Phantasy Star Online Episode III: CARD Revolution21.07.2004, Jens Bischoff
Phantasy Star Online Episode III: CARD Revolution

Im Test:

Mit der Dreamcast-Version von Phantasy Star Online entführte Sega vor knapp vier Jahren erstmals auch Konsolenspieler in die bis dato PC-Usern vorbehaltene Welt der Online-Rollenspiele. Letztes bzw. vorletztes Jahr folgten dann spielerisch getreue Fortsetzungen für Xbox und GameCube. Mit Phantasy Star Online Episode III: CARD Revolution wagen die Entwickler nun erstmals einen spielerischen Neuansatz mit rundenbasierten Kartenschlachten statt actionreicher Echtzeitkämpfe.

Über 20 Jahre im Orbit

In der dritten Episode von Phantasy Star Online findet ihr euch erneut an Bord der Pioneer 2 wieder, die nach 21 Jahren immer noch um den Planeten Ragol kreist, in der Hoffnung diesen eines Tages besiedeln und als neue Heimat nutzen zu können. Doch auch wenn das Ziel in greifbarer Nähe scheint, sorgen Machtkämpfe in der Regierung sowie Auseinandersetzungen mit den Rebellen für neue Gefahren.

Leidlich spannender Smalltalk: In der Basis könnt ihr euch mit einer zunehmenden Zahl an NPCs unterhalten.
Grund der Misere ist die neue CARD-Technologie, mit der es möglich wurde, Gegenstände, Waffen, Zauber, Kreaturen und mehr in Karten zu verwandeln und damit jederzeit und überall Unruhe zu stiften.

Kampfmaschine oder Monsterbeschwörer

Für wessen Seite ihr euch entscheidet, bleibt euch überlassen. So könnt ihr euch sowohl als Hunter für die Interessen der Regierung einsetzen als auch den rebellischen Arkz beitreten. Dabei hat eure Wahl aber nicht nur Einfluss auf den Handlungsverlauf des Storymodus‘, sondern auch auf die verwendete Spielmechanik.

Zwar werden Kämpfe auf beiden Seiten durch rundenbasierte Kartenschlachten à la Magic the Gathering, Pokémon oder Yu-Gi-Oh! ausgetragen, aber während die Hunter zumindest noch in klassischer PSO-Manier mit vertrauten Waffen, Schilden, Mags und Tech-Zaubern in die Schlacht ziehen, setzen die Arkz alles auf das Beschwören von Monstern, die sie mit ihrer CARD-Technologie irgendwo auf Ragol eingefangen haben.

Die Welt war klein und eckig

So oder so dürften sich viele Serien-Veteranen angesichts des neue Kampfsystems die Augen reiben, denn wo man sich früher noch frei bewegen sowie direkt und in Echtzeit kämpfen durfte, werden Konflikte jetzt nur noch feld- und rundenweise mit Würfeln und Karten ausgefochten. Zudem begebt ihr euch nicht mehr persönlich an vorderste Front, sondern lasst euch durch einen von insgesamt zwei Dutzend vorgefertigten Charakteren mit individuellen Stärken und Schwächen vertreten. Diese gehören zwar nach wie vor den bekannten Klassen und Rassen von PSO an, aber sie besitzen teils vorgegebene Ausrüstungen und Fähigkeiten; außerdem lassen sie sich nicht aufleveln.

Gespaltene Persönlichkeit

Stattdessen erhält bzw. verliert euer am Kampf unbeteiligtes und quasi klassenloses Alter-Ego, dessen optisches Erscheinungsbild ihr wieder selbst bestimmen könnt, Erfahrungspunkte, die euch nach einem Level-Up immer bessere Karten bescheren. Die Erfahrungspunkte werden on- und offline übrigens separat vergeben, so dass ihr jeweils unterschiedliche Ränge habt. Euer Online-Ranking wird allerdings durch Mesetas, die Währung von PSO, bestimmt, die ihr euch nur in regelmäßig stattfindenden Online-Turnieren verdienen könnt. Kaufen könnt ihr mit euren Mesetas allerdings nichts - außer ein paar Songs aus der Jukebox, mit der nun jede Online-Lobby ausgestattet ist.

