Toukiden 205.04.2017, Benjamin Schmädig

Im Test: Endlich frei!

Mehr ist selten besser – weiter allerdings schon! Zumindest im Fall von Toukiden 2 (ab 23,00€ bei kaufen). Seit Jahren hatte ich mir erhofft, dass Monster Hunter oder ein Nachahmer irgendwann jene technische Altlast abschüttelt, dank der winzige Areale und Ladepausen eine frei begehbare, offene Welt ersetzen. Und dem zweiten Toukiden gelingt das endlich. Bleibt für den Test die Frage: Wird es dadurch auch zu einem guten Spiel?

Endlich „echt“!

Es tut so unglaublich gut! Anstatt durch vielleicht 300 mal 70 Meter breite Levelbruchstücke zu latschen und stets zu überlegen, welcher Ausgang zu welchem „Nebenraum“ führt, laufe, renne und sprinte ich durch eine Welt, in der ich in die Ferne sehe, zwischen etlichen verschiedenen Wegen wähle und mächtige Dämonen angreife oder einen großen Bogen um sie mache. Damit fühlt sich diese Dämonenjagd endlich wie ein modernes Action-Rollenspiel an.

Immerhin trifft man als Slayer auch Personen, also Auftraggeber, die in Not geraten sind oder anderweitig Hilfe benötigen, und nimmt an Joint Operations teil. Das sind Kämpfe gegen Dämonen, in die Abbilder der Charaktere anderer Spieler verwickelt sind. Im Anschluss an das Scharmützel schließt sich diese Figur einige Zeit lang der

Wie in den Vorgängern sind verschiedene Zeitalter in einer Welt vereint.
eigenen Gruppe an (man ist immer mit bis zu drei vom Spiel gesteuerten Begleitern unterwegs) – eine eigenwillige, aber durchaus interessante Form der Onlineanbindung.

Eine Prise Final Fantasy, ein Schuss Destiny

Strukturell kann man die offene Welt in Toukiden 2 am ehesten mit der eines Destiny vergleichen: Eine schier grenzenlose Weite wie im aktuellen Zelda erkundet man nicht und fast jede Gegnergruppe und nahezu alle großen Dämonen tauchen kurz nach ihrem Tod am selben Fleck schon wieder auf. Meist läuft man zudem durch weite Schläuche, nicht über endlose Ebenen oder Plateaus.

Die Vita stößt mit der vorhandenen Weite allerdings ganz deutlich an ihre Grenzen, denn zum einen fehlen der Kulisse im Vergleich zur PlayStation-4-Version zahlreiche grafische Details: Gräser und Büsche gibt es praktisch keine, während verwaschene Texturen und etliche harte Kanten das stellenweise recht hässliche Bild bestimmen. Zum anderen tauchen manche Objekte ausgesprochen spät auf und die Bildrate liegt deutlich unter der flüssigen Darstellung auf PS4. Das alles raubt dem Handheld-Abenteuer einen großen Teil der Atmosphäre, während aber auch die Konsolenfassung bestenfalls an ein etwas schärfer gestelltes Spiel der vergangenen Generation erinnert.

Mit Ecken und Kanten

Dem ersten Ausflug in die offene Welt kann ich einige der technischen Schwächen ja durchaus nachsehen. Das ermöglicht es immerhin, dass sich Vita- und PS4-Spieler an denselben Schauplätzen treffen: Sie teilen sich ja nicht nur die Joint Operations, sondern finden auch im Onlinespiel für bis zu vier Teilnehmer zusammen. In diesem erkunden sie allerdings nicht die offene Welt, sondern bekämpfen in abgesteckten Gebieten mit unüberwindbaren Grenzen kleine und große Dämonen, was ein ärgerlicher Dämpfer ist, der vermutlich den Anforderungen ans Handheldspiel geschuldet ist. Deshalb und aufgrund der grafischen Einschränkungen hoffe ich sehr, dass das nächste Toukiden zumindest auf der Konsole ein eigenständiges, größeres, technisch aufwändigeres Abenteuer wird.

Maschinen gegen Dämonen

Das aktuelle Toukiden erinnert auch deshalb an ein modernes Rollenspiel, weil es eine überraschend unterhaltsame und angenehm straffe Geschichte erzählt. Die erinnert nämlich weniger an ein notwendiges Übel, das nur deshalb Textfenster spammt, um sich von Monster Hunter abzusetzen. Ihre Akteure verhalten sich weniger albern und die Ereignisse handeln nicht nur von den in unsere Welt eingefallenen Oni, sondern auch den misstrauisch beäugten Möglichkeiten der Machina, einer alten Technologie.

Natürlich darf man diese Handlung über weite Strecken ignorieren, zahlreiche Jagd- und manche Sammelaufträge erledigen, Waffen und Ausrüstung verbessern oder einfach nur so nach Lust und Laune das heimatliche Dorf verlassen, wobei es für manche Aufträge einen Unterschied macht, ob gerade Tag oder Nacht herrscht. Verständlich

Auf Vita wirken die Kulissen kahl, stellenweise sogar hässlich. Die Grafik wurde nicht gut an die Möglichkeiten des Handhelds angepasst.
außerdem, dass die Geschichte einmal mehr nur auf Japanisch erzählt wird. Ärgerlich aber, dass es noch immer nur englische Untertitel gibt und dass viele für das Verständnis unwesentliche Kommentare der Begleiter nicht einmal textlich übersetzt wurden.

Damit Dämonen der Fuß schmerzt

Dass die Machina ihren Weg ins Abenteuer fand, hat selbstverständlich auch einen spielerischen Zweck, immerhin nutzen Slayer jetzt eine so genannte Dämonenhand, mit der sie bestimmte Objekte greifen. So ziehen sie sich an Vorsprüngen empor, überwinden über Ankerpunkte schnell längere Abschnitte und ziehen sich auf die gleiche Weise an Dämonen heran, was den Gefechten eine frische Dynamik verleiht. Ist die entsprechende Fähigkeit aufgeladen, entreißen sie großen Dämonen sogar ganze Körperteile.

Am eigentlichen Kampf hat sich ja wenig verändert und auch wenn einige neue Oni die Welt unsicher machen, erkennen erfahrene Slayer viele Gegnertypen wieder. Die großen von ihnen weisen erneut nicht nur besonders verletzliche Schwachstellen auf, man kann wie gehabt auch ihre nachwachsenden Klauen, Hörner oder Scheren abschlagen, um die Gegner zu schwächen und wertvolle Materialien zu erhalten. Was auf Vita vor einigen Jahren eindrucksvolle Bosskämpfe waren, wirkt dabei im nur leicht schöneren PS4-Abenteuer inzwischen weniger imposant. Taktisch fordernd und spannend sind die Gefechte aber nach wie vor!

Knüppel oder Peitsche?

Taktisch sind sie u.a. deshalb, weil man sehr unterschiedliche Waffen nutzt, vom normalen Schwert über Naginatas, Pfeil und Bogen sowie Keulen bis hin zu Gewehren und neuerdings auch Kettenpeitschen. Ich habe diesmal hauptsächlich mit einem Gewehr geschossen – mich aber schon wieder über manche Tastenbelegung gewundert, die mich beim Werfen einer Granate z.B. dazu zwingt, mit dem Digikreuz zu zielen, weil ich zum Auslösen der Aktion zwei Tasten über dem rechten Analogstick gedrückt halten muss. Umso befriedigender ist als Nahkämpfer dafür, sich mit der Dämonenhand an einen Gegner heranzuziehen, um anschließend noch in der Luft

Vor allem spielerisch sind die Kämpfe mit großen Dämonen interessant.
Schläge auszuteilen.

Mentale Hilfe

Und natürlich darf man auch diesmal nicht nur die vorhandene Ausrüstung verbessern und spezialisieren sowie gänzlich neue kaufen. Man erhält auch vorübergehende Boosts beim Essen verschiedener Mahlzeiten sowie dem Baden am örtlichen Wasserfall. Zusätzlich veredelt man gefundene Materialien und wählt einmal mehr drei Mitamas: mächtige Seelen, die einem Slayer dauerhafte Boosts verleihen.

