Final Fantasy: Crystal Chronicles23.03.2004, Mathias Oertel
Final Fantasy: Crystal Chronicles

Im Test:

Die Nintendo-Front musste lange warten, um Squares Rollenspielwelten nach beigelegtem Streit mit Nintendo auf einer Konsole ihres Vertrauens zu sehen. Doch hat sich die Wartezeit gelohnt? Und was hat es mit dem Mehrspieler-Modus auf sich, der nur per GBA-Connectivity zum Spielen auffordert? Die Antworten findet ihr im Test!

Schwache Story

Abgesehen davon, dass sich Final Fantasy Crystal Chronicles spielerisch ziemlich weit von der ruhmreichen Serie entfernt, wird ein Manko sehr schnell deutlich: die Geschichte. Nicht nur, dass die Geschichte um die Kristallkarawane auf der Suche nach Myrrhe (dem Heilmittel gegen das allgegenwärtige Gift Miasma) plakativ ist – sie wird gemessen an Square-Verhältnissen schwach präsentiert. Fernab jeglicher Rendervideos wird die schwachbrüstige Hintergrundstory nur durch eingestreute Gesprächsfetzen in den Siedlungen und gelegentliche Treffen mit anderen Karawanen erzählt.

Square = coole Story? Im Normalfall ja, doch die Kristallchroniken bleiben erzählerisch erschreckend schwach!

Dabei seid ihr aber nur damit beschäftigt, euch durch vorgegebene Textsequenzen ohne Einflussmöglichkeit zu klicken. Und das ist eindeutig zu wenig, um in die Fußstapfen solcher Epen wie FF VII oder gar Teil 10 der Serie zu treten. Zumal Sprachausgabe –leider vollkommen GameCube-typisch- ebenfalls auf ein Minimum reduziert wurde. Einzig die stimmungsvoll komponierte Musik, die sich allerdings viel zu schnell wiederholt, erinnert an ruhmreiche Zeiten, in denen man mit dem Namen Final Fantasy ein gewaltiges RPG-Epos assoziierte.

Hack&Slay in Reinkultur

Doch abseits der Musik gibt es sowieso wenig Ähnlichkeiten mit den bisher erschienenen Final Fantasys. Die Kämpfe wurden auf pures Hack&Slay reduziert und eine umfangreiche Charakterentwicklung wie z.B. in FF X fiel ebenfalls durch das Feature-Raster. __NEWCOL__Die einzigen Hinweise auf das bekannte Universum sind die Namen der Zauber und einiger Items sowie das Design der Figuren.

So bewegt ihr euch mit eurer Karawane auf einer Karte, die euch Entscheidungsfreiheit vorgaukelt, von Gebiet zu Gebiet, kämpft dort gegen Monster, löst kleinere Rätsel (meist in Schalterform), sammelt mit dem Kristallkelch die Myrrhe und macht euch auf den Weg zum nächsten Areal.

Da ihr in manchen Gebieten nur Zutritt habt, wenn ihr euren Kristallkelch mit einem bestimmten Element aufgeladen habt, relativiert sich die scheinbare Entscheidungsfreiheit recht schnell und weicht einem linearen Spielverlauf, der euch allerdings durch viele unterschiedlich gestaltete Gebiete (von idyllischen Flusslandschaften über dichte Wälder bis hin zu brandheißen Wüstengebieten) und Dungeons führt, bevor ihr dem jeweiligen Bossgegner gegenübertreten könnt.

Mit mehreren Spielern macht Crystal Chronicles durchaus Spaß - wenn da nur die Designschwächen und GBA-Zwang nicht wären!

Der Kreis des Lebens

Um gegen die Wirkung des lebensgefährlichen Miasmas gefeit zu sein, müsst ihr den schützenden Kristallkelch immer bei euch tragen, der eine abschirmende Glocke produziert, in der ihr euch gefahrlos bewegen könnt. Um zu kämpfen, Gegenstände zu manipulieren oder Sachen aufzunehmen, müsst ihr den Kelch allerdings abstellen.

Für Einzelspieler dennoch kein Grund, das Pad ins Korn zu werfen: Denn ein Moogle nimmt auf Befehl den Kelch auf und folgt euch, so dass ihr nicht dauernd zwischen dem Kämpfen und Tragen wertvolle Zeit oder gar Lebenspunkte verliert.

Im Mehrspieler-Modus muss jedoch immer einer aus der Gruppe den Kelch bei sich führen, falls man nicht außer Schutzreichweite geraten will.