Wohin zuerst? - Wenn ihr besonders gesprächsfreudig seid, habt ihr im Story-Modus öfters die Wahl zwischen verschiedenen Aufträgen.
Belohnung für treue Fans

Wer meint, dass dort nur Musikstücke aus dem sphärischen PSO-Soundtrack, der teils vom Warschauer Philharmonie Orchester eingespielt wurde, auszuwählen sind, liegt jedoch falsch: Die Entwickler haben auch zahlreiche Klassiker aus legendären Sega-Titeln wie Nights, Samba de Amigo oder Jet Set Radio implementiert.

Doch damit nicht genug, können treue Sonic-Team-Anhänger auch noch spezielle Bonuskarten freischalten, wenn sich auf einer der eingelegten Memory Cards Spielstände von anderen Sonic-Team-Titeln wie PSO I & II, Sonic Adventure 1 & 2, Billy Hatcher oder Sonic Heroes befinden. Zudem können Spieler von PSO I & II ihre Hunterlizenz auch für Episode III verwenden ohne zusätzliche Online-Gebühren berappen zu müssen. Ansonsten kostet der Online-Gang zurzeit monatlich 8,95 bzw. dreimonatlich 22,95 Euro und ist für alle GameCube-Episoden zusammen verwendbar.

Verlängerter Lebenszyklus

Regelmäßige Quest-Downloads sind im Preis natürlich inbegriffen und sollen euch auch über einen längeren Zeitraum immer wieder mit neuen Missionen und exklusiven Bonuskarten versorgen, so dass ihr insgesamt in einen Besitz von über 500 Karten kommen könnt. Davon dürft ihr allerdings immer nur 30 Stück, die ihr in individuellen Decks organisieren könnt, mit in die Schlacht nehmen. Im Kampf habt ihr dann stets fünf Karten davon auf der Hand, die ihr am Ende jeder Runde beliebig auswechseln könnt. Die Runden selbst bestehen wiederum aus fünf festgelegten Phasen.

Auf in den Kampf

So bestimmt ihr zu Beginn mit zwei Würfeln eure Angriffs- und Abwehrpunkte, wobei der höhere Wurf immer als Angriffwert gerechnet wird. Anschließend spielt ihr eure bevorzugten Karten aus, was je nach Karte eine bestimmte Zahl an Angriffspunkten kostet. Dann bewegt ihr eure Charaktere bzw. Kreaturen über das schachbrettartige Spielfeld, was wiederum Angriffspunkte kostet. Danach attackiert ihr abermals auf Kosten eurer Angriffspunkte in Reichweite befindliche Gegner und abschließend könnt ihr nicht benötigte Karten kostenlos gegen neue austauschen. Daraufhin ist euer Gegenüber an der Reihe, der genau die gleichen Phasen durchläuft. Werdet ihr angegriffen, könnt ihr auch noch eure am Anfang der Runde gewürfelten Abwehrpunkte ins Spiel bringen und geeignete Defensiv-Karten ausspielen. Danach beginnt alles wieder von vorn, bis einer der Hauptcharaktere zur Strecke gebracht wurde.

Bonus-Comics: Bei bestimmten Charakterkonstellationen werdet ihr hin und wieder mit kurzen Manga-Sequenzen belohnt.
Jeder wie er es mag

Natürlich habt ihr auch die Möglichkeit, die Regeln in freien Schlachten nach Belieben abzuändern und beispielsweise das Würfelspektrum oder die Lebenspunkte zu manipulieren, Zeitbegrenzungen zu setzen, bestimmte Karten vom Spiel auszuschließen und mehr.

In Online-Turnieren oder Story-Missionen müsst ihr euch allerdings an die jeweiligen Vorgaben halten und entscheidet lediglich darüber, welchen Spielcharakter und welches Deck ihr in die Schlacht schickt. Neben Einzelduellen stehen übrigens auch Team-Kämpfe mit insgesamt vier Teilnehmern zur Wahl. Die Möglichkeit, zu sechst in Dreier- oder gar zu acht in Vierer-Teams anzutreten, besteht aber leider nicht. Dafür könnt ihr euch bei Online-Schlachten aber als passiver Zuschauer registrieren und Anschauungsunterricht bei Profis nehmen.

Mensch über Maschine

In den Story-Missionen kann es gelegentlich auch vorkommen, dass ihr es allein mit zwei Gegnern gleichzeitig aufnehmen müsst oder nur vorgegebene Charaktere verwenden dürft. Ansonsten seid ihr in der Schlachtgestaltung relativ frei. Selbst gemischte Teams aus menschlichen und CPU-gesteuerten Akteuren sind möglich - und das sowohl on- als auch offline. Allerdings sind eure leider nicht sonderlich hellen KI-Partner stets vor euch am Zug und versperren euch so oft den einzigen Weg oder sorgen für andere nervige Stellungs-, Angriffs- und Kartenkonflikte. Doch neben der Angriffsplanung auf Absprache (online gibt es dafür eine praktische Flüsterfunktion) ist natürlich auch die Spielmotivation mit menschlichen Teamkameraden wesentlich höher als mit CPU-Mitstreitern.

Einsame Auftragsarbeiten

Allein ist man ohnehin nur so lange motiviert, bis man die beiden jeweils ca. 30 Aufträge umfassenden Einzelspieler-Kampagnen inklusive finalem Endkampf und diverser Bonusmissionen durch hat. Anschließend versucht man höchstens noch einfache Missionen mit hohen Rankings abzuschließen, um schneller an besonders seltene Karten zu kommen. Wie bei PSO üblich erhaltet ihr nämlich je nach Leistung einen Rang zwischen E und S, der über die Anzahl der neuen Karten bei einem Sieg entscheidet. Bei einem S-Ranking ist die Anzahl und Wahrscheinlichkeit auf seltene Karten zu stoßen natürlich am höchsten. Ab und zu können sich erhaltene Karten sogar in bessere Versionen verwandeln. Die Handlung selbst ist im Story-Modus jedoch recht belanglos. Gleiches gilt auch für die dieses Mal wesentlich besser übersetzen Dialoge mit den wechselnden NPCs in eurer Basis.

Rundumschlag: Mit Aktionskarten wie Cross Slay könnt ihr mehrere Gegner auf einmal attackieren.
Präsentation von gestern

Deutsche Sprachausgabe gibt‘s hingegen immer noch keine und die englischen Ansagen des Kampfrichters sind an unterschwelliger Lustlosigkeit wohl kaum zu unterbieten. Selbst die paar Wortfetzen, die ihr nun via Chat-System tätigen könnt, klingen eher wie schlechte Parodien. Witzig hingegen die Möglichkeit via Chat-System nun auch musikalisch aktiv zu werden und einstimmige Melodien zur Freude oder zum Leid anderer Lobby-Besucher bzw. Kampfteilnehmer zu komponieren.

Doch auch wenn die allgemeine musikalische Untermalung ohne Fehl und Tadel ist, wirken die noch aus PSO 1 stammenden Sound-FX trotz Dolby Surround mittlerweile völlig antiquiert. Das gilt übrigens auch für die grafische Präsentation, die sich seit längst vergangenen Dreamcast-Tagen kaum verbessert hat. So wirken die Charaktermodelle extrem kantig, die Animationen geradezu hampelmannhaft, die Texturen ziemlich verwaschen und die Effekte einfach nur billig. Zudem kennt man fast sämtliche Monster, Items und Locations bereits aus den Vorgängern, was selbst Hardcore-Fans etwas enttäuschen dürfte.

Viel zu entdecken

Gefallen hat uns hingegen die facettenreiche Missionsstruktur des Stroy-Modus‘, die euch je nach angesprochenem Charakter und verwendeter Spielfigur mit zahlreichen Zusatzmissionen, Manga-Sequenzen, Aktionsboni und Extrakarten belohnt. Manchmal müsst ihr euch sogar für eine bestimmte Mission oder einen bestimmten Charakter entscheiden und könnt die möglichen Alternativen erst beim zweiten oder dritten Durchspielen erleben, was trotz lauer Handlung und jeder Menge dämlicher Konversationen für einen soliden Wiederspielwert sorgt. Zudem erfahrt ihr so auch einiges über die Geschehnisse auf Ragol abseits der Rahmenhandlung und erlebt einige Anspielungen auf vertraute Ereignisse aus den Vorgängern. Das wahre Suchtpotential entfaltet sich aber trotzdem erst online.

Die Macht der Tasten

Für etwaige Online-Gänge empfehlen wir allerdings dringend eine Tastatur, da man sich sonst nur peinlich oder nur sehr ungenau verständigen kann - und gerade online sind die Gespräche mit anderen PSO-Usern immer noch ein nicht zu vernachlässigendes Atmosphäre-Plus. Zwar könnt ihr euch nach wie vor auch mittels selbst gebastelter Symbole, internationalem Satzbaukasten und Software-Tastatur verständigen, aber als Hauptkonversationsmittel ist dies in keiner Weise ausreichend. Zudem sind einige Übersetzungen äußerst merkwürdig oder gar irreführend, während manche Abschnitte nur teilweise oder überhaupt nicht übersetzt wurden. Dafür dürft ihr euch je nach gewählter Lobby sogar mit Spielern von Episode II & III unterhalten.

