Key of Heaven27.03.2006, Benjamin Schmädig
Key of Heaven

Im Test:

Äußerlich gesehen erwartet euch ein gewöhnliches Action-Rollenspiel, in dem ihr die Welt wie sie der Held kennt vor einer Bande gemeiner Buben (und Mädels) rettet. Beim genauen Hinsehen offenbart Key of Heaven (ab 19,98€ bei kaufen) aber eine ungewöhnliche Stärke: Ihr bestimmt euren Kampfstil in Eigenregie! Zeigt die einfallsreiche Idee den Weg zu mehr Spielspaß oder bleibt Key of Heaven an herkömmlichen Grenzen hängen?

The King of Martial Arts

Dass uns Film und Spiel immer wieder mit Kampfkunst-Arien segnen, ist kein Wunder: Actionreiche Martial Arts sieht einfach schick aus, kracht meist ordentlich und lässt uns wehmütig darüber sinnieren, wieviel cooler wir als Prototyp des autonomen männlichen Beschützertyps wirken würden. Und wer ist die ungeschlagene Nummer eins der Handkanten-Akrobatik? Bruce (Junfan) Lee natürlich! Zwar ist weder sein Haarteil noch das Zelluloid, auf das es in drei Dutzend Filmen gebannt wurde, heute noch "in", doch in Sachen Kampfkunst macht ihm keiner etwas vor. Wieso? Weil "Mr. Todeskralle" nicht nur etliche Kampfstile

Statt Nerven aufreibender Duelle gibt es Prügeleien mit wenig intelligenten Dutzendschaften.

beherrschte, sondern das Beste davon zu seinem persönlichen Stil vereinte.

Vielleicht hatten die Entwickler den Guru des Martial Arts-Kinos im Kopf als sie Shinbu das erste Mal auf Papier brachten. Kurzer Biographie-Check: Der junge Held flog vor vielen Jahren aus seinem Kampfkunst-Clan, hat sein Training aber selbständig fortgeführt. Zu Beginn des Abenteuers erfährt er dann vom Größenwahn einiger Bösewichter, die kurz davor stehen, das Land Ouka in die Finsternis zu stürzen. Keine Frage: Die noble Gesinnung des Jungspunds lässt ihn umgehend zur Weltenrettung schreiten. Falls ihr euch für asiatische Mythologie begeistert, bietet Key of Heaven viel Nährstoff für die grauen Zellen, denn die Traditionen des Fantasyreichs Ouka orientieren sich lose an der Geschichte Chinas und Japans und wurden detailliert ausgearbeitet.

Bugei?

Zurück zum Helden, der im Laufe seines Abenteuers nicht nur einen Batzen Kampfkunst-Techniken erlernt, sondern aus diesen seinen eigenen Stil zusammenbastelt. Dabei beginnt der Streifzug durch Ouka ganz bodenständig: Ihr deckt nach und nach die Verschwörung auf und stellt euch denen, die das verhindern wollen. Dabei müsst ihr nicht mehr tun, als die Fieslinge durch einfaches Knopfdrücken in Einzelteile zu zerschneiden. Erst später dürft ihr euer Schwert auch werfen, führt Chi-Angriffe aus und bringt Gegenstände aus eurem Rucksack zum Einsatz. Damit wären alle vier Aktionstasten belegt – mit den beiden Schultertasten schaltet ihr schließlich das Inventar durch und wechselt die Bugei-Rolle.

Bugei? Das sind Schriftrollen, auf denen unterschiedliche Angriffe – Kenpu genannt – kombiniert sind. Bevor ihr diese Kombos ausführen könnt, müsst ihr die entsprechenden Kenpus aber erst finden und einsetzen. Jede Bugei-Rolle enthält dabei nur vorgefertigte Bewegungen, so dass ihr die Reihenfolge der Angriffe nicht selbst bestimmen dürft. Jedenfalls so lange, bis ihr die erste freie Schriftrolle erhaltet. Auf dieser könnt ihr endlich nach Lust und Laune kombinieren. So ist es z.B. möglich, eine schlagkräftige

Gleich am Anfang wird deutlich, dass Ouka zu den schönsten Welten auf der PSP gehört.

Serie zu choreographieren, die mit kurzen Hieben beginnt und die Gegner erst zum Schluss umhaut. Damit erledigt ihr viele Widersacher mit wenigen Kombos. Mir war es dagegen wichtig, mehrere Feinde nahezu gleichzeitig außer Gefecht zu setzen. Deshalb lasse ich Shinbu meist zweimal zuschlagen, bevor ich einigen Fieslingen die Beine wegziehe und mit den verbleibenden Angriffen dem Rest zusetzen kann.

Schlag-mich-tot-KI

Das Zusammenstellen ist klasse und die Möglichkeiten unbegrenzt. Es lässt sich im Menü allerdings schwer absehen, welche Auswirkungen die einzelnen Techniken haben, so dass ein gezieltes Einbauen der Kenpu schwer fällt. Das hat leider auch dazu geführt, dass meine Experimentierfreude schnell nachließ und ich lange Zeit mit nur einer Kombo unterwegs war. Immerhin dürft ihr bis zu sechs Schriftrollen bestimmen, zwischen denen ihr über die Schultertaste wechseln könnt, was zu abwechslungsreichen Aktionen führt.              

Kämpfen in schwarz/weiß

Weniger farbenfroh gestalten sich die Kämpfe selbst, da die Gegner mit dem Ideenreichtum einer Scheibe Knäckebrot agieren. Was ist es denn, das einen Martial Arts-Streifen im Stil der "Todeskralle" zu etwas Besonderem macht? Richtig: Dynamische Mann-gegen-Mann-Gefechte. Doch darauf lassen sich die Unholde hier nicht ein. Sie stehen meist tatenlos an eurer Seite, um gelegentlich einen Hieb zu setzen. Bis es dazu kommt, habt ihr sie aber meist zu Boden geworfen. Schwierig werden die Kämpfe – wenn

Lasst ihr einen Chi-Zauber los, prasselt ein Effektgewitter auf die Gegner ein.

überhaupt – nur dann, wenn der Feind in größeren Trauben auf euch zu stürmt. Ein Jammer! Wie lässig schwingt Shinbu doch sein Schwert – fähige Sparring-Partner stellen ihm die Entwickler jedoch nie gegenüber.

Peinliches Geschwätz

Wollt ihr das leidlich spannende Gekloppe schneller hinter euch bringen, solltet ihr auf eure Chi-Kräfte zurückgreifen. Diese sind nichts anderes als Zaubersprüche, die ihr nach und nach erlernt und jederzeit zum Einsatz bringen könnt: Sucht einfach ausreichend Sicherheitsabstand (die Taugenichtse verfolgen euch nur bis zu einer unsichtbaren Grenze), ladet euer Chi auf und stürzt euch wieder ins Geschehen. Das funktioniert selbst bei Zwischengegnern prächtig, nur dass ihr hier keinen sicheren Fleck findet. Stattdessen lauft ihr vor ihnen davon, ladet einen Teil des Chi auf, lauft weiter davon, ladet einen Teil des Chi auf, lauft noch einmal davon, ladet das Chi vollständig auf, greift damit an und lauft anschließend davon, um das Chi wieder aufzuladen... Die monotonen Auseinandersetzungen mit vielen der Anführer sind eine Zumutung für moderne Spieler! Zudem lassen sich die Zauber nicht so unkompliziert wechseln wie Gegenstände oder Bugei-Rollen: Ihr müsst erst ins Menü, um ein anderes Chi zu wählen. Zwar könnt ihr auch mit dem Schwert attackieren, doch beim Gegenangriff verliert ihr unweigerlich (viel) Lebensenergie.

Die Geräuschkulisse ist da nur der Gipfel des Eisbergs, weil Shinbu wegen der ständigen Chi-Angriffe stets denselben Spruch zum Besten gibt. Das nervt schneller als man die PSP stumm stellen kann. Dabei braucht sich die akustische Begleitung sonst nicht zu verstecken: Fernöstliche Instrumente untermalen den historischen Ausflug ohne Pomp und bringen die fantastischen Landschaftsbilder richtig zur Geltung. Vor den bombastischen Tempelanlagen, wunderschönen Reisfeldern sowie beeindruckenden Berglandschaften erinnern lediglich die sehr spät auftauchenden Charaktere daran, dass ein Handheld die Aufnahmen zum Leben erweckt. Schade nur, dass mich die schlecht geschriebenen, pathetischen Dialoge immer wieder

Der erste Zwischengegner: Shinbu und Eigen im Zweikampf.

zum Fremdschämen gezwungen haben. So detailreich die Zwischensequenzen auch inszeniert wurden, so sehr hatte ich befürchtet, dass ein S-Bahn-Fahrer neben mir auf die Untertitel schaut...

Götter-Bosse

Spielerisch zeigt sich die Handlung ebenfalls nicht immer von der starken Seite: Key of Heaven ist ein straff inszeniertes Abenteuer, das euch ohne Umschweife ans Ende des roten Fadens führt, doch falls ihr vergesst, was im voran gegangenen Dialog gesagt wurde, irrt ihr mitunter ohne Kenntnis eures Ziels durch Ouka. Dass die Weltkarte keinen Preis für Übersichtlichkeit abstaubt, erschwert den Fortgang zusätzlich. Es zeigt sich deutlich, dass die Entwickler mehr Zeit gebraucht hätten, um eine lebendige Welt mit selbstständig agierenden Charakteren zu erschaffen. So wirkt die Geschichte zwar durchdacht (mich hat einmal mehr der Konflikt zwischen antiken Werten und moderen Idealen begeistert), kommt aber nur in den schwachen Dialogen zum Tragen.

Edle Schale – fahler Inhalt: Anders lässt sich Key of Heaven leider nicht beschreiben. Immerhin haben mich Shinbus vielfältige Bewegungen und Kombos aber an das Spiel gefesselt. Die Angriffe gehen locker von der Hand und trotz strunzdummer Gegner fühlt sich der Held wie ein echter Martial-Arts-Krieger an. Für einen Nachfolger wünsche ich mir allerdings, dass die Entwickler mehr Vertrauen in das Szenario setzen und die später auftauchenden Fantasy-Gegner ad acta legen. Abgesehen davon, dass die letzten beiden Boss-Götter (!) nichts weiter auf dem Kasten haben, als euch im Sprint zu überrennen, wirken die mythischen Gestalten in dem bodenständigen Kampfkunst-Abenteuer fehl am Platz.            

Fazit

In Sachen Martial Arts habe ich es nie weit gebracht: Ein gelber Gürtel im Judo und ein grüner im Taekwon-Do sind die Krönung meiner Kampfkunst-Karriere und auf die Turniermatten habe ich es schon gar nicht geschafft. Doch endlich kann ich wenigstens in Ouka der Meister sein! Die vielen gelungenen Animationen meines Helden machen auch beim tausendsten Hinsehen noch Laune und gehen dank der einfachen Steuerung so locker von der Hand wie Bruce Lee einen gesprungenen Kick in die Magengrube tritt. Noch dazu kann ich mir meinen Kampfstil aussuchen und bin mal mit flotten Kombos unterwegs, um die nächsten Widersacher mit niederschmetternden Pirouetten zu begrüßen. Das Geschehen ist zudem in die derzeit schönste PSP-Fantasywelt eingebettet, so dass allein die Bilder lange bei der Stange halten. Die ständigen Motivationsschübe sind allerdings auch dringend nötig, denn so lässig Shinbu durch das Abenteuer kickt, so katastrophal reagiert die Umwelt auf ihn: Schon das gemeine Fußvolk könnte Karriere als Schießbuden-Figuren machen, aber erst die Zwischengegner offenbaren die Einfältigkeit der Gegner. Ich habe noch nie einen Bosskampf abgebrochen, weil mir kurz vor Schluss die Lust verging. Nach einer halben Stunde des ewig gleichen Chi-Einsatzes war der Griff zum An/Aus-Schalter diesmal aber eine Erlösung.

Pro

wunderschöne Landschaften
stimmungsvolle Musik
Martial Arts per Eigenbau
schön choreographierte Moves
moderne Ideale in antikem Szenario
unkomplizierte Steuerung
abwechslungsreiche Handlung

Kontra

keine deutsche Sprachausgabe
umständliches Chi-Umschalten
monotoner Ablauf
Ziel mitunter nicht klar
doofe Gegner
verwirrende Kameraführung
starre Welt
Figuren erst spät im Bild
peinliche Dialoge

Wertung

PSP

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