Pokémon Colosseum17.06.2004, Jens Bischoff
Pokémon Colosseum

Im Test:

Nach dem spielerisch äußerst mäßigen Pokémon Channel, spendiert Nintendo seinen ertragreichen Taschenmonstern auf dem GameCube mit Pokémon Colosseum (ab 97,58€ bei kaufen) nun endlich ein zünftiges Arena-Spektakel mit ausgewachsenem Story-Modus und interessantem Mehrspielerangebot. Nach den Verkaufszahlen zu urteilen, ist der Titel sogar jetzt schon ein Hit.

Nichts als Ärger

Zu Beginn des Story-Modus ist die Kacke ordentlich am dampfen: Ihr habt die Firma eures Arbeitgebers in Schutt und Asche gelegt, einen unersetzlichen Gegenstand mitgehen lassen und euch dann auch noch klammheimlich aus dem Staub gemacht. Um euer Gewissen wieder etwas rein zu waschen, kann der Entschluss ein gekidnapptes Mädel aus den Fängen zweier Missetäter zu befreien, also nicht schaden. Doch auch das bringt euch nichts als Ärger ein, denn plötzlich ist euch ein ganzes Verbrechersyndikat auf den Fersen, dem die missglückte Entführung überhaupt nicht schmeckt, und am Ende müsst ihr auch noch den Weltenretter mimen.

PS-starker Wüstenflitzer: Mit diesem heißen Ofen düst ihr von Schauplatz zu Schauplatz.

Unzertrennliches Heldenduo

Der Frieden in der Wüsten-Region Orre wird nämlich durch die dunklen Machenschaften einer Gangsterbande bedroht, die alle friedlichen Pokémons in skrupellose Kampfmaschinen verwandeln will. Doch zum Glück seid gerade ihr im Besitz einer Maschine, die genau dies verhindern und alle modifizierten Pokémons wieder zurückverwandeln kann. Bald entdeckt ihr zudem, warum genau die gleiche Bande für die Entführung eurer neuen Reisegefährtin verantwortlich zeichnete, ist diese doch als einzige in der Lage, die bösen von den guten Pokémons zu unterscheiden. So macht ihr euch gemeinsam auf, die Drahtzieher zu stellen und dem finsteren Treiben ein Ende zu setzen.

Story-Korsett: Trotz Multiple-Choice-Dialoge überlässt euch die lineare Handlung nicht viel Freiraum.
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Die Welt ist klein...

Leider ist die Spielwelt mit gerade einmal neun, nicht einmal sonderlich weitläufigen Locations nicht sonderlich groß und die Handlung mangels nennenswerter Sidequests und Rätsel äußerst starr und linear, aber aufgrund der zahlreichen Kämpfe solltet ihr trotzdem 20-30 Stunden damit beschäftigt sein, alle finsteren Pokémons zu befreien und das Verbrechersyndikat zu zerschlagen. Darüber hinaus warten auch noch lukrative Turniere in den einzelnen Kolosseums Orres auf euch, bei denen eine Teilnahme stets freiwillig ist. Wer dann immer noch nicht genug hat, kann seine Pokémons auch noch weiter aufleveln und in den Kampf gegen virtuelle oder menschliche Kontrahenten schicken.

Idyllische Oase: Die meist liebevoll gestalteten Locations kann man an einer Hand abzählen...

Unsinnige Handheldpflicht

Für Letzteres sind je nach Teilnehmerzahl allerdings bis zu drei GBAs samt Linkkabel und Pokémon Rubin- bzw. Saphir-Modul nötig, was etwas überrascht, da Mehrspielerduelle auch ohne Handheld-Pflicht problemlos möglich gewesen wären. Sinnvoll hingegen: die Möglichkeit Pokémons nach Absolvieren des Story-Modus zwischen GameCube (Pokémon Colosseum) und GBA (Pokémon Rubin & Saphir) auszutauschen, um die eigene Kämpferriege aufzustocken. Auch die dem Spiel kostenlos beiliegende Memory Card 59 ist angesichts des hohen Speicherbedarfs (ein Spielstand belegt fast die komplette Speicherkarte) eine positive Bereicherung. Die Lade- und Speicherzeiten fallen aber dennoch erfreulich kurz aus.

Gemischtes Doppel: Ihr dürft maximal zwei Pokémons gleichzeitig in den Kampf schicken.
   

Freiheit für alle Pokémons!

Natürlich sind auch Duelle gegen unterschiedlich starke KI-Gegner möglich, aber wirklich befriedigend ist diese Alternative trotz erspielbarer Poké-Coupons, die anschließend gegen spezielle Items eingetauscht werden können, nicht. Die begehrten Coupons lassen sich nämlich auch im Story-Modus erbeuten, der uns trotz seiner Linearität und durchschaubaren Handlung bei Laune halten konnte, was wohl vor allem der motivierenden Pokémon-Jagd und Charakterpflege zuzuschreiben ist, die kein Rollenspielerherz kalt lassen dürfte. Und auch wenn der einheitliche Schwierigkeitsgrad nur selten fordernd ist, ist das Ziel alle 55 so genannten Crypto-Pokémons zu befreien doch kein allzu leichtes Unterfangen. Und das nicht nur, weil manche Krallversuche partout nicht klappen wollen, sondern auch weil euch manche Pokémons kein zweites Mal über den Weg laufen.

