WWE Day of Reckoning22.09.2004, Mathias Oertel
WWE Day of Reckoning

Im Test:

Die Wrestler der WWE machen sich wie jedes Jahr im Herbst wieder auf, um die Konsolenwelt beben zu lassen. Los geht´s mit der GameCube-Variante WWE Day of Reckoning (ab 29,00€ bei kaufen). Vorrangiges Ziel dürfte dabei sein, das eher durchwachsene Wrestlemania XIX in Vergessenheit geraten zu lassen. Oder ist man vielleicht sogar auf dem Weg, mit Undertaker, Triple H & Co die Referenzen WWF No Mercy und die Smackdown-Serie in Gefahr zu bringen? Die Antwort gibt´s im Test!

Das Phänomen ist wieder da

Über das Fernseh-Phänomen World Wrestling Entertainment zu diskutieren, ist müßig. Entweder man mag die athletischen Schaukämpfe mit Seifenoper-Charakter oder man mag sie nicht.

F-U: John Cena zeigt, dass auch Big Show nicht unbesiegbar ist.
Und wenn man sie mag, fiebert man jedes Jahr dem Herbst entgegen, der eine neue Runde an THQ-Spielen bringt. Und wie schon 2003 ist der GameCube als Erster an der Reihe. Und mit einer Mischung aus Ungewissheit und blankem Entsetzen denkt man an letztes Jahr zurück, als Wrestlemania XIX versuchte, einen Arcade-Ansatz à la Final Fight einzubringen und die eigentlichen Ringkämpfe zumindest für Einzelspieler fast komplett vergaß.

Story inklusive

Mit den Experimenten ist dieses Jahr glücklicherweise wieder Schluss: "Back to the roots" heißt das Motto. Und für die Spieler bedeutet das eine Rückkehr zu bekannten Ringkämpfen, hinter denen dieses Jahr sogar eine Storyline steht, womit spontan eine Erinnerung an das bislang immer noch beste Nintendo-Wrestling WWF No Mercy (N64) wach wird. Gleichzeitig finden sich natürlich auch Parallelen zu den Smackdown-Spielen auf der PS2, in denen auch eine umfangreiche Story zum Einsatz kommt.

Wechselnde Kameraperspektiven sorgen für TV-Atmosphäre.
Mächtiger Editor

Doch bevor man sich an die Story "School of Hard Knocks" machen kann, sollte man sich mit dem äußerst umfangreichen Editor einen eigenen Wrestler erstellen.

Zwar gibt es auch ein paar mitgelieferte Nachwuchs-Kämpfer, doch es macht wesentlich mehr Spaß mit einer eigens erstellten Figur die Karriereleiter zu erklimmen.

Dank der umfangreichen Möglichkeiten, die euch der Baukasten in die Hände gibt, solltet ihr nicht nur schnell und komfortabel den Wrestler eures Vertrauens anfertigen können, sondern auch bekannte Wrestling-Größen nachbauen können.

Denn obwohl der Roster mit 35 Wrestlern plus freispielbaren Legenden wie Bret Hart und Andre the Giant zahlenmäßig passabel besetzt ist, bleibt die Athleten-Auswahl fragwürdig. Wieso z.B. fehlen alle Dudley-Brüder, während Low-Carder wie Garrison Cade und Mark Jindrak auswählbar sind? Doch die großen Namen der WWE wie Triple H, Big Show, Undertaker und Kurt Angle sind selbstverständlich vertreten.

 

No Mercy lässt grüßen

Obwohl zahlreiche Matchtypen und ausreichend Arenen vorhanden sind, bleibt das Salz der Einzelspielersuppe der bereits angesprochene Story-Modus, der sich als Mischung von No Mercy- und Smackdown-Elementen entpuppt: Als Frischling in der WWE müsst ihr euch langsam nach oben arbeiten, bevor ihr beim "Granddaddy of them all" Wrestlemania nach der Titelkrone greifen könnt.

Original-Einmärsche, hoher Wiedererkennungswert, feine Animationen: grafisch ist der Titel gelungen - die spartanischen Menüs und die Zuschauer ausgenommen.

Der Weg dorthin ist mit allem gepflastert, was man von der WWE kennt: Angefangen von Kämpfen gegen weitere Jobber, über die so genannten "Dark Matches", die vor den regulären Veranstaltungen stattfinden, den Einstieg in Sunday Night Heat bis zur Auswahl des Raw- oder Smackdown-Brands bekommen Wrestling-Fans viel geboten.

Und mitten drin gibt es die typischen Seifenoper-Elemente wie Verrat, Bündnisse und Rache. Hin und wieder müsst ihr sogar bestimmte Aufgaben erfüllen, um das Match für euch zu entscheiden. Dies kann das Anwenden eures Finishing Moves sein, der Einsatz unerlaubter Waffen und sogar die Vorgabe, das in einem Tag Team euer Partner den Pin machen muss.

