Mario Power Tennis08.03.2005, Jörg Luibl
Mario Power Tennis

Im Test:

Erinnert sich noch jemand an das erste Mario Tennis? Nein? Kein Wunder: Es ist satte zehn Jahre her, dass der Klempner als Filzballschwinger debütierte: 1995 auf der gefloppten Nintendo-Konsole Virtual Boy. Das war grausam. Richtig heiß hat er sich erst im Jahr 2000 gespielt, als er auf dem N64 Arcade-Tennis vom Feinsten zelebrierte. Kann er diesen Spaß auf dem GameCube wiederholen? Ja, er kann!

Hammer gegen Kusshand

Ein Raunen geht durchs Stadion als der Riesenaffe in seine Kanone steigt. Ein Knäuel aus Pelz und Fleisch im Stahlrohr. In knapp einer Sekunde wird es den gelben Filzball mit 800 km/h Richtung Prinzessin feuern. Da steht sie in ihrer Unschuld: klein, verletzlich, blond. Wie soll sie dieses offensive Power-Geschoss abwehren? Wird sie diesen

Daisy ist nicht Steffie, aber sie lässt einen Kranz Blumen sprechen. Und ist sehr präzise.

Video: Gameplay-Doppel (Laufzeit: 2:24 Min.)Volley überhaupt überleben? Ja, denn Peach greift im richtigen Moment zum defensiv schmatzenden Power-Geschoss: der Kusshand.

Als Donkey Kongs Feuerball über das Netz jagt, kontert sie mit einem Schwall rosa Herzchen: Ihr Schläger schwirrt durch die Luft und returniert den aggressiven Ball mit eleganter Gelassenheit. Der Affe traut seinen Augen nicht, als der ganz cross an ihm vorbeirauscht. Punkt für Peach. Er brüllt, er flucht, aber das interessiert im prall gefüllten Rund keinen: Der Break geht unter tosendem Jubel an die kichernde Lady in Rosa.

Arcade-Spaß pur

Herzchen? Lady? Rosa? Wer jetzt von einem Schwall männlich konditionierter Abneigung überrollt zu werden droht, sollte tapfer bleiben. Auch alle Kinderspiel-Schreier sollten nicht zu laut brüllen. Mario Power Tennis (ab 34,99€ bei kaufen) zelebriert Arcade-Tennis in Reinkultur. So gut wie schon lange nicht mehr. Und unter der aufgemotzen Spezialschlag-Kulisse verbirgt sich tatsächlich eine sehr feine, sehr ausbalancierte Spielmechanik, die sogar mancher ausgewachsenen Simulation gut stehen würde: Timing, Auge und Gefühl sind wichtig.

Das liegt daran, dass das Schlagrepertoire alles abdeckt, was es im Tennis gibt: Egal ob fiese Stopps kurz hinter das Netz, weite Lobs in die Tiefe, langsamer Slice oder schneller Topspin. Egal ob Schmetterball, Grundliniengerade, Volley, Ass oder Cross - alles ist möglich. Und Nintendo bietet gleich drei Steuerungsvarianten: Von voll automatisiert kindertauglich bis hin zu voll manuell profitauglich. Kids wird bei Ersterer sehr viel Knopfarbeit abgenommen, ältere Semester können bei Letzterer alles alleine machen - inklusive Hechtsprung. Natürlich hat man die Fehleranfälligkeit reduziert, so dass Bälle weniger oft im Aus oder im Netz landen als bei Simulationen. Aber auf dem Platz sind die alten Taktiken gefragt, die schon bei Virtua Tennis & Co wirkten.

