Need for Speed: Underground 230.11.2004, Mathias Oertel
Need for Speed: Underground 2

Im Test:

Wenn es um Tuning-Racer geht, hat EAs Need for Speed Underground 2 dieses Jahr scheinbar leichtes Spiel: Alle nennenswerten Mitbewerber erscheinen erst nächstes Jahr. Doch kann der Proll-Simulator spielerisch überzeugen und den Vorgänger in den Schatten stellen? Oder ruht sich EA auf den Lorbeeren des meistverkauften Titels des letzten Jahres aus und kredenzt nur ein laues Update?

Update-Gespenst?

Eigentlich hätte man es sich bei der Entwicklungsabteilung von EA gemütlich machen können: Eine überarbeitete Engine, hier und da vielleicht ein neues Auto, evtl. erweiterte Optionen und schon wäre der zweite Teil von NfS Underground fertig.

Willkommen in Bayview - der Traumstadt der Fahrzeugtuner!
Doch anstatt sich auf Altbekanntes zu stürzen, hat man sich entschlossen, das Rennspielepos, das letztes Jahres Tausende von Spielern begeistern konnte, massiv zu erweitern.

Das soll jedoch nicht heißen, dass man kaum noch Elemente aus NfSU findet. Die bekannten Renntypen (Drift, Sprint, Rundkurs, Drag) sind genau so enthalten wie die nahezu unendlichen Möglichkeiten, seine Rennsemmel im Tuningshop mit allem möglichen Schnickschnack auszustatten und in der Lackiererei bzw. dem Aufkleber-Shop optisch bis zum geht nicht mehr zu verschönern.

Doch zusätzlich zu den neuen Rennmechanismen Street X (Rennen auf extrem kleinen Kursen mit Kart-Charakter), URL (Underground Racing League auf abgesperrten Rundkursen) und Outrun (Verfolgungsjagden im Toyko Highway Battle-Stil) spendierte man dem Spieler eine in fünf Abschnitte unterteilte Stadt, in der er sich frei bewegen und austoben darf.

Zum einen fällt dadurch die starre Menüführung des Vorgängers weg und zum anderen bedient man sich mit der neu gewonnenen Freiheit bei einem Prinzip, das nicht zuletzt Spiele wie Midnight Club oder die GTA-Serie zu Hits gemacht hat: Es macht einfach wesentlich mehr Spaß, durch die Stadt Bayview zu fahren, dabei kleinere Geheimnisse, geheime Wettbewerbe, die Startpunkte der verschiedenen Rennen und evtl. Shops zu entdecken, in denen man seinen Wagen aufrüsten kann als einem weitestgehend linearen Weg zu folgen, bei dem ihr euch durch Menüs klickt.

Welchen Weg wählt ihr? Bayview bietet euch viel Freiheit, die das starre Korsett des Vorgängers ersetzt.
Neue Rennen, neuer Spielspaß?

Auch wenn die drei neuen Renntypen nicht gerade üppig erscheinen, machen sie durch die Bank Spaß und stellen eine sinnvolle Ergänzung der aus Teil 1 übernommenen Modi dar.

Das Street X könnte man dabei als ein Drift-Rennen ohne Drift beschreiben: Die Kurse sind klein, extrem eng und wer hier im Duell gegen die mitfahrenden CPU-Gegner einen Fehler macht, wird Schwierigkeiten haben, diesen auszubügeln.

In der Underground Racing League (URL) hingegen finden die Rundkurs-Rennen nicht auf den Straßen Bayviews statt, sondern auf speziell abgesperrten Rundkursen, auf denen euch kein Gegenverkehr begegnen wird. Und auch hier heißt es: Um gewinnen zu können, müsst ihr Kurs und Material voll und ganz im Griff haben.

  

Der interessanteste der neuen Spielmodi ist jedoch das Outrun-Duell: Auf der übersichtlichen Karte zeigen euch Symbole die Position weiterer Underground-Fahrer an, die in Bayview herumkurven. Seid ihr in unmittelbarer Nähe, könnt ihr diese nun zu einem kleinen Duell herausfordern, bei dem es nur um eines geht: Zwischen euch und den Gegner 300 Meter Abstand zu bringen.

Die Wettbewerbe der URL finden auf abgegrenzten Rundkursen ohne Gegenverkehr statt.
Das hört sich nicht nach all zu viel an, doch gerade die Outrun-Duelle sind es, die extrem Zeit kosten können. Fern jeglicher Streckenvorgabe könnt ihr den Weg selber wählen. Doch zuerst einmal müsst ihr am Kontrahenten vorbei ziehen. Was sich nicht immer als einfach erweist, da die KI versucht, die Kreuzungen zu ihrem Vorteil zu nutzen und euch quasi "ins Leere" fahren zu lassen.