Das alles wird über mit Untertiteln versehene Zwischensequenzen gut inszeniert, hat aber zwei fade Beigeschmäcker. Punkt 1: Außer bei der Wahl des Brands habt ihr keinerlei Auswahlmöglichkeiten und müsst hinnehmen, was euch serviert wird. Punkt 2: Durch die vorgegebene Story-Struktur gibt es nur "Do or Die" - ihr müsst die an euch gestellten Aufgaben erfüllen, ansonsten heißt es "Game Over".

Dadurch wird man ein wenig eingeschränkt, was allerdings nichts daran ändert, dass der Ansatz von Day of Reckoning durchaus seine Vorzüge hat, da sich die Schreiber voll und ganz auf die Geschichte konzentrieren konnten, ohne irgendwelche Eventualitäten seitens des Spielers einkalkulieren zu müssen.

Kontern ist alles

Bei der Steuerung orientiert man sich am letztjährigen Modell, hat dies aber noch verfeinert. Ihr habt auf der einen Taste Schläge und auf der anderen Griffe, wobei die Länge des Drucks über starke und schwache Varianten entscheidet.

So schlecht ist das Spiel doch gar nicht! Auch wenn Kane finster schaut: Day of Reckoning ist der bis dato beste GameCube-Wrestler.
Während die heftigeren Versionen natürlich einen größeren Schaden anrichten, sind sie durch eine längere "Ankündigungsphase" leichter zu blocken und zu kontern.

Und dies ist ein großer Pluspunkt von Day of Reckoning: Mit dem richtigen Timing könnt ihr über die Schulter-Tasten fast jede Aktion blocken oder sogar in einen Gegenangriff umkehren.

Und obwohl man sich mit dem Kontrollsystem größtenteils am No Mercy-Stil orientiert, findet sich auch eine Smackdown-Prise: So z.B. bei den Haltegriffen, die nach Here comes the Pain-Prinzip zu einem kleinen Tauziehen ausarten können, da ihr euch durch schnelles Drücken der A-Taste daraus befreien könnt.

Das integrierte Schadenssystem wurde zwar optisch gut umgesetzt, hat spielerisch allerdings wenig Auswirkungen. Wenn ich z.B. die Beine meines Gegners so weit schwäche, dass er nur noch durch den Ring humpelt, erwarte ich A) dass Halte- und Aufgabegriffe an den Beinen besser funktionieren und B) dass er nicht mehr in der Lage sein sollte, wie der geölte Blitz auf mich zuzulaufen, und mir einen lupenreinen Dropkick ins Gesicht zu drücken.

Während Punkt A bedenkenlos funktioniert, ist von Punkt B nichts zu spüren. Dadurch nimmt sich Day of Reckoning etwas des selbst auferlegten Realitätsanspruches – insofern man bei Wrestling von Realität sprechen kann.

Doch dies ist nur ein kleiner Tropfen auf dem ansonsten brandheiß glühenden Steuerungsstein, der allerdings auch als Anregung für nächstes Jahr verstanden werden will.

 

Mehrspieler-Fehde

Die zahlreichen Match-Typen und –Variationen kommen natürlich vor allem dem Mehrspieler-Modus zugute. Unterstützt von anstandslos funktionierenden Steuerung könnt ihr eure Freunde zu einer ausreichenden Bandbreite an Kämpfen herausfordern: Käfig-Matches, Hell in the Cell, Royal Rumble, Hardcore, Leitermatches usw. stehen auf dem Programm und decken nahezu alles ab, was derzeit in der WWE zu sehen ist.

Weg mit den Klamotten: "Bra&Panties" ist ein neuer Matchtyp auf dem Würfel, dem allerdings zu wenig Divas zur Auswahl stehen.
Neu hinzugekommen ist das Bra&Panties-Match, dass Here comes the Pain-Spieler schon kennen: Ziel in diesem weiblichen Athleten vorbehaltenen Matchtypus ist es, die Gegnerin ihrer Kleidung zu entledigen, damit sie nur noch in der Unterwäsche da steht und somit das Match verliert. Angesichts der verschwindend geringen Auswahl an weiblichen Wrestlern, die nicht einmal die Hälfte aller derzeit in der WWE vertretenen Divas abdeckt, hätte man sich das allerdings auch sparen können – obwohl Bra&Panties ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen ist.

Optisch up-to-date

Grafisch hat Day of Reckoning im Vergleich zu Wrestlemania XIX einen gewaltigen Fortschritt gemacht. Die Wrestler sehen durch die Bank klasse aus und sind deutlich wiederzuerkennen. Auch die Verhaltensweisen beim aufwändigen Marsch zum Ring und ihr Kampfverhalten wurden mit sauberen Animationen eingefangen und dürften bei Fans teilweise für Gänsehaut sorgen.

