Rogue Ops01.03.2004, Mathias Oertel
Rogue Ops

Im Test:

In die Stealth-Domäne einzubrechen, ist hammerhart. Gibt es überhaupt noch Platz neben Schwergewichten wie Metal Gear Solid und Splinter Cell? Die Antwort lautet offensichtlich ja, denn Kemco schickt mit Rogue Ops (ab 16,98€ bei kaufen) einen viel versprechenden Vertreter ins Rennen, der mit Nikki Connors als weiblich schleichendem Todesengel die männliche Konkurrenz zum Kampf fordert. Können Körperrundungen ausreichen, um den Schattenkönigen Sam Fisher und Solid Snake Angst einzujagen? Die Antwort gibt der Test!

Ex-Green Beret auf Rachefeldzug

Im Gegensatz zu den Genre-Vorreitern von Konami und Ubi Soft haben sich die Bits Studios für Rogue Ops einen weiblichen Helden ausgesucht. Und um Nikki Connors die nötige Motivation für ihren Kampf gegen den Terror zu geben, fällt ihre Familie einem Anschlag zum Opfer, so dass Nikki nun an der Seite einer geheimen Regierungsorganisation weltweit gegen die Omega 19-Gruppe kämpft.

Bekannte Kost

Abgesehen von dem Geschlechterwechsel bietet Rogue Ops jedoch spielerisch weitestgehend altbekannte und zum Glück leicht verdauliche Kost. Spieler, die bereits mit Sam Fisher und Solid Snake Bekanntschaft gemacht haben, werden im gut aufgebauten Tutorial viele Elemente wiedererkennen, die Splinter Cell und Metal Gear Solid zu Hits gemacht haben.

Ein bisschen Metal Gear, ein bisschen Splinter Cell und mittendrin die gut gebaute Nikki Connors.

Die Einführung in die Steuerung stammt z.B. eindeutig aus Splinter Cell, das gut funktionierende Radarsystem aus Metal Gear, und dass man erledigte Gegner vorzüglich in Schränken vor den wachsamen Augen der Feinde verstecken kann, hat Solid Snake ebenfalls bereits unter Beweis gestellt. So finden alte Genrehasen zahlreiche Elemente, die zum einen dafür sorgen, dass man sich schnell in Rogue Ops zurecht findet, andererseits aber auch deutlich machen, dass die Bits Studios offensichtlich kein all zu großes spielerisches Risiko eingehen wollten.__NEWCOL__Doch es gibt auch ein paar weniger bekannte Versatzstücke, die zwar allesamt nicht bahnbrechend sind, aber dem Spielverlauf durchaus Abwechslung verleihen.

Obowhl alle wesentlichen Elemente anderen Titeln entliehen wurden, kann Rogue Ops spielerisch durchaus zufrieden stellen. 

So habt ihr z.B. die Möglichkeit, wie in Tenchu optisch eindrucksvolle Stealth-Kills durchzuführen. Kann sich Nikki unbemerkt hinter einem Gegner postieren, taucht eine Anzeige auf, wie sie von Manhunt ins Stealth-Genre eingeführt wurde. Bleibt unsere Agentin die ganze Anzeigenauffüllzeit unbemerkt, kann sie die Attacke starten, in der ihr unter Zeitdruck vorgegebene Richtungen mit dem linken Stick abarbeiten müsst. Belohnt werdet ihr daraufhin von einem spektakulären Kill, der allerdings mit seiner Röntgenoptik deutlich dem Jet Li-Film Romeo must Die entnommen ist.

Intuitive Interaktion und schwache KI

Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber dennoch sehr gut gelöst, wurde die Interaktion mit der Umgebung. Jedes Mal, wenn Nikki an etwas vorbei kommt, das manipuliert werden kann, wird euch dies durch ein Symbol angezeigt.

Angefangen von Vorsprüngen, an denen sich unsere Agentin entlang hangeln kann über Schalter, die umgelegt werden können, bis hin zu durchsuchbaren Schränken und Schreibtischen solltet ihr keinerlei Probleme haben, den sporadischen und zumeist logisch aufgebauten Rätseln auf die Spur zu kommen.

Zwar ist man hin und wieder in scheinbar ausweglosen Situationen damit beschäftigt, das letzte Icon zu finden, das man übersehen hat, doch da sich die Lernkurve als sehr angenehm präsentiert, hat man schnell einen Blick für das Wesentliche.

Zu den Rätseln gehört natürlich auch der Einsatz von Spionagewerkzeug. Neben dem Nachtsichtgerät, das gleichzeitig auch als Bewegungsmelder seine Arbeit verrichtet, gehören mehrere Waffentypen (u.a. Wurfsterne) und weitere Gimmicks wie die Fiberglas-Kamera zur Ausrüstung, die ohne großen Aufwand kontextsensitiv zum Einsatz kommt. Anstatt großartig durch das Inventar zu schalten, stellt ihr euch einfach vor das entsprechende Objekt und das richtige Werkzeug wird automatisch eingesetzt.

Die Missionen gestalten sich durchaus abwechslungsreich, bieten aber durch die Bank bekannte Genrekost. Da die Level aber clever designt sind, kommt man nicht immer beim ersten Anlauf auf die richtige Lösung, so dass auch Könner ab und an gefordert sind und zudem häufig probieren können, welche Annäherungsweise am besten geeignet ist.

Konfrontationen ohne Frustgefahr: die KI ist meist weit vom Genre-Standard entfernt! 