Luigi holt den Hammer raus: Ist der Ball noch zu retten?
Duelle für Klein & Groß

Je nachdem, welchen der 14 Start- und vier freispielbaren Geheim-Spieler ihr wählt, habt ihr andere Stärken. Donkey Kong ist kraftvoll, Mario vielseitig, Waluigi defensiv, Buu Huu trickreich, Shy Guy präzise und Yoshi schnell. Und diese Attribute wirken sich aus, so dass je nach Kombination ganz andere Matches entstehen: Donkey Kong ist aufgrund seiner Langsamkeit an der Grundlinie anfälliger, aber dafür im Abschluss verdammt effektiv. Waluigi erreicht wiederum fasst jeden Ball mit seinen bizarren Rettungsmanövern: Er bohrt sich die Finger in die Ohren, lässt den Platz volllaufen und schwimmt in zum Brüllen komischer Brustmanier zum Krisenball.

Jeder der Nintendo-Helden verfügt über zwei Spezialschläge, die man bei glühendem Racket einsetzen kann: einen defensiven und einen offensiven. Ersterer eignet sich wunderbar dazu, kaum erreichbare Bälle noch einzufangen und zu returnieren, denn sie wirken auch weit abseits eurer Position. Ihr könnt auch einen oder zwei Meter vom Filzball entfernt stehen. Es sind zwar auch Hechtsprünge möglich, aber die defensiven Spezialschläge sind effektiver und ansehnlicher: Nintendo hat hier ganz tief in die Trickkiste gegriffen, um die absurdesten und witzigsten Animationen abzufeuern: Da werden Schläger wie eine Zieharmonika ausgefahren, Bananen wie Bumerangs geworfen, Raketengürtel umgeschnallt, Seen auf den Platz gezaubert oder hundert Geister gerufen.

      

Gutes Timing

Im Gegensatz dazu kann man die offensiven Spezialschläge nur dann anbringen, wenn man punktgenau vor dem heransausenden Ball steht: Erst dann kann Mario mit dem Hammer oder Donkey Kong mit der Kanone den Filzball raketengleich beschleunigen. Aber selbst diese ansehnlichen Spezialeffektorgien sind keine Selbstläufer, keine Killerargumente, denn sie können immer gekontert werden. Und natürlich ist die Freude riesengroß, wenn sie schlecht getimt sind: Dann verpuffen diese

Hier muss Mario so lange wie möglich returnieren.
Manöver als lächerliche Luftnummern in Comedy-Qualität - der Affe purzelt armselig aus dem Rohr. Schade ist, dass alle Figuren nur diese beiden Varianten kennen und dass man keine weiteren freischalten kann.

Das Schöne ist, dass man auch ohne diese Spezialschläge zum Erfolg kommen kann. Und dass auch ohne sie der Spielspaß lodert! Puristen können sie sogar in den Optionen ganz abschalten - genau so wie die nervtötende Fahrstuhlmusik. Wenn man dann pur spielt, erkennt man erst, wie viele Möglichkeiten dieses Tennis bietet: Es kommt erstens immer auf eure Position, eure Ausholzeit und den Effet an, den ihr vor dem Kontakt mit dem Filzball per Analogstick vorgeben könnt. Zweitens könnt ihr bei kluger Beinarbeit eure Schläge frühzeitig aufladen, um sie noch härter abzufeuern oder ihnen einen fiesen Drall geben. Damit ist dieses Sportspiel sogar für Virtua Tennis-Liebhaber einen Blick wert.

Was gibt`s zu tun?

Zumal auch die Wahl des Platzes in Sachen Schnelligkeit und Sprungkraft Auswirkungen zeigt: Auf Rasen geht`s rasanter zur Sache als auf Sand und Hartgummi ist was für Hüpfliebhaber. In den Turnieren wechseln die Plätze im Laufe des Wettbewerbs, bieten sogar Nachtspiele bei Flutlicht mit Echtzeit-Schatten. Gewinnt ihr hier, schaltet ihr neue frei. Außerdem habt ihr immer die Möglichkeit, zwischen konventionellen Tennisplätzen ohne Schikanen und aufgemotzten Arcade-Courts zu wählen. Auf Letzteren gibt es verwirrende Bonusfelder oder gemeine Hindernisse wie Poltergeister und Fleisch fressende Pflanzen.

Auf euch warten neben Freundschaftsspielen und Turnieren auch jede Menge abgefahrener Mini-Games - im Einzel und im Doppel. Diese Spiele sind sehr abwechslungsreich und trainieren gezielt ganz bestimmte Fähigkeiten. Mal müsst ihr ein überdimensioniertes Mario-Porträt mit den passenden Farbbällen ausmalen, mal einen Schlammplatz à la Mario Sunshine säubern, wie in Luigi`s Mansion

Hundert Buu Huus machen diesen Spezialschlag zu einer guten Defensiv-Waffe.
Geister vertreiben oder Luftballons vor gefräßigen Echsen retten. Hinzu kommen Disziplinen, in denen ihr geschickt durch Ringe schlagen oder Gegenstände über das Netz bringen müsst. Bis zu vier Spieler können sich hier gleichzeitig austoben.

Kritischer Matchball

Trotzdem bleiben unter der kritischen Lupe einige kleine Mängel: Im Gegensatz zu normalen Matches hält sich der Spaß während der Mini-Games angesichts des knallbunten Chaos in Grenzen. Außerdem sind die Turniere zu Beginn viel zu einfach für einigermaßen versierte Spieler, so dass man sich im Schlaf Richtung Finale schmettert. Allerdings werden die Gegner schon kurz vorher fordernder. Und zu guter Letzt ist Mario Power Tennis das Paradebeispiel für Nintendos verfehlte Online-Politik: Was hätte man hier übers Internet für ein kurzweiliges Feuerwerk abfackeln können? Schade, schade…

   

Fazit

Es wird geflucht, gejubelt, gelacht und gejammert: Mario Power Tennis rockt die Couch! Freut euch auf ein lupenreines Arcade-Highlight mit witzigen Animationen, tollen Kulissen und viel Komfort. Sowohl Einsteiger als auch Profis kommen auf ihre Kosten. Und sogar meine anfängliche Powerschlag-Skepsis wurde von der grandiosen Spielmechanik returniert: Die Schlagmöglichkeiten sind so ausgefeilt, dass sich sogar manche Simulation eine Scheibe abschneiden könnte. Man kann seinen Gegner herrlich ausspielen und kontern. Man kann Stopps und Lobs ansetzen, Slice und Topspin schlagen. Was gibt es zu meckern? Erfreulich wenig, denn bis auf das Chaos in den Mini-Spielen, die Beschränkung auf zwei Powermanöver sowie die Leichtigkeit der ersten Turnierspiele gibt es schlichtweg keine Schwächen. Sogar die nervtötende Fahrstuhlmusik lässt sich abschalten. Okay, einen haben wir noch: Dieses Spiel bleibt offline. Aber selbst da geht zu viert im Doppel der Filzball ab - für kleine und für große Cracks!

Pro

60Hz-Modus
witiges Intro
zig Mini-Spiele
Einzel & Doppel
drei Steuerungstypen
vier geheime Spieler
grafisches Spektakel
vier Schwierigkeitsgrade
sehr einsteigerfreundlich
Lob, Stopp, Slice, Topspin
fulminante Spezialschläge
Figuren mit eigenem Spielstil
bis zu vier Spieler gleichzeitig
deutsche Schiri-Sprachausgabe
tonnenweise buntes Freispielbares
Spezialschläge & Musik abschaltbar
trotz Arcade-Flair gutes Spielgefühl
viele Anspielungen auf Nintendo-Titel

Kontra

sehr einfacher Turnierbeginn
nervtötende Fahrstuhlmusik
teilweise chaotische Mini-Spiele
nur zwei Spezialschläge pro Figur

Wertung

GameCube

Kunterbuntes Arcade-Tennis mit überraschend viel Spieltiefe. Ein Pflichtkauf für Tennis- & Funsport-Fans!

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