Untergrund oder Hollywood-Kulisse?

Zwar gibt es in der Stadt viel zu entdecken (meist kleine Geldbündel, die immer gern gesehen werden oder versteckte Shops) und natürlich begegnet euch bei den Rennen auf der Straße auch der berühmt-berüchtigte Verkehr, doch auch die auf Hochglanz getrimmte Kulisse kann nicht verheimlichen, dass die Stadt etwas leblos ist. Keinerlei Passanten sind weit und breit zu finden und auch wenn die Rennen nachts stattfinden, sind unbeteiligte Verkehrsteilnehmer selbst auf maximaler Verkehrsdichte dünn gesät.

Zusätzlich stört, dass die Startpunkte der verschiedenen Wettbewerbe zufällig verteilt scheinen. Denn häufig hat der Ausgangsort wenig mit dem eigentlichen Veranstaltungsort gemein. Doch dies ist nur ein kleiner Tropfen, der für den Spielablauf relativ unerheblich.

Da man in der Stadt mit ihren fünf unterschiedlichen Themenbereichen Coal Harbor, City Core, Beacon Hill, Jackson Heights und Flughafen (wenngleich viele Bezirke erst später freigeschaltet werden) schnell die Übersicht und evtl. auch den kürzesten Weg zum angepeilten Ziel verlieren kann, wurde zur vereinfachten Navigation ein GPS eingebaut, das euch bei Bedarf dorthin lotst.

NfSU2 ist in nahezu jeder Hinsicht eine sinnvolle Verbesserung des Vorgängers.
Dies ist zwar nur ein kleines Detail, doch die Umsetzung ist so gut gelungen, wie in bislang keinem anderen Rennspiel: Selbst die kleinste Seitenstraße wird vom Pfeil genau erfasst und der zeitliche Spielraum vor dem entscheidenden Abbiegen ist perfekt gesetzt, so dass das Rasen durch die Stadt so komfortabel wie nur möglich vonstatten geht.

Tuning mit Effekt

Ein großer Reiz des Vorgängers lag natürlich im Tuning der Fahrzeuge, ganz gleich ob Innereien oder Lackierung. Dies könnt ihr bei NFSU 2 natürlich weiterhin, müsst allerdings erst zum entsprechenden Shop fahren, um dort euer schwer verdientes Geld auszugeben.

Mankos in Teil 1 waren allerdings, dass es im Endeffekt egal war, welches der zahlreichen Ersatzteile ihr einbaut und dass trotz aller Modifikationen keine genauen Einstellmöglichkeiten zur Verfügung standen.

Der erste Punkt krankt auch dieses Jahr noch etwas: Ihr habt zwar wieder eine weitreichende Auswahl an Performance steigernden Teilen, doch ob ihr das Getriebe von Anbieter A oder das von Anbieter B oder C einbaut, ist weitestgehend gleichgültig.

Angehende Fahrzeugmechaniker haben jedoch nun die Möglichkeit, mit allerlei Einstellmöglichkeiten, die Leistung des Wagens an ihren Fahrstil anzupassen. Dabei erreicht man zwar nicht den Umfang, den man aus Spielen wie Gran Turismo 3 kennt, doch für einen Arcade-Racer (und das ist NFSU2 im Kern) tun sich hier neue Welten auf.

    

Der Clou: Ihr könnt euren PS-Protz für jeden der Renntypen separat einstellen. Aber seid beruhigt: Selbst wenn ihr keinen Bock auf die Feineinstellung habt, könnt ihr die CPU-Fahrer jederzeit in die Schranken weisen – entsprechende Beherrschung des Fahrzeuges vorausgesetzt. Und dies ist ein Zeichen für eine durch und durch gelungene Spielbalance, die Need for Speed Underground 2 zusammen mit der punktgenauen Steuerung auf allen Systemen (am PC: Tastatur, Pad und Lenkrad, alle anderen natürlich per Pad) sowohl für Anfänger als auch für alte Hasen interessant macht.

Die Outrun-Rennen finden ihre Inspiration bei der Tokyo Highway Battle-Serie!
Der Multiplayer-Untergrund

Wem neben oder nach der umfangreichen Einzelspieler-Kampagne, die gut und gerne 40 bis 50 Stunden eurer Zeit in Anspruch nehmen dürfte, nach Mehrspieler-Auseinandersetzungen dürstet, hat natürlich die Gelegenheit dazu: SplitScreen-Duelle sind dabei den Konsolenfassungen vorbehalten, wobei diese altbekannte, aber dennoch gute Unterhaltung bieten. Mehr Spaß verspricht und hält der Online-Modus, der den PC-, Xbox und PS2-Usern offen steht und an dem bis zu sechs Spieler teilnehmen können. Einfach zu konfigurieren und mit Statistiken angereichert zieht ein Rennen das nächste nach sich, wobei die Duelle mit eigens für die Online-Schlachten getunten und lackierten Fahrzeugen natürlich am meisten Reiz versprechen.