Doch das kann so oder so passieren. Im schlimmsten Fall geht das sogar so weit, dass ein Bossgegner den auf dem Boden liegenden Kelch per Zufall irgendwohin kickt und ihr erst einmal mühsam und unter massivem Zeitdruck nach dem Teil suchen müsst. Und nicht selten beharkt euch der Gegner dabei – ein Zeichen für unausgereiftes Gameplay-Design.

Da hilft es auch herzlich wenig, dass die Steuerung auf die GBA-Verhältnisse abgestimmt wurde und auch auf dem Pad mit einer Minimalbelegung auskommt und so eigentlich ideale Voraussetzungen für gute Unterhaltung schafft.

Stimmungsvoll präsentiert und akustisch gut untermalt, versinkt das Gameplay im düsteren Hack&Slay-Sumpf!

Kombo-Zauber mit Verfallserscheinung

Ein positives Gameplay-Feature ist die Verwendung von Zaubern: Jeder Charakter kann jeden Zauber "lernen". Lässt ein besiegter Gegner z.B. eine Feuerkugel fallen, könnt ihr ab dem Zeitpunkt des Aufsammelns eure Gegner mit Feuersprüchen angreifen. __NEWCOL__Gleiches gilt natürlich auch für sämtliche anderen Sprüche, wie z.B. Entgiftung oder Heilung. Zusätzlich könnt ihr verschiedene Zauber miteinander kombinieren und so entweder eine Verstärkung oder einen komplett neuen Zauber erschaffen.

Freut euch nicht zu früh über die gefundenen oder kombinierten Zauber! Nach Verlassen des Gebietes seid ihr wieder bei Punkt Null!

Doch was muss ich nach Verlassen des Gebietes feststellen? Die Zauber sind weg! Und irgendwie ging meine Motivation gleich mit den Bach runter. Denn jegliche Charakterentwicklung, die sich ansatzweise hinter diesem Feature verstecken könnte, wird gleich wieder zunichte gemacht. So verliert man sehr schnell die für ein Rollenspiel wichtige emotionale Bindung an die austauschbar scheinenden Charaktere. Und im Action-Adventure-Bereich gibt es auf dem GameCube eigentlich schon genug Material wie z.B. Zelda oder Baldur´s Gate Dark Alliance, das vielleicht nicht so schön aussieht und auch nicht den großen Namen "Final Fantasy" im Titel trägt, aber mindestens genau so viel Spaß macht.

Mehrspieler-Spaß? Kauft euch GBAs!

Als erste Meldungen durchsickerten, dass der Mehrspielermodus (immerhin für vier Spieler) nur mit einer entsprechenden Anzahl GBAs in Angriff genommen werden kann, dachten wir uns, dass es sich hier nur um einen schlechten Scherz handeln kann.

Zugegeben: Die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit den anderen Gruppenmitgliedern Angriffskombos zu bilden sowie die verbale Interaktion mit den vor dem Bildschirm bzw. GBA sitzenden Spielern wecken schnell Multiplayer-Gelüste.

Nur: Die paar Zusatzfeatures wie z.B. der Radar, die über den GBA abzurufen sind, rechtfertigen die Anschaffung der teuren Zusatzhardware nicht.

Für Einzelspieler sind die Kristallchroniken nur eine schwache Alternative zu Zelda und Co.! 

Im Übrigen bin ich mir persönlich auch unschlüssig, ob Nintendo mit Crystal Chronicles den Absatz von GBAs zu forcieren oder ob man die breite GBA-Front endlich zum Kauf eines GameCube bewegen möchte.

Doch sei es wie ist: so nett die Idee ist, mit dem GBA die von Nintendo viel beschworene Connectivity endlich einmal ansprechend umzusetzen, so unsinnig ist sie auch. Denn mit vier Pads wäre das Spielprinzip in seiner ganzen Breite ebenfalls möglich gewesen.

Zudem treten im Mehrspieler-Modus unfaire Design-Schwächen zu Tage: In jedem Dungeon gibt es Sonderaufgaben – an sich ja keine schlechte Idee. Nach Abschluss der Aufgabe erhaltet ihr Punkte, je nachdem, wie ihr die Aufgabe gelöst habt. Und derjenige Spieler, der die meisten Punkte hat, kann sich als Belohnung eines der spärlichen attributsteigernden Artefakte aussuchen. Wer z.B. für die ganze Reise auf sich genommen hat, den Kristallkelch zu tragen –immerhin eine wichtige und lebensrettende Aufgabe- und dementsprechend wenig Punkte erhält, geht leer aus. __NEWCOL__Und falls ihr der Glückliche seid und kein Artefakt aufgesammelt habt, ist ebenfalls Schicht im Schacht. Ergebnis: Frust ist vorprogrammiert und hätte durch Feintuning an den Gameplay-Mechanismen schnell vermieden werden können.

