Hurricane-Warnung gesperrt ist. Doch bereits nach wenigen Missionen werden die Sperren aufgelöst und Ihr könnt in der ganzen Stadt Euer Unwesen treiben.

Auch die Fortbewegungsmöglichkeiten wurden stark erweitert: Dabei wurde nicht nur der Wagenfuhrpark gewaltig aufgestockt, sondern durch neue Fahrzeuge ergänzt.

So könnt Ihr unter anderem mit diversen Motorrädern durch Vice City heizen und später das gesamte Stadtgebiet sogar per Helikopter (!) erkunden.

Vor allem das Fliegen hat es mir angetan. Für die meisten Missionen zwar vollkommen ungeeignet, vermitteln die Hubschrauber ein unglaubliches Gefühl der Bewegungsfreiheit, wie es auch GTA 3 nicht bieten konnte - Wahnsinn!

Logisch und konsequent

Auch an der Missionsstruktur wurde gefeilt: Es gibt nicht nur mehr Auftraggeber, sondern die Aufgaben sind auch weitaus abwechslungs- und variantenreicher aufgebaut als bei den Streifzügen in Liberty City. Wir erinnern uns: meistens war man mit Hol- und Bringdiensten oder irgendwelchen Kopfgeld-Jobs beschäftigt.

In Vice City hingegen sind diese Typen zwar auch noch vorhanden, werden aber durch zahlreiche andere Aufgaben ergänzt. Um einem Grundstückshändler z.B. hilfreich unter die Arme zu greifen, müsst Ihr mit einem ferngesteuerten Helikopter unter Zeitdruck Bomben in einem Gebäude platzieren, um die Bauarbeiten zu stoppen.

Oder nachdem Ihr einen Gangsterboss ausgeschaltet habt (ohne etwas von der Story vorwegnehmen zu wollen), müsst Ihr in einer Einkaufspassage Scheiben einschlagen, um Schutzgeld zu erpressen.

Durch diese Variationen gestaltet sich Vice City als weitaus interessanter als der schon imposante Vorgänger, zumal die Missionen besser und logischer in die Story integriert wurden.

Auch beim Tod während einer Aufgabe oder einer Festnahme gibt es eine entscheidende, aber Spielspaß-fördernde Verbesserung: Vor dem Krankenhaus oder der Polizeistation wartet ein Taxi auf Euch, um den Transport zum letzten Auftraggeber zu übernehmen.

Das mach ich nebenbei

Wie in GTA 3 gibt es wieder zahlreiche Aufgaben, die neben der Story herlaufen und einfach nur dem Spaß dienen. Im gesamten Stadtgebiet gibt es 100 versteckte Pakete und Items, die Sonderaktion wie die berühmt-berüchtigten "Frenzys" starten, in denen Ihr in einem bestimmten Zeitraum eine festgelegte Anzahl an Leuten beseitigen müsst.

Auch bei den durch bestimmte Fahrzeuge geöffneten Missionen hat sich Rockstar nicht ausgeruht: Neben den Taxis, Ambulanzen usw. wartet auch ein Motorroller auf Euch, mit dem Ihr Pizzas ausliefern müsst.

Selbstverständlich gibt es auch noch überall in der Stadt versteckte Rampen, die als "Unique Stunts" gezählt werden, wenn Ihr einen spektakulären Abflug machen könnt.

Somit haben Geld-Probleme keine Chance. Das Geld könnt Ihr in Vice City übrigens nicht nur in das stark aufgestockte Waffenarsenal investieren, denn neben zahlreichen Schusswaffen, Raketenwerfern und Granaten wird auch viel für den Handwerker geboten: Schraubenzieher, Fleischerbeile und sogar eine Kettensäge warten darauf, von Euch eingesetzt zu werden.

Das gehört mir

Habt Ihr genügend Geld beisammen, könnt Ihr sogar Immobilien kaufen. Dabei stehen zusätzliche Apartments, die auch als Speicherpunkte dienen, sogar nur am unteren Rand des Spektrums. Ein Haus bietet neben einem Helikopter auf dem Dach sogar drei Garagen, in denen Ihr Euren Fuhrpark verstauen könnt. Je nach Euren Parkwächter-Fähigkeiten passen bis zu zehn Fahrzeuge in die Garagen.

Natürlich haben auch andere Wohngelegenheiten ihre Garagen, so dass Ihr in Vice City eigentlich immer und überall die Möglichkeit habt, sowohl zu speichern als auch auf verstaute Autos zurückzugreifen.

Viel interessanter sind die Möglichkeiten, Euer Business durch neue Geschäftszweige zu erweitern: Nachtclubs, Werften und sogar ein Autohändler stehen zur Verfügung. Diese sind zwar erst nach bestimmten Missionen zum Kauf freigegeben, bieten Euch dafür aber auch eine tägliche Gutschrift auf dem Konto.