Ein Schritt zurück, zwei Schritte vor

Grafisch zeigt sich NfSU2 auf den ersten Blick gar nicht so pompös wie der Vorgänger – was größtenteils daran liegt, dass die Effekte der Umgebungsgrafik ein wenig zurück geschraubt wurden. Doch was anfänglich wie ein Rückschritt scheint, kommt dem Gesamteindruck zugute: Denn zum einen rücken dadurch die Fahrzeuge als Hauptdarsteller in den Vordergrund und zum anderen bietet sich ein insgesamt homogeneres und realistischeres Bild als bei Teil 1.

Zusätzlich haben die Entwickler endlich daran gedacht, eine Wiederholung einzubauen, in der man sich an allen gelungenen und missglückten Manövern ergötzen kann.

Neben optischen Verschönerungen wie Neonröhren dürft ihr bei Bedarf auch an den technischen Einstellungen feilen.
Um euch durch die dünne Story (wofür braucht ein Rennspiel eine Geschichte?) zu führen, hat sich EA entschieden, kleine Comics einzublenden, die durch Sprachausgabe ergänzt werden. Ebenfalls ein netter Touch, um sich von der sterilen Menüführung und den zu kurz gekommenen CG-Videos des Vorgängers abzuheben.

Versionsunterschiede

Wie man es nicht anders erwarten konnte, sind innerhalb der verschiedenen Systeme starke optische Unterschiede festzustellen. Ganz vorne liegt natürlich der PC, der mit entsprechender Hardware (empfohlen: mind 1 GHz, 256 MB RAM; optimal: mind. 2,4 GHz, 512 MB RAM, ATI Radeon oder gleichwertig) ausgerüstet, ein Grafikfeuerwerk sondergleichen abfackelt: Auf Hochglanz getrimmte Fahrzeuge, aufwändige Umgebungstexturen innerhalb der fünf unterschiedlichen Themenbereiche, sparsam aber effektiv eingesetzte Spezialeffekte und eine stets zufrieden stellende Spielgeschwindigkeit sorgen schnell für einen erhöhten Adrenalinspiegel.

Echtes Environment-Mapping (Umgebung wird in Echtzeit gespiegelt) lohnt sich zwar erst auf absoluten Highend-Rechnern, doch das Cube-Mapping (projezierte Texturen), das auf "minder bemittelten" Systemen zum Einsatz kommt, kann sich ebenfalls sehen lassen.

  

Auf der Xbox hingegen, die erwartungsgemäß an erster Stelle der Konsolenversionen liegt, gibt es echtes Environment-Mapping, doch dafür liegen die Umgebungstexturen deutlich hinter der PC-Fassung zurück. Doch alles in allem kann die Grafik auf der Microsoft-Konsole mit einer guten und beständigen Geschwindigkeit und einem breiten Spektrum an zielsicher eingesetzten Spezialeffekten den 1.Platz der Sofa-Systeme einnehmen.

Dicht dahinter liegt die PS2-Version, die zwar mit Geschwindigkeit und einer ähnlichen Detailfreude wie die Xbox-Variante, aber auch sporadischen Rucklern auf sich aufmerksam macht. Zusätzlich sorgen die Spiegelungen auf den Autos für Sorgenfalten. Denn was sich anfangs als optisch eindrucksvolles Cube-Mapping ins Auge mogeln will, ist mit einigen Fehlern versehen und stellt sich bei genauer Betrachtung als die gleiche Umgebungsspiegelung heraus, die auch auf der Fahrbahn zu finden ist. Der Fake fällt aber nur dann gravierend auf, wenn man bemerkt, dass sich die Lichter in der Spiegelung nach vorne bewegen, anstatt über den Wagen hinweg zu ziehen.

Bayview sieht klasse aus, bietet aber kaum Leben - Passanten gibt es überhaupt keine und selbst das maximale Verkehrsaufkommen ist nicht üppig.
Und leider, leider muss der GameCube mit dem ungeliebten vierten Platz vorlieb nehmen. Im Vergleich zu den anderen Konsolen ist der Würfel mit dem Nintendo-typischen Weichzeichner, vollkommen fehlenden Spiegelungen, blassen Texturen und einer erhöhten Ruckel-Anfälligkeit gestraft. Und da die Optik bei einem Rennspiel wie NfS Underground 2 eine gewichtige Rolle spielt, muss der Cube "nur" mit dem Gold-Award vorlieb nehmen.