Obwohl ihr durch Schleichen vielen Konfrontationen aus dem Weg gehen könnt, gibt es natürlich genügend Möglichkeiten, Nikkis Green Beret-Ausbildung an Waffen in die Tat umzusetzen. __NEWCOL__Leider sind diese Gefechte jedoch wenig fordernd, da die Gegner nicht gerade durch eine herausragende KI auf sich aufmerksam machen. Sind sie bedingt durch das Leveldesign auf euch vorbereitet, wehren sie sich zwar nach besten Kräften, doch solltet ihr sie überraschen können, wären die Kameraden besser bedient, gleich an einem Herzinfarkt zu sterben. Denn so häufig, wie sie aus kurzer Entfernung an euch vorbei schießen, muss man Angst haben, dass die gefürchteten Terroristen nicht mal das Wasser treffen würden, wenn sie aus einem Boot fallen.

Immer an der Wand lang: was Sam und Snake können, kann Nikki schon lange!

Gut geklaut und trotzdem durchwachsen

Trotz aller bekannten Elemente und trotz aller kleinen Neuerungen und Ergänzungen schafft es Nikki allerdings nicht, auf einer Stufe mit ihren menschlichen Kollegen Platz zu nehmen. Denn obwohl im Kern alles da ist, was man von einem Stealth-Action-Spiel erwartet, fehlt unserer gut gebauten Agentin etwas Substanz.

Zwar wird durch die Vorgeschichte mit dem Tod ihrer Familie so etwas wie Identifikation aufgebaut, doch einige der Missionsszenarien wirken etwas aufgesetzt und nur durch die Interaktion von Nikki und ihrer Auftraggeber am Leben erhalten, die im Übrigen immer wieder fatalerweise an Luc Bessons Nikita erinnert und mit aufgedrücktem Humor versucht, Atmosphäre aufzubauen.

Lauer Durchschnitt

So sehr sich Rogue Ops spielerisch an Genregrößen anzunähern versucht, so weit ist es grafisch davon entfernt, auch nur annähernd das Niveau der Referenzen zu erreichen.

Während das allgemeine Leveldesign mit schöner Architektur und halbwegs überzeugenden Texturen punkten kann, vermisst man Highlights, die bei Splinter Cell und Co. für Freude gesorgt haben. Keine flatternden Vorhänge, keine Echtzeitschatten und schon gar keine ausufernden Lichteffekte machen die optischen Unterschiede zwischen der Anti-Terrorhatz von Nikki Connors und denen der männlichen Kollegen deutlich.

Und obwohl es zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung gibt, bleiben die Areale meist statisch und bieten nur selten ein belebtes Bild.

Grafisch liegt man deutlich hinter den Referenztiteln. Einzig die Animationen überzeugen!

Dafür entschädigen können die Animationen (vor allem der Heldin), die es fast schaffen, an die Klasse heranzureichen, die von Ubi und Konami gesetzt wurde.

Enttäuschend wiederum ist die äußerst unstabile Bildrate. Dabei ist es sogar egal, ob ihr euch alleine auf dem Bildschirm befindet oder in ein Feuergefecht mit mehreren Gegnern verstrickt seid. __NEWCOL__Nur selten schafft es die Engine, eine ruckelfreie Optik auf den Fernseher zu zaubern.

Im Grafikbereich wurden viele Chancen verschenkt, um Atmosphäre aufzubauen.

Humorvoll oder platt?

Bei den umfangreichen Dialogen, die komplett lokalisiert wurden, bedient man sich eines Mittels, das seit Mitte der 80er Jahre in Hollywood-Filmen mal mehr, mal weniger überzeugend zum Einsatz kam: Humor als Kontrapunkt, um Spannung und Action zu relativieren.

Und obwohl die Sprecher sich redlich bemühen, bleibt der Versuch meist im Sande stecken und befindet sich auf B- und im schlimmsten Falle sogar auf C-Film-Niveau, um bei der Hollywood-Analogie zu bleiben.

Was durch die Sprache an Atmosphäre verschenkt wurde, können die gut komponierte und teilweise extrem spannende Musik und die üblichen Schuss- und Explosionseffekte allerdings nur bedingt auffangen. Denn letzten Endes identifiziert man sich nicht mit der Hauptfigur über die Musik, sondern über das, was sie sprachlich von sich gibt. Und hier fehlt Nikki einfach der Coolness-Faktor, den Kollegen wie Ethan Hunt und Sam Fisher mitbringen.

Fazit

Bis auf sehr wenige Ausnahmen bietet Rogue Ops keinerlei frische Ideen und bedient sich schamlos bei Elementen, die den derzeitigen Schleichreferenzen entnommen sind. Und trotzdem kann man dem Abenteuer von Nikki Connors einen gewissen Spielspaß nicht absprechen, da die Gameplay-Anleihen bei Metal Gear Solid 2 und Splinter Cell gut umgesetzt wurden. Leider stehen aber sowohl Grafik als vor allem auch die KI deutlich hinter den Genrekönigen zurück, so dass Rogue Ops nur Stealth-Fans ans Herz zu legen ist, die keinerlei Geduld aufbringen, auf die nächsten Teile der hinlänglich bekannten Meisterschleicher zu warten. Vielleicht kann es auch Spielern empfohlen werden, die auf Grund des moderaten Schwierigkeitsgrades ein schnelles Erfolgserlebnis suchen. Allen anderen sei geraten, lieber noch einmal Sam Fisher oder Solid Snake aus dem Archiv zu kramen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Pro

eingängige Steuerung
abwechslungsreiche Aufgaben
interessante Gimmicks
gute Animationen
stylische Stealth-Kills
gute Musik

Kontra

schwache Gegner-KI
wenig Atmosphäre
Ruckler
Umgebungen wenig beeindruckend
kaum neue Spielelemente

Wertung

PlayStation2

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