Das Zusammenstellen der Mitamas ist dabei im besten Sinne eine Kunst für sich, denn je nach der Position, an der man sie einsetzt, verleihen sie eine offensive bzw. eine defensive Fähigkeit und verändern sogar grundlegende Werte; verringern etwa Abklingzeiten, machen Angriffe aus der Ferne wirkungsvoller oder stärken die Verteidigung. Nutzt man drei Mitamas gleichen Typs verleihen sie noch eine weitere passive Stärkung, während bestimmte Boosts von manchen Mitama-Kombinationen blockiert sind. Dank des mehrschichtigen Ineinandergreifens solcher Eigenheiten gehört das Zusammenstellen und Trainieren der geistigen Begleiter zu den interessantesten Tätigkeiten eines Slayers.

Fazit

Im Kern ist die erste echte Fortsetzung nur ein behutsam erweitertes Toukiden: Durch sinnvolle Verbesserungen erhält es zusätzliche Tiefe – alles in allem inszeniert es aber nach wie vor einen recht eintönigen Kreislauf, in dem man gegen immer gleiche Monster kämpft und die immer gleichen Materialien sammelt. Keine Frage: Das ist mächtig motivierend, zumal vor allem die Charakterentwicklung durch eng verknüpfte Bausteine zum Lauf im Hamsterrad anspornt. Zum einen ist Toukiden 2 aber weder auf PlayStation 4 und schon gar nicht auf Vita technisch zeitgemäß, zum anderen sind die separaten Missionen der Onlineanbindung besonders für ein großes Konsolenspiel nicht mehr als eine nette Dreingabe. Dass man die offene Welt nicht gemeinsam mit Freunden erkunden kann, fehlt hier einfach. Dass es die offene Welt überhaupt gibt, tut der Dämonenjagd allerdings verdammt gut, denn zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlt sich das Prinzip Monster Hunter wie ein modernes Abenteuer an. Auch das schnelle Heranziehen an Gegner und Felsen verleiht ihm neuen Schwung. Hinzu kommt eine unterhaltsame Geschichte sowie ein gelungener Wechsel aus rotem Faden und freier Arbeitsgestaltung. Das Spiel könnte abwechslungsreicher sein und die Welt dynamischer – alles in allem habe ich meinen Ausflug in die Dämonenwelt aber zum ersten Mal genießen können!

Pro

große, offene Welt mit vielen Ereignissen, Haupt- und Nebenmissionen...
etliche Waffen (für Nah- und Fernkampf) sowie Ausrüstungsgegenstände zum Bauen, Kaufen und Verbessern
Dämonen haben verschiedenen Schwachstellen und Kampfphasen
manche neue...
kooperatives Spiel für bis zu vier Spieler...
umfangreiches und komplexes Zusammenstellen aktiver und passiver Fähigkeiten
unterhaltsame Geschichte gelungene Verteilung von geradliniger Erzählung und freiem Spiel
starke Unterstützung durch KI-Begleiter
verschiedene Ereignisse bei Tag und bei Nacht
Dämonhand u.a. für starke Angriffe und schnelle Bewegungen in der Vertikalen
Cross-play zwischen PS4 und Vita

Kontra

... in der sich sämtliche Dämonen allerdings meist starr am selben Fleck aufhalten
Steuerung teilweise unhandlich
viele Wiederholungen der immer gleichen Kämpfe
... aber auch viele bekannte Dämonen
... aber nur einzelne Missionen, kein freies Erkunden der offenen Welt
blinkender Sammelkram und Abholen von Boni statt Bergbau, Feldwirtschaft usw.
weniger grafische und viele spät auftauchende Details auf Vita
ausschließlich japanische Sprache und englische Texte
weniger wichtige Texte der Begleiter ohne Untertitel

Wertung

PlayStation4

Trotz technischer und spielerischer Schwächen motivierende Dämonenjagd mit unterhaltsamer Geschichte und erstmals einer offenen Welt.

PS_Vita

Atmosphäre und Spielbarkeit sind nicht auf demselben Level wie auf PS4, weil die Vita-Fassung schlechter aussieht und mit geringerer Bildrate läuft.

PC

Trotz technischer und spielerischer Schwächen motivierende Dämonenjagd mit unterhaltsamer Geschichte und erstmals einer offenen Welt.

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