Trotzdem ist das Spiel mit Freunden deutlich dem Einzelspielerabenteuer vorzuziehen. Denn die Kombination von Zaubersprüchen ist deutlich einfacher gestaltet und die Möglichkeiten des vereinten Angriffs auszuloten, macht ebenfalls eine Menge Spaß. Doch das macht Squares GameCube-Einstand noch lange nicht zu einem Pflichttitel.

Aufwändige Effekte wie diesen gibt es immer wieder zu bestaunen. In punkto Gameplay bleibt einem der Mund jedoch nur bedingt durch Enttäuschung offen!

Grafikgenuss

Dass Square auf FMV-Sequenzen verzichtet hat und stattdessen die Spielgrafik für die wenigen Zwischensequenzen nutzt, ist angesichts der allgemeinen Qualität der Optik nicht überraschend.

Figurendesign und Umgebung sind in sich stimmig und glänzen immer wieder mit schönen Effekten, detailreichen Texturen und zeigen, zu was der GameCube fähig ist, wenn er entsprechend ausgenutzt wird. Doch so schön und stimmungsvoll die Grafik auch anzuschauen ist und klar macht, dass es sich hier um ein Produkt von Square handelt, kann die Optik nicht darüber hinweg täuschen, dass spielerisch vergleichsweise eintönige Kost abgeliefert wird. Schöne Lichteffekte, liebenswerte Figuren, eine lebendige Spielwelt und eine rundum gelungene Präsentation sind nur ein schwacher Ersatz für das weitestgehend nach Schema F ablaufende Gameplay, das sich von Anfang bis Ende nur unwesentlich ändert.

Fazit

Mein Gott, wie hatte ich mich auf Final Fantasy Crystal Chronicles gefreut! Doch bereits nach kurzer Zeit ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen. An der Grafik liegt es nicht: Stimmungsvoll und mit schönen Effekten versehen, können sowohl Charakterdesign als auch Umgebungen überzeugen. Die Soundkulisse hat sich abseits der Melodiewiederholungen und der GameCube-typischen spartanischen Sprachausgabe ebenfalls wenig vorzuwerfen, da sowohl Soundeffekte als auch Musik sich generell auf hohem Niveau befinden. Wieso zum Teufel schaffen es die Kristall-Chroniken dann nicht, Spaß aufkommen zu lassen – zumindest für Einzelspieler? Das actionorientierte Hack&Slay-Gameplay hat doch auch bei Spielen wie der Dark Alliance-Serie funktioniert. Bei Crystal Chronicles hingegen wirkt der Einzelspieler-Modus aufgesetzt und wird durch die KI-Probleme eures Kristallträgers nicht besser. Im Mehrspieler-Modus sieht die Sache schon etwas anders aus: Durch die Kombo-Möglichkeiten während der Kämpfe kommt eine schöne Dynamik auf und selbst das etwas unfaire Belohnungssystems in den Dungeons kann den Spaß, der durch die Interaktion mit den Mitspielern entsteht, nur unwesentlich trüben. Dass das Final Fantasy-Abenteuer, das außer einigen bekannten Figurentypen und den Zauberspruchnamen jedoch wenig mit der Franchise zu tun hat, jedoch nur mit GBA-Zusatzhardware zum Spielen einlädt, ist allerdings eine Frechheit. Denn für die Möglichkeit, mit vier Pads zu spielen, hätte ich persönlich auch auf Features wie Radar auf dem GBA verzichtet. Als Mehrspieler-Hack&Slay durchaus brauchbar, sind die Kristall-Chroniken allerdings weit davon entfernt, das Erbe der Final Fantasy-Serie auf dem GameCube angemessen fortzusetzen.

Pro

Echtzeit-Kämpfe
schöne Grafik
stimmungsvolle Musik
einfache Steuerung
schöne Kombo-Möglichkeiten in der Gruppe
gelungenes Mehrspieler-Vergnügen
gut gelungene GBA-/Cube-Connectivity

Kontra

hat kaum etwas mit dem FF-Universum zu tun
wenig Sprachausgabe
als Solounterhaltung wenig reizvoll
Mehrspieler-Modus nur per GBA
unfaires Belohnungssystem
keine richtige Charakterentwicklung
schwache Story

Wertung

GameCube

Wer die Hardware hat, darf sich auf ein kooperatives Abenteuer mit viel Taktik und klasse Kulisse freuen.

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