Viele der Geschäfte geben wiederum neue Aufgaben frei, so z.B. der Autohändler, der zum einen heiße Rennen ermöglicht als auch die beliebten Diebstahllisten freigibt. Je nach erfüllter Liste erhöht sich Euer tägliches Einkommen, das der Händler erwirtschaftet.

Ihr seht schon: die Möglichkeit, sich in Vice City die Zeit zu vertreiben, sind nahezu endlos und locken immer wieder zum Spiel, so dass Ihr mehr als hundert Stunden verbringen könnt, bis Ihr alles entdeckt habt.

Easy going

An der durchdachten Steuerung hat man ebenfalls wenig geändert. Doch auch, wer GTA 3 nicht gespielt hat, wird durch immer wieder auftauchende Hinweise in die Kontroll-Möglichkeiten eingeführt.

Probleme gibt es dabei nur im unbewaffneten Kampf Mann gegen Mann, bei dem man viel zu häufig mit dem Rücken zum Gegner steht bzw. bei mehreren Angreifern genau den trifft, den man nicht wollte.

Bei Schusswaffen hingegen haben viele Waffen ein automatisches Zielsystem, das die Aufgabe stark erleichtert.

Das Autofahren ist ebenfalls so unproblematisch wie eh und je. Jedoch wurde die gute Fahrphysik und das Schadensmodell etwas verändert, wodurch man das Gefühl hat, dass die Fahrzeuge besser auf der Straße liegen und auch nicht ganz so schnell klein zu kriegen sind. Für Fans des Vorgängers hat Rockstar sogar noch ein paar Gimmicks parat: Denn viele der Autos, die Ihr finden könnt, sind Vorgängermodelle der Ausgaben in Liberty City, wodurch nicht nur eine inhaltliche, sondern auch historische Verbindung hergestellt wird. Das ist zwar nur ein kleines Detail, zeigt aber, mit wie viel Mühe und Ehrgeiz sich die Entwickler ans Werk gemacht haben.

Lebendiges Pastell

Obwohl die gute Grafik in GTA 3 bereits vollkommen ausgereicht hat, hat Rockstar an der Renderware-Engine gefeilt, um die stark an das Miami der 80er Jahre angelehnte Metropole Vice City mit Leben zu füllen. Die Autos sehen jetzt noch knackiger aus, es gibt fantastische Lichteffekte und auch die diversen Grafikfehler des Vorgängers wurden beseitigt.

Allerdings ist bei Streckenabschnitten mit hoher Weitsicht immer noch ein leichtes Aufpoppen von Objekten zu spüren, das aber den Spielfluss überhaupt nicht stört, da die Engine durchweg flüssig läuft.

Besonderes Augenmerk verdient natürlich die Tatsache, dass man jetzt mit den Hubschraubern Vice City aus der Luft erkunden kann, wobei die Engine hier jedoch an die Grenzen geführt wird. Vor allem nachts ist die Ansicht mit ihren Hochhäusern, Lichtern und dem natürlich stufenlosen Zoom zwar äußerst beeindruckend, doch tagsüber werden die Pop-Up-Probleme nur unzureichend kaschiert.

Doch da auch hier die Spielgeschwindigkeit weiter konstant gehalten wird, verzeiht man das Aufpoppen von Häusern, die sich in zig Kilometern Entfernung befinden, gerne.

Bei der Gestaltung der Figuren, die durch die Stadt tigern, hält Rockstar weiter an dem Comic-Stil fest, der auch schon GTA 3 geprägt hat. Die Figuren sehen im Allgemeinen jedoch besser und detaillierter aus, können aber ungewöhnliche Ausmaße von Armen immer noch nicht verbergen.

Auch gelegentliche Clipping-Fehler bei den generell gut animierten Figuren fallen nur bei genauer Beobachtung auf, hätten aber sicherlich auch noch verbessert werden können.

Insgesamt schafft es Vice City aber dennoch, sich grafisch weitaus besser und homogener als der schon gute Vorgänger zu präsentieren - denn das typische Flair des Jahrzehnts und der Stadt sind fantastisch eingefangen.

Als besonderes Feature könnt Ihr den Blur-Effekt ausschalten, wodurch sich die Grafik deutlich klarer zeigt, jedoch auch die bereits angesprochenen Probleme offenbart.

Natürlich ist die Auswahl Geschmackssache, doch mit abgeschaltetem Blur macht Vice City auf Grund der klaren Darstellung noch mehr Spaß.

Als Neuerung in Vice City könnt Ihr zahlreiche Häuser betreten. Dazu lädt das Spiel zwar kurz nach, doch diese neue Möglichkeit sorgt mit dafür, dass sich der Aufenthalt in der Stadt der Sünde als so lebendig gestaltet wie nie zuvor.