Alle Konsolensysteme könnten allerdings Anti-Aliasing vertragen, wobei mir persönlich ein gutes Geschwindigkeitsgefühl wichtiger ist als leichte Treppchen hier und da, die beim Würfel allerdings stärker ins Auge fallen als bei Xbox oder PS2.

Röhrender Sound

Mit 27 Tracks (u.a. von Xzibit, Snoop Dogg und Killing Joke) werdet ihr während der Rennen mit angemessener Musik versorgt. Für Xbox-Spieler, die aus Spielen wie PGR 2 gewöhnt sind, zu eigens angelegten Soundtracks zu fahren, gibt es hier allerdings keine Option.

Aber angesichts der grandiosen Motorengeräusche, dem Quietschen von Reifen und den brachialen Kollisions-Samples (die leider immer noch nicht in einem optischen Schadensmodell umgesetzt werden) sowie der gelungenen Lokalisierung sieht man darüber gern hinweg und setzt sich nach einem kurzen Moment der Enttäuschung wieder ans Lenkrad, um die Konkurrenz Staub schlucken zu lassen.   

Fazit

NfS Underground 2 macht da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat – und setzt noch eins drauf. Und das bedeutet für euch spannende Rennen in diversen Variationen, ein enorm großes Stadtgebiet zum Erforschen, feine Grafik (die auf GameCube und PS2 hin und wieder stottert) sowie die Möglichkeit, seinen Wagen optisch zu tunen und technisch aufzumotzen und Feineinstellungen vorzunehmen. Die sehr gute Steuerung tut ihr Übriges, um den Racer auch dieses Jahr auf Platinniveau zu hieven. Selbst kleinere Mankos wie die unbelebten Stadtteile und die scheinbar wahllos verteilten Rennstartpunkte können den Spielspaß nicht großartig in Gefahr bringen. Wer häufiger online zu heißen Rennen antreten will, sollte allerdings einen Bogen um die GameCube-Fassung machen, die als einzige keinen Modus über Internet anbietet und grafisch zwar immer noch sehr gut, aber in der NFSU2-Familie deutliches Schlusslicht ist. Doch auf allen anderen Systemen könnt ihr sicher sein, dass ihr eines der besten Rennspiele dieses Jahres ins Laufwerk packt, das zudem der nächstes Jahr erscheinenden Konkurrenz wie Midnight Club Dub Edition und Juiced bereits jetzt den Fehdehandschuh ins Gesicht knallt.


Need for Speed Underground 2 ist zweifelsohne ein genialer Arcade-Racer, der deutlich mehr Flair bietet als der Vorgänger. Es ist unglaublich, wie motivierend die Jagd nach mehr Geld und Ansehen ist, nur um sein kleines Prunkstück noch einen Tick cooler zu tunen. Während ihr beim ersten Teil quasi ein Rennen nach dem anderen gefahren und zwischendurch die Karre tiefer gelegt habt, müsst ihr jetzt alles in der Stadt selber machen: Rennen aussuchen, Konkurrenten finden, Belohnungen abholen, zu den Tuning-Läden fahren - und nebenbei gibt`s noch jede Mange zu erkunden. Da diesmal die gesamte Stadt befahrbar ist, präsentiert sich die Welt wesentlich homogener und wirkt wie aus einem edlen Guss. Die Engine protzt mit tollen Lichteffekten, imposanten Spiegelungen und klasse Auto-Modellen. Wenn euch der erste Teil gefallen hat und ihr nicht unbedingt auf realistisch genaue Fahrmodelle steht, dann ist Need for Speed Underground 2 ein Pflichtkauf!

Pro

punktgenaue Steuerung
abwechslungsreiche Rennwettbewerbe
schöne Umgebungen
feines Fahrzeugdesign
Tuning
zahlreiche Ausstattungsmöglichkeiten
neue Renntypen: URL, Outrun, Street X
Online-Rennen (PC, PS2, Xbox)
feine Akustik
stimmungsvoller Comic-Stil in den Zwischensequenzen
viel zu entdecken
vorbildliches GPS-Zielanzeige-System
Bewegungsfreiheit

Kontra

Wettbewerbe scheinbar zufällig verteilt
keine eigenen Soundtracks möglich (Xbox)
Bildratenprobleme (PS2, GameCube)
unbelebte Stadt
immer noch kein Schadensmodell
schwache Texturen (GameCube)

Wertung

PlayStation2

GameCube

XBox

PC

Freiheit, sinnvolles Tuning und schöne Grafik - Rennspielherz, was willst du mehr?

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