Die für Wrestling-Spiele typischen Clipping-Fehler, die meist im Zusammenhang mit den Ringseilen auftreten, findet man zwar immer noch, doch ihr Vorkommen wurde auf ein erträgliches Minimum reduziert.

"Word Life": John Cena ist einer der über 30 namhaften Wrestler, die durch Legenden wie Bret Hart ergänzt werden.
Um die TV-Atmosphäre der Kämpfe zu unterstützen, gibt es bei bestimmten Aktionen neue Kameraeinstellungen, die euch ganz dicht ans Geschehen bringen und vom Stil kaum Unterschiede zu den echten Fernsehshows erkennen lassen.

Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, der bei Wrestlingspielen optisch immer wieder für negatives Aufsehen sorgt: die Zuschauer. Zwar gibt es keine üblen Pappkameraden zu vermelden wie seinerzeit beim Negativ-Beispiel Raw auf der Xbox, doch die mit nur wenigen Animationsphasen bewegten Gäste in der prall gefüllten Arena sind wahrlich keine Hingucker.

Doch die Stars finden sich ja sowieso im Ring – und hier gibt es nichts auszusetzen.

Keinerlei Sprachausgabe

Dass man auf dem GameCube angesichts des vergleichsweise geringen Speicherplatzes auf der Disc nur selten Sprachausgabe in Spielen findet, ist man gewohnt. Doch dass die Sprachausgabe in Day of Reckoning auf den "1-2-3"-Counter beim Pin beschränkt wurde, ist etwas zu wenig. Ich verlange ja nicht, dass die umfangreiche Story mit den Originalsprechern vertont wird – obwohl dies sicherlich für eine gigantische Atmosphäre gesorgt hätte.

Doch wenigstens bei den Einmärschen hätte man einen Ringsprecher einbauen können.

Akustisch gibt es natürlich die Originalmusiken der Wrestler auf dem Weg zum Ring. Und während der Kämpfe bekommt ihr eine stattliche Auswahl an lizenzierten Tracks von z.B. Anthrax und Our Lady Peace zu hören. Wem die brachiale, aber optimal passende Musik auf die Ohren gehen sollte, kann diese natürlich ausschalten und sich auf die gut eingesetzten und sauberen Kampfgeräusche konzentrieren. 

Fazit

Das Gute vorweg: Day of Reckoning ist der derzeit beste GameCube-Wrestler. Die spielerische Mischung aus WWF No Mercy und der Smackdown-Serie geht weitestgehend auf, die Steuerung stimmt und der mächtige Editor sucht auf dem Würfel seinesgleichen. Doch auch wenn man sich bestimmter Elemente der o.g. Titel bedient, bleibt man etwas inkonsequent. Wieso z.B. habe ich außer der Entscheidung für Raw oder Smackdown anzutreten, keinerlei Einfluss auf die Storylines? Wieso gibt es ein Bra&Panties-Match, wenn nicht einmal alle in der WWE vertretenen Divas Einzug halten? Und wer hat den Roster für das Spiel zusammen gestellt? Wrestler wie Mark Jindrak oder Val Venis, die derzeit im Fernsehen vielleicht mal in WWE Heat auftauchen, sind vertreten, während die gesamte Dudley-Bruderschaft außen vor blieb. Dafür jedoch laden eine Hand voll Legenden (allen voran Bret Hart und Andre the Giant) zum knackigen Schlagabtausch. Unter dem Strich ein gewaltiger Fortschritt zum letzten Jahr, der allerdings noch viel Spielraum nach oben lässt, um die Vormachtstellungen von sowohl No Mercy als auch den Smackdown-Spielen in der nächsten Auflage in Bedrängnis zu bringen. Für Mehrspieler-Prügeleien allerdings definitiv eine Kaufempfehlung.

Pro

<P>
über 30 Athleten
Legenden (z.B. Bret Hart, Andre the Giant)
gute Steuerung
schönes Konter-System
aufwändig gestaltete Wrestler
gute Musikuntermalung
Karriere-Modus
mächtiger Editor
ansprechende Auswahl an Match-Typen
fordernde KI
feiner Mehrspieler-Prügler</P>

Kontra

fragwürdige Roster-Zusammenstellung
Karriere-Modus linear und ohne Auswahlmöglichkeiten
keinerlei Sprachausgabe
spartanisch gestaltete Zuschauer
minimalistische Menüs

Wertung

GameCube

Klasse Kontrollsystem, coole Grafik - der bis dato beste GameCube-Wrestler!

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