Mighty No. 913.08.2015, Jan Wöbbeking

Vorschau: Ein würdiger Nachfahre?

Wenn Capcom schon keine neuen MegaMan-Titel mehr bringt, muss einer seiner Väter eben alleine Abhilfe schaffen: Nach Keiji Inafunes sehr erfolgreicher Kickstarter-Kampagne wurde Mitghty No. 9 zwar mehrmals verschoben, beim Probespiel ließ sich das Jump-n-Shoot trotzdem vielversprechend an. Ein Fest für Freunde knackiger Arcade-Action?

Erste Suchterscheinungen

Es scheint symptomatisch für Mighty No. 9 (ab 9,50€ bei kaufen) zu sein: Als mein gamescom-Termin eigentlich schon lange begonnen hatte, mussten wir meinen Vorgänger fast schon mit Gewalt vom Controller lösen. „Einmal noch, dann schaffe ich den Boss, ganz sicher!“ versicherte er uns wieder und wieder, bis er schließlich doch die Waffen streckte. Ganz so krass hat mich die Sucht auf Anhieb noch nicht erwischt, trotzdem übte das rhythmische Hüpfen und Ballern auch auf mich eine eigentümliche Anziehungskraft aus. Im Grunde handelt es sich bei Keiji Inafunes Kickstarter-Spiel um einen klassischen Plattform-Shooter, von denen Capcom bereits Dutzende veröffentlicht hat. Die an Onimusha angelehnte Dash-Attacke durch angeschlagene Gegner bringt aber immer wieder eine eigene, angenehm fordernde Note in die Horizontal-Action. Wer möchte, kann erst einmal einfach nur um sein Überleben kämpfen, um die SciFi-Levels überhaupt zu meistern.

Ventilator gefällig?
Auf dem Weg zum Ziel kam ich aber bