Pro Rally09.11.2002, Jens Bischoff
Pro Rally

Im Test:

Vor gut einem halben Jahr veröffentlichte Ubi Soft Pro Rally 2002 für die PS2. Jetzt hat man den spanischen In-House-Titel auch für den GameCube auf den Markt gebracht. Da sich das Jahr aber mittlerweile dem Ende neigt, hat man auf den Zusatz 2002 kurzerhand verzichtet, ein neues Cover gepinselt und schickt das Spiel nur mehr als Pro Rally ins Rennen. Da auch der Verkaufspreis deutlich angehoben wurde, haben wir natürlich mehr als nur eine 1:1-Umsetzung erwartet.

Allein oder im Rudel

Während Pro Rally 2001 vorletztes Jahr noch für den PC erschienen ist, wurde die Fortsetzung zunächst exklusiv für die PS2 entwickelt und jetzt auch für den in Hinblick auf Rallye-Simulationen noch immer schwer vernachlässigten GameCube umgesetzt. Mit zwei neuen Spielmodi (Arcade und Trophy), in denen mehrere Boliden gleichzeitig am Start sind, präsentiert sich die Konsolen-Rallye zwar deutlich Arcade-lastiger als der PC-Vorgänger, aber dank des realistischen Meisterschaftsmodus inklusive Setup- und Reparaturwahl sollten auch Puristen halbwegs auf ihre Kosten kommen.

Zunächst müssen sich angehende WM-Kandidaten jedoch zehn nicht gerade einfachen Fahrprüfungen unterziehen, um in den drei Meisterschaftsklassen (Private, Kitcar und Pro) überhaupt erst starten zu dürfen. Alternativ kann man sich auch beim Zeitfahren gegen eigene Ghostcars die Zeit vertreiben oder sich via Splitscreen mit einem menschlichen Rivalen duellieren. Wer nicht gern allein unterwegs ist, kann sich aber auch im Trophy-Modus auf speziellen Parallel- und Rundkursen mit einem Freund bzw. drei CPU-Rivalen messen oder im Arcade-Modus sogar in Etappenrennen gegen ein fünfköpfiges CPU-Fahrerfeld antreten.

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Fragwürdiger Ersatz

Auf den so genannten Challenge-Modus, der auf der PS2 mit besonders kniffligen Herausforderungen aufwartete, wo man sich unter bestimmten Zeit- und Geschwindigkeitsvorgaben quasi keine Fahrfehler erlauben durfte, müssen GameCube-Besitzer jedoch trotz des deutlich höheren Verkaufspreises unverständlicherweise verzichten. Als Ausgleich gibt es dafür zwei zusätzliche Kameraperspektiven (u. a. eine realistische Cockpit-Ansicht) - was letztendlich sinnvoller ist, bleibt im Prinzip eher Geschmackssache.

Auf den insgesamt 48 fiktiven Strecken in acht Ländern ist man aber auch so eine ganze Weile beschäftigt und auch die über 20 Lizenzkarossen von Peugeot, Toyota, Mitsubishi, Subaru, Citroën, Seat und Audi sorgen für Abwechslung. Ärgerlich ist nur, dass viele Spielmodi und Fahrzeuge erst sehr spät verfügbar sind und dadurch auch Arcade-Racer- und Multiplayer-Anhänger gezwungen sind, die Simulations-lastigen Meisterschaften zu gewinnen. Da aber weder im Spiel noch der spärlichen Anleitung verraten wird, was man genau tun muss, um welches Extra freizuschalten, braucht man aber sowieso starke Nerven, um ans gewünschte Ziel zu kommen.

Mangelhafte Steuerung

Ebenfalls gute Nerven braucht man bei der Steuerung seines Rallye-Gefährts. Zwar kann man das Fahrverhalten als recht realistisch betrachten, aber die eigentliche Steuerung ist nicht mehr als ein schlechter Witz. Das liegt vor allem daran, dass dank digitaler Tasten bzw. Pedalabfrage weder gezieltes Bremsen noch Beschleunigen möglich ist - für ein Rennspiel mit Simulationsanspruch eigentlich das Todesurteil. Da bringt es auch nicht viel, dass Pro Rally sogar Lenkräder mit Force-Feedback wie die von Logitech und Thrustmaster unterstützt, um ein vermeintlich realistischeres Fahrgefühl anzubieten.

Verwirrendes Schadensmodell

Massive Kritik muss auch die KI der CPU-Fahrer über sich ergehen lassen, unternehmen die notorischen Ideallinienfahrer doch nicht einmal wenn man Schritttempo fährt einen Überholversuch, so lange man nicht von der Strecke abkommt - spannende Positionskämpfe Fehlanzeige. Auch das an sich facettenreiche Schadensmodell wirkt oft willkürlich und befremdend, sind manche Schäden am Fahrzeug doch alles andere als nachvollziehbar und vor allem optisch - vermutlich aus Lizenzgründen - stets unsichtbar. Neben spielerischer Handicaps durch Beschädigungen haben aber auch Einstellungen am Setup Auswirkungen auf das Gameplay. Die Möglichkeiten sind zwar etwas eingeschränkt, aber in Verbindung mit den zeitlich begrenzten Reparaturmöglichkeiten dennoch interessant - auch wenn Techniklaien Änderungen mangels entsprechender Hinweise oder Erklärungen nur vermuten können.

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Deutsche Sprache, schwere Sprache

Für Verwirrung sorgt hin und wieder auch die recht dürftige Lokalisierung, was sowohl die spärlichen deutschen Bildschirmtexte als auch die mickrige Anleitung betrifft - von peinlichen Rechtschreibfehlern ganz zu schweigen. Wenigstens können die gesprochenen Streckenhinweise Eures Copiloten bis auf das nicht immer optimale Timing generell überzeugen. Die Motorengeräusche sind hingegen wie auch die übrigen Sound-FX trotz Dolby Pro Logic II etwas schwach, aber keine Katastrophe und der Soundtrack ist sogar ganz passabel - auch wenn er während der Rennen eher stört. Angenehm fallen hingegen die gegenüber der PS2-Version spürbar verkürzten Ladezeiten sowie die schnellere Menünavigation auf.

Mäßige Technik

Grafisch ist das Spielgeschehen meist solide, aber unspektakulär. Während die Fahrzeugmodelle noch recht ansprechend modelliert wurden und mit verschmutzenden Karosserien sowie Reflection- und Environment-Mapping aufwarten, wirken die nur minimal überarbeiteten Kulissen nach wie vor primitiv. Bitmap-Tapeten wie zweidimensionale Bäume, Büsche und Kakteen wechseln sich mit ebenso platten, nicht einmal animierten Zuschauern ab, die in den mäßig inszenierten Replays noch trostloser wirken. Die allgemeine Präsentation ist ebenfalls äußerst dürftig, das unrealistische Kollisionsverhalten aber wohl eine weitaus größere Enttäuschung und auch die stets aktiven Scheinwerfer der Fahrzeuge sind reine Makulatur.

Fazit


Auch wenn es für Rallye-Fans auf dem GameCube kaum Alternativen gibt, solltet Ihr Euch die Anschaffung von Pro Rally gut überlegen. Neben der eher mäßigen Technik und unspektakulären Präsentation sind die unrealistische Kollisionsabfrage, das nicht wirklich überzeugende Schadensmodell sowie die primitiven KI-Routinen der CPU-Fahrer und die vermurkste Steuerung nämlich handfeste Spielspaßhemmer. Zudem ist der gegenüber der PS2-Version deutlich höhere Verkaufspreis in keiner Weise gerechtfertigt. Zwar wurden die Ladezeiten verkürzt und endlich eine Cockpit-Ansicht eingebaut, aber ansonsten nichts verändert und bei den Spielmodi der fordernde Challenge-Modus unverständlicherweise sogar wegrationalisiert. Wartet also lieber auf Rally Championship oder Rally Fusion, wenn Ihr neben dem GameCube keine andere Konsole besitzt und unbedingt ein Rallye-Spiel sucht.

Pro

<li>verkürzte Ladezeiten</li><li>neue Kameraperspektiven</li><li>über 20 Originalfahrzeuge</li><li>realistisches Fahrverhalten</li><li>facettenreiches Schadensmodell</li><li>knapp 50 internationale Strecken</li><li>grundlegende Setup-Einstellungen</li>

Kontra

<li>lächerliche KI</li><li>mäßige Technik</li><li>erhöhter Verkaufspreis</li><li>mangelhafte Steuerung</li><li>teils peinliche Lokalisierung</li><li>kein Challenge-Modus mehr</li><li>frustrierende Fahrprüfungen</li><li>unrealistisches Kollisionsverhalten</li><li>lange Zeit unzugängliche Spielmodi</li>

Wertung

GameCube

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