Gemütliche Plauderecke: Zwischen den Kämpfen und Turnieren könnt ihr euch in den Online-Lobbies mit anderen Spielern unterhalten.
Mangelnde Feinabstimmung

Das relativ zähe Gameplay hätte hingegen noch etwas mehr Dynamik und Feintuning vertragen können. Zwar spielt sich die "Kartenrevolution" insgesamt recht unkompliziert, aber manche Elemente sind trotz des passiven Tutorials doch recht undurchsichtig und werden auch in der Anleitung nicht vollständig abgehandelt.

Dazu kommt es aufgrund der abwechselnden Zugfolgen immer wieder zu Leerlaufphasen und am Ende verbringt man gar mehr Zeit mit der Feinabstimmung seiner immer komplexer werdenden Decks als mit den Kämpfen selbst. Schade auch, dass es im Story-Modus kaum Bossfights gibt und man nur auf vorgefertigten Schlachtfeldern kämpfen kann - ein Editor hätte hier Wunder gewirkt.

Glück auf!

Trotzdem sind die Schlachtfelder recht abwechslungsreich und bieten neben natürlichen und künstlichen Barrieren auch Teleportmöglichkeiten sowie versteckte Fallen. Leider kommt es dadurch aber auch oft zu langwierigen Stellungskämpfen, die letztendlich eher vom Würfelglück als vom taktischen Geschick entschieden werden. Durch den Glücksfaktor sind die Auseinandersetzungen aber teils auch unglaublich spannend und dynamisch, wodurch selbst ungleiche Duelle gegen wesentlich stärkere oder schwächere Gegner oft anders ausgehen können als vermutet. Ärgerlich nur, dass sich die Kamera gelegentlich hinter undurchsichtigen Objekten positioniert oder eingeblendete Aktionskarten das Spielgeschehen verdecken. So bekommt man nicht mit, ob oder welchen Schaden man angerichtet bzw. genommen hat.

Fazit

Auch wenn einige Veteranen von Episode III anfangs enttäuscht sein dürften, bieten die Phantasy Star Online-Kartenschlachten doch eine völlig neue Spielerfahrung im vertrauten Universum. Vor allem die ebenso originellen wie süchtig machenden Team- & Turnierkämpfe haben bei mir immer wieder für durchzockte Nächte gesorgt. Wer bereits Gefallen an Titeln wie Lost Kingdoms, Magic the Gathering oder Yu-Gi-Oh! gefunden hat, wird trotz der belanglosen Story bestens bedient. Zwar spielt auch das Glück eine große Rolle, aber dadurch gewinnen die Kämpfe sogar noch an Nervenkitzel. Allerdings wird es allein irgendwann öde - daran können auch die zwei unterschiedlichen Offline-Kampagnen, die facettenreichen Missionsstruktur und die über 500 freispielbaren Karten nichts ändern. Im Team mit Gleichgesinnten erreicht die Motivationskurve jedoch schnell ein Dauerhoch mit viel taktischer Abwechslung: Es gibt ständig stärker werdende Gegner und neue Teamkollegen. Online kostet der Spaß zwar jeden Monat knapp neun Euro, aber dafür sind zusätzliche Online-Partien mit Episode I & II im Preis enthalten.  

Pro

60Hz-Modus
hübscher Soundtrack
relativ einfache Handhabung
motivierender Sammelaspekt
über 500 freischaltbare Karten
facettenreiche Missionsstruktur
zwei separate Solo-Kampagnen
individuell einstellbare Spielregeln
motivierende Mehrspielerschlachten
solide Mischung aus Glück & Strategie
Tastatur-Unterstützung (online quasi Pflicht!)
gemeinsame Hunterlizenz für Episode I, II & III

Kontra

nervige KI-Partner
recht zähes Gameplay
angestaubte Präsentation
teils etwas unübersichtlich
durchwachsene Lokalisierung
kostenpflichtige Online-Nutzung
meist belanglose Story & Dialoge
vorsintflutliche Sound
& Grafik-FX
für Einzelspieler auf Dauer recht öde
kaum bzw. extrem miese Sprachausgabe

Wertung

GameCube

Originelle Mischung aus taktischen Sammelkarten-Schlachten und Würfelglück.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.