Odama10.04.2006, Jörg Luibl
Odama

Im Test:

Es gibt Spiele, die sind so abgefahren, dass man gleichzeitig den Kopf schütteln und neugierig zum Controller greifen muss: Odama (ab 38,53€ bei kaufen) gehört z.B. dazu. Das japanische Team von Vivarium vermischt tatsächlich das Prinzip altehrwürdiger Flipperautomaten mit moderner Echtzeit-Strategie und Sprachbefehlen. Klingt innovativ und bizarr? Ist es auch. Aber manchmal wird der Spielspaß gerade von diesen beiden Gütesiegeln fast zermalmt.

Die Kugel rollt

Game Over. Schon wieder. Und eine japanische Stimme lacht mich höhnisch aus. Oder empfiehlt mir aufzuhören. Das tut weh. Ich hab`s schon wieder nicht geschafft. Meine Aufgabe besteht darin, eine heilige Glocke samt ihrer muskelbepackten Träger von der Unterseite eines Flippers zur Oberseite zu geleiten. Es geht um Raumgewinn wie im Football. Aber hier quer durch die feindlichen Reihen, die mit Türmen, Bogenschützen und Kriegern gespickt sind. Dazwischen liegen auch noch reißende Flüsse, Wälle und Gräben. Der Flipper ist quasi eine bewegliche Landschaft inklusive diverser Targets und Bumper. Am oberen Ende wartet das Tor, das ich bisher nicht erreichen konnte.

Die Glocke ist fast im Ziel: Jetzt vorwärts stürmen! Leider sieht Odama im Zoom einfach hässlich aus.
Egal. Mann oder Memme? Und überhaupt: Wer hat sich gerade in der Kolumne Das Klick & Blöd-System über die Leichtigkeit der Spiele aufgeregt? Eben: ich. Also lass ich nicht locker. Ich muss Platz für die Glockenträger schaffen: Diesmal werde ich die verdammte Kugel so über das Schlachtfeld peitschen, dass sie Türme und Speerträger zermalmt! Da kommt sie herunter gerollt, jetzt ganz ruhig abwarten, die Landschaft ein wenig nach links kippen - wunderbar: Die Kugel des Todes bekommt einen Drall und liegt gleich genau da, wo ich sie haben will, im sicheren Winkel des rechten Flippers. Von oben höre ich die Schlachtrufe der Feinde. Lanzenträger, Samurais, rote Fahnen - alles dabei, was im fernöstlichen Japan eine Armee auszeichnete. Sie sammelt sich für den Sturm auf mein Zentrum.

Schleusen & Schlüssel

Story? Mittelalter. Feudalkriege. Rache. Ist ohnehin unwichtig. Interessant für militante Würfelfans ist nur die im Intro propagierte Philosophie des "Ninten-do": der himmlische Weg. Wichtig ist hier aber nur: Ich bin der Meister über die runde Odama - oder bilde es mir jedenfalls ein, denn ich spiele das verflixte Level gerade zum sechsten Mal. Ich will einfach diesen Sieg: Die gegnerischen Reiter formieren sich zur Attacke. Animierte Strichmännchen, die im Zoom potthässlich aussehen, aber sie sind gefährlich. Ich lass die Kugel jetzt langsam runter, sie rollt gefährlich auf das Game Over-Loch zu…aber mein rechter Flipper schnellt im richtigen Moment nach oben, die Todeskugel nimmt Fahrt auf und kollidiert frontal mit der feindlichen Kavallerie - hurra! Die zermalmten Reiter purzeln erst in die Luft und dann auf mein Punktekonto. Meine Truppen jubeln, ihre Moral steigt!

Was ist das denn? Die Kugel rollt weiter und trifft die Schleuse - Wasser sprudelt heraus, spült meine eigenen Truppen weg. Mist, verdammter! Jetzt meckern die Überlebenden auch noch rum. Als Feldherr will ich ja planen, aber ein Flipper ist nun mal auch Chaos. Beides wird hier gemischt und es entsteht ein zerstörerischer Cocktail aus Unberechenbarkeit. Die Hälfte meiner Armee geht baden und ich muss noch die Leiter am linken Spielfeldrand erreichen. Also schnell das Markierungssymbol dorthin bewegen und dann "Sammeln!" ins Mikro zischen: sofort setzen sich meine Truppen in Bewegung - sehr aufmerksam. Die Spracherkennung funktioniert über weite Strecken sehr gut. Ihr solltet das Mikro allerdings an der mitgelieferten Befestigung montieren, denn ihr müsst nebenbei auch das Gamepad nutzen.