Obwohl die Standard-Kamera Euch im Normalfall immer das optimale Bild zeigt, gibt es hin und wieder Probleme: Vor allem in engen Räumen verliert man schnell die Übersicht und hat im Ernstfall massive Schwierigkeiten, der Polizei zu entkommen.

Satte Musikauswahl

War die Soundkulisse in GTA 3 schon superklasse, setzt Vice City dem ganzen die Krone auf: Insgesamt gibt es mehr als zehn Stunden Musik zu hören, die sich stilistisch auf die neun Radiosender verteilt. Von Rock über Wave bis Pop und Funk ist für jeden etwas dabei. Und dabei hat man sich nicht lumpen lassen, denn der komplette Soundtrack besteht aus lizenzierten Songs der 80er, u.a. von Michael Jackson, Kool & the Gang, Toto, Judas Priest, Ozzy Osbourne, Hall & Oates, Nena (!) usw. Die Liste ließe sich entlos fortsetzen und schmeißt Euch einen Hit nach dem anderen entgegen. Ganz persönlich finde ich zwar, dass ein Song von Bruce Springsteen, dem Rockstar der Achtziger nicht geschadet hätte, aber sei´s drum.

Auch die Sprachausgabe ist phänomenal. Nicht nur, dass die Radio-DJs so witzig sind wie nie zuvor, auch die Sprecher der Figuren sind überaus gut ausgewählt und liefern einen durchweg hervorragenden Job ab. Ist aber eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Crew aus gestandenen Hollywood-Schauspielern besteht. Angefangen von Ray Liotta (GoodFellas) über Dennis Hopper, Tom Sizemore (True Romance), Burt Reynolds, Gary Busey (Lethal Weapon), Lee Majors bis hin zu Phillip Michael Thomas (Miami Vice) und Deborah Harry (Blondie) geben sich die Stars die Klinke in die Hand.

Und wie es sich für GTA gehört, könnt Ihr bei jedem der unschuldigen Passanten beim Näherkommen eines der nahezu unendlichen Sprachsamples hören, mit dem er oder sie Euch beschimpft. Angesichts der ausufernden Sprachaufnahmen kann man leicht verschmerzen, dass die Sprache auch in der deutschen Fasssung Englisch bleibt und nur untertitelt wird.

Tja, und die Soundeffekte? Die sind ebenfalls durch die Bank sehr gut - egal, wohin man schaut. Die Motorengeräusche sind bei allen Fahrzeugtypen unterschiedlich und die Waffen klingen so knackig wie man es erwarten würde, so dass sich Vice City technisch von der besten Seite präsentiert.

Fazit

Kaum zu glauben: Rockstar hat es tatsächlich geschafft, auf GTA 3 nochmal eins draufzulegen. Alles, was die Fans am Vorgänger geschätzt haben, ist natürlich wieder drin, ohne ein bloßer Abklatsch zu sein. Denn alles wurde aufpoliert: die Stadt ist größer, die Story besser als je zuvor, es gibt mehr und deutlich unterschiedlichere Missionen, man kann Immobilien kaufen, der Fuhrpark wurde aufgestockt und vor allem durch die Flugmöglichkeit sinnvoll ergänzt und und und... Der Hammer schlechthin ist jedoch der zehnstündige Soundtrack, der neben der stimmigen Grafik, die nur selten Probleme zeigt, für absolutes 80er-Jahre-Feeling sorgt. Unser Spiel des Jahres 2001 hat einen mehr als würdigen Nachfolger gefunden, der fast so perfekt ist, dass man sich fragt, was die Entwickler bei GTA 4 noch verbessern wollen. Aber genug geredet: ab nach Vice City.

Pro

<li>gigantische, lebendige Spielwelt</li><li>über 80 Missionen</li><li>zahlreiche Secrets, Boni und Gimmicks</li><li>Häuser und Geschäfte können gekauft werden</li><li>massiv aufgestockte Waffenarsenale und Fahrzeugauswahl</li><li>Fliegen ist möglich</li><li>unerreichte Langzeitmotivation</li><li>unkomplizierte Steuerung</li><li>viele Änderungen zu GTA 3</li><li>fantastische Soundkulisse</li><li>klasse Story</li><li>offenes Missionsdesign</li><li>stimmiges Grafik-Design</li><li>ausgewogener Schwierigkeitsgrad</li>

Kontra

<li>beim Fliegen leichte Grafikprobleme</li><li>für manche: deutsche Fassung ist geschnitten</li><li>gelegentliche Kamera-Probleme</li><li>Hauptcharakter kann immer noch nicht schwimmen</li>

Wertung

PlayStation2

Grandiose 80er-Action mit spannenden Missionen und viel spielerischer Freiheit.

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