Ewige Baustelle: Der dekadente Largha-Turm öffnet erst gegen Ende des Spiels seine Pforten.

Reine Herzenssache

Bevor eure gekrallten Pokémons Erfahrungspunkte sammeln und neue Attacken lernen können, müsst ihr euch übrigens erst Zugang zu ihrem Herzen verschaffen, was ihr durch stetige Kampfeinsätze und Zurufe, spezielle Massagen und Items sowie regelmäßige Pensionsaufenthalte beschleunigen könnt. Habt ihr sie komplett von ihrer dunklen Aura befreit und in einem speziellen Heiligtum rein gewaschen, könnt ihr sie sogar umbenennen und als vollwertige Pokémons einsetzen. Denn gerade bei Turnieren sind Crypto-Pokémons oft gar nicht zugelassen und auch sonst unterliegen die finsteren Biester gewissen Einschränkungen, die man schnellstmöglich aufheben sollte - obwohl die in Rage getätigten Crypto-Attacken oft effektiver sind als die nach der Reinigung verfügbaren Original-Angriffe...

Überschaubare Aktionspalette: In den Kämpfen könnt ihr eure Pokémons entweder kämpfen lassen, zur Besinnung rufen, austauschen oder mit Items versorgen.
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Auf in den Kampf!

In den rundenbasierten Kämpfen könnt ihr übrigens maximal zwei Pokémons gleichzeitig in den Kampf schicken, während eure komplette Angreiferriege aus nicht mehr als sechs Exemplaren bestehen darf. Als Aktionen stehen euch in den Kämpfen dann bis zu vier individuelle Offensiv- oder Defensiv-Fertigkeiten pro Pokémon zur Verfügung. Zudem könnt ihr eure Kampfteilnehmer jederzeit austauschen, Items einsetzen oder durch Zurufen eure in Rage geratenen Crypro-Pokémons wieder zur Besinnung bringen. Die Handhabung ist dabei erfreulich simpel, aber trotzdem facettenreich genug und durch die Elementzugehörigkeiten, Geschlechter und Wesenszüge der Pokémons vor allem taktisch geprägt. Vermisst haben wir lediglich die Möglichkeit, verschiedene Kampfaufstellungen als direkt abrufbare Vorgaben anzulegen, um die Pokémons nicht immer wieder neu zusammenstellen und formieren zu müssen.

Verwirrung gestiftet: Statusveränderungen bringen in den Kämpfen oft den entscheidenden Vorteil.

Angestaubte Präsentation

Auch technisch wäre einiges mehr drin gewesen. Die Charaktermodelle wirken geradezu primitiv, die Texturen verwaschen und die Grafikeffekte altbacken, während die Soundkulisse mit ihren antiquierten Sound-FX und der fehlenden Sprachausgabe alles andere als zeitgemäß wirkt. Die meisten Dialoge sind aber ohnehin belanglos und der Protagonist des Spiels bringt es doch tatsächlich fertig, bis zum Ende des Spiels kein einziges Mal den Mund aufzumachen... Auch dass es keine aufwändigen Zwischensequenzen gibt und die Rumble-Funktion des Pads kaum Einsatz findet, fällt negativ auf. Gefallen haben uns hingegen die teils liebevoll gestalteten Schauplätze, stimmungsvollen Retro-Melodien und charmanten Animationen, die trotz unscheinbarer Präsentation für eine gelungene Atmosphäre sorgten.

Regelmäßige Pilgerfahrt: Nur im Sanktuarium von Emiritae können die Herzen der Crypto-Pokémons vollständig von der Dunkelheit befreit werden.
 

Fazit

Mit dem Kauf von Pokémon Colosseum können Fans eigentlich nicht viel falsch machen. Und auch an Rollenspielen interessierte Strategen, die mit Pokémon bisher noch nichts am Hut hatten, sollten nicht gleich gelangweilt abwinken, vereint der Titel doch recht überzeugend traditionelle RPG-Kost mit mehrspielertauglichen Taktikgeplänkeln. Für ein ausgewachsenes Rollenspiel ist die Handlung des Storymodus zwar viel zu durchsichtig und linear, aber die motivierende Kampfplanung und Charakterpflege trösten gekonnt darüber hinweg. Selbst die eher zweckmäßige Technik gerät durch stimmungsvolle Locations und Animationen schnell in Vergessenheit, während die eigentlich unnötige und von uns mit Punkteabzug geahndete GBA-Pflicht für Mehrspielerduelle wohl nur Nintendos Handheld-Abteilung Freude bereiten dürfte. Na ja, immerhin liegt dem Spiel eine kostenlose Memory Card bei, um den enormen Speicherhunger des Titels zu stillen - ein einziger Spielstand belegt nämlich fast die komplette Speicherkarte...

Pro

60Hz-Modus
einfache Handhabung
Memory Card 59 gratis
gelungene Atmosphäre
flotte Lade- & Speicherzeiten
hübsche Spielwelt & Animationen
motivierende Pokémon-Jagd & -Pflege
individuelle Party- & Charaktergestaltung

Kontra

mäßige Technik
lineare Handlung
nur Stereo-Sound
keine Sprachausgabe
kaum Rätsel/Sidequests
lediglich acht Story-Locations
Mehrspielermodus nur per GBA(s)
keine speicherbaren Kampfaufstellungen

Wertung

GameCube

Simples Monster-Rollenspiel, das nicht nur bei Fans die Sammlerleidenschaft weckt.

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