Chaos kontra Planung

Zurück zur Leiter: Die Jungs sind da, schleppen sie zum Hügel und warten auf weitere Befehle. Okay: Stürmen! Das war genau richtig: Mit Hurrarufen setzen sie sich in Marsch und erreichen tatsächlich das andere Tor. Endlich. Es ist geschafft. Der nächste Level ruft. Von diesen akustisch eingeleiteten Manövern gibt es jede Menge: Ihr könnt eure Truppen gezielt nach rechts oder links, nach hinten oder vorne, an einen Punkt oder zum Sturmangriff abordnen. Und falls ihr deutlich mehr Truppen als der Gegner habt, lassen sich diese auch umzingeln - sehr schön.

Das sind mehr Manöver als in so manchem ausgewachsenen Echtzeit-Strategiespiel. Trotzdem dauert es sehr lange, bis man auch nur ansatzweise die Skills und die Übersicht entwickelt hat, um aus diesen Befehlen Profit zu ziehen. Und es herrscht

Ein Flipper für Feldherren: Passt nur auf, dass die Kugel nicht eure eigenen Männer zermalmt. Bewegte Bilder findet ihr bei der Kompaktinfo!
oftmals ein heilloses Durcheinander: Immerhin muss man gleichzeitig das Schlachtfeld neigen, die Moral der Jungs beobachten, die nach jedem Verlust fällt, eventuell Reis über das Auswurfloch ins Gelände schleudern, um die Feinde abzulenken, die Kugel dabei nicht aus den Augen verlieren, Krieger über den Z-Button ins Feld schicken, Reiter über den A-Button das Vorfeld sichern lassen, die Flüsse überwachen, Schleusen schließen, Schlüssel bergen, Tore öffnen.

Es gibt zwar auch Herzen, die eure Truppen heilen oder Power-Ups, die die Kugel in einen giftig grünen Temporausch versetzen, so dass sie eure Männer nicht verletzt. Aber diesen positiven stehen ebenso viele negative Effekte gegenüber. All das kann den Kopf schnell zum Rauchen bringen. Vor allem, weil jeder noch so schöne Linksschwenk der Truppen und danach vorgesehene Sturmangriff plötzlich von der eigenen Kugel vernichtet wird. Dann ist es mal wieder aus. Ende Gelände und es geht von vorne los. Feldherren werden fluchen. Planer werden fluchen. Taktiker werden fluchen. Vor allem, weil euch Odama schon in den ersten Schlachten mit viel zu vielen Möglichkeiten konfrontiert und der Schwierigkeitsgrad sofort hart und gnadenlos zuschlägt. Dann die Lache des japanischen Tutors: Er macht euch fertig, empfiehlt euch aufzugeben. Ihr müsst Nerven bewahren, Spaß an der Herausforderung haben. Vielleicht hätte eine sanftere Lernkurve sowie der Einstieg mit etwas weniger üppigen Karten geholfen, dieses Frustpotenzial einzudämmen.

    

Fazit

Odama ist bizarr, gnadenlos und chaotisch. Ihr werdet fluchen, schreien und das Mikro würgen. Wer sich entspannen will, sollte einen großen Bogen drum machen. Wer Echtzeit-Strategie mit gewiefter Planung liebt, sollte einen großen Bogen drum machen. Und wer Chaos und Multitasking hasst, wird den Würfel schon nach zwei Schlachten in seine Einzelteile zerlegen. Aber: Es hat dieses gewisse Etwas. Z.B. diesen hämischen Humor. Und es serviert euch ein neuartiges Spiel-Erlebnis, das trotz aller hektischen Unberechenbarkeit ein gutes Timing, taktische Übersicht sowie Nervenstärke von euch verlangt. Schade, dass der Zufall trotzdem so schnell alles zunichte machen kann. Deshalb ist es ein Spiel für harte Nie-Aufgeber. Wer höhnisches Lachen und ein plötzliches Game Over als Herausforderung begreift und bockschwere Flipper liebt, wird sich auch hier durchbeißen. Odama ist keine Augenweide, kein Pflichttitel und wird den GameCube nicht mehr aus seinem Grab holen. Aber es ist in seiner Einzigartigkeit einen Blick wert.

Pro

neues Spielerlebnis
gut funktionierendes Mikro
viele sinnvolle Sprachmanöver
coole Power-Ups
abwechslunsgreiche Aufgaben
Fluten & Explosionen
Moral spielt eine Rolle
Nachschub & Ausfallattacken
bizarrer Humor, hämische Kommentare

Kontra

tödlich für Einsteiger
hässliche Animationen
einige böse Clippingfehler
keine sanfte Lernkurve
teils unübersichtliches Chaos
kein Mehrspieler-Modus
bockschwer & zufallsabhängig

Wertung

GameCube

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