Im Test:
Fußballfans haben auf dem Dreamcast einen schweren Stand. Weder Konami noch Electronic Arts haben ihre Erfolgsserien ISS und FIFA je auf Segas 128-Bitter umgesetzt und was bisher an Fußballtiteln für den Dreamcast erschienen ist, war meist alles andere als berauschend. Zum Ende der Dreamcast-Ära wagt sich Sega mit 90 Minutes: Sega Championship Football nochmals selbst auf den virtuellen Rasen - ob mit Erfolg, erfahrt Ihr in unserem Test.
Lizenz zum Fälschen
Entwickelt wurde Segas 90 Minutes von den Jet-Set-Radio-Schöpfern Smilebit, die zumindest in Japan mit Let´s make J.League professionell Soccer Club! auch schon Fußballerfahrung nachweisen können. Mit 90 Minutes will man nun aber auch den europäischen Markt bedienen.
Da das europäische Interesse an japanischen Vereinsmannschaften allerdings recht gering sein dürfte, musste natürlich zuerst eine passende Lizenz her. Diese bietet zwar zahlreiche Originalspieler aus aller Welt, aber bei näherem Hinsehen fallen jede Menge ärgerliche Einschränkungen auf.
So bestehen einige namhafte Nationalmannschaften wie Brasilien oder Holland nur aus fiktiven Spielern, obwohl dieselben Spieler in ihren Vereinsmannschaften mit realem Namen vertreten sind. Dafür sind jedoch die Namen der Vereine nicht mit ihren realen Vorbildern identisch. Bayern München heißt zum Beispiel schlicht Munich. Zudem gibt es keine authentischen Trikots, Vereinslogos oder Stadien. Da hätte man sich die Lizenz auch ganz schenken können.
Eingeschränkter Bastelspaß
Doch wenigstens bei den Spielernamen kann man Abhilfe schaffen - einem integrierten Team- und Spieler-Editor sei Dank. Beim Ändern der Vereinsnamen, Logos, Trikots und Stadien versagt aber auch dieser. Selbst für völlig eigene Team-Kreationen muss man mit vorgegebenen Vereinsnamen vorlieb nehmen - eigentlich völlig unverständlich. Ansonsten ist der Editor weder besonders umfangreich noch besonders spartanisch. Größte Stärke: knapp 400 Gesichtstexturen sorgen für unterschiedlichstes Aussehen der selbst gebastelten Kicker, die unrealistischerweise sogar bis zu 2,40 m groß sein dürfen...
Bei den Spielmodi setzt Sega auf weniger aufsehenerregende Zutaten. So kann man entweder ein Freundschaftsspiel ansetzen, zur Weltmeisterschaft fahren, eine Saison in einer von fünf europäischen Spitzenligen (Deutschland, England, Frankreich, Italien oder Spanien) bestreiten, an einem Pokalwettbewerb teilnehmen oder erst einmal ins Trainingslager gehen. Zudem lassen sich auch eigene Turniere und Ligen erstellen, an denen bis zu 32 Teams teilnehmen dürfen, die aus insgesamt 110 Vereinsmannschaften aus aller Welt und 32 Nationalteams gewählt werden dürfen.
Altersschwache Profis
Spielerisch beherrscht 90 Minutes neben fußballerischen Grundtechniken auch flache und hohe Doppelpässe sowie kurze und lange Vorlagen in den freien Raum. Selbst der Torwart kommt auf Knopfdruck aus seinem Kasten geeilt und vor einem Schuss darf man den Ball sogar noch zusätzlich anheben, wobei ein eingeblendetes Powermeter Aufschluss über Pass- und Schussstärke gibt. Leider gestaltet sich das entsprechende Handling aber äußerst zäh. Von der Ballannahme, über eine Drehung bis hin zu einem Richtungswechsel beim Dribbeln reagieren die Sega-Kicker wie eine Altherren-Mannschaft. Selbst Pässe und Schüsse laufen stark verzögert ab und komfortables Icon-Passing bei Freistößen oder Ecken sucht man vergebens.
Das Spieltempo lässt sich zwar in neun Stufen regulieren, wirklich flüssig läuft das Spielgeschehen aber nie. Lobenswert sind hingegen die taktischen Möglichkeiten, die neben der generellen Spielausrichtung auch via Hotkeys aktivierbare Nebentaktiken wie Abseitsfalle oder Raumdeckung erlauben. Ob die Spieler dabei auch ermüden oder sich verletzen können, ist genauso frei wählbar wie Spiellänge, Verwarnungen, Verlängerungsart, Tagszeit, Wetterlage und Schwierigkeitsgrad.
Auf verlorenem Posten
Technisch wird wiederum höchstens Zweitliga-Niveau geboten. Die flimmeranfällige Grafik ist eher schlicht, die Animationen schwach und das Scrolling ruckelt. Die zehn wählbaren Kameraperspektiven sind trotz lobenswertem 50Hz-Vollbildmodus zur Hälfte unbrauchbar und allesamt unspektakulär. Das Gleiche gilt auch für die dürftigen Auto-Replays. Die fünf fiktiven Stadien sind hingegen recht ansehnlich und das Tapetenpublikum schwingt nicht nur brav die Vereinsflaggen, sondern kleidet sich meist auch in den Farben der spielenden Mannschaften - vor allem der harte Kern hinter dem gegnerischen Tor.
Akustisch verhält sich das Publikum hingegen eher verhalten, was vielleicht aber auch an den mittelmäßigen Sound-Samples liegt. Die Soundkulisse ist generell nicht gerade beeindruckend, der englische Kommentator hingegen ganz passabel, wenn auch nicht herausragend. Deutsch sind lediglich die Textpassagen, was zusätzlich auf die bescheidene Atmosphäre drückt. Lange Ladezeiten ist man bei Fußballspielen hingegen gewohnt.
Pro:
Kontra:
Vergleichbar mit:
UEFA Striker, European Super League, SWWS 2000, Virtua Striker 2, UEFA Dream Soccer
Fazit
Wer bei 90 Minutes einen FIFA- oder ISS-Killer erwartet hat, steht hoffnungslos im Abseits. Mit Spitzenfußball hat Segas müdes Digi-Gebolze so gut wie nichts zu tun. Weder technisch noch spielerisch kann der Titel Akzente setzen. Nicht einmal die Lizenz schöpft aus den Vollen. Die taktischen Anlagen können zwar überzeugen, der Rest wirkt aber einfach billig und lieblos. Schwache Technik, zähes Gameplay und fehlende Innovation müssen sich auch vernachlässigte Dreamcast-Besitzer nicht gefallen lassen. Wer einen brauchbaren Kick für seine Sega-Konsole sucht, sollte lieber einen Blick auf das betagte, aber ganz passable UEFA Striker werfen oder sein Glück auf einer anderen Plattform versuchen, wo dank Konami und Electronic Arts um Klassen besser Fußball gespielt wird.
Wertung
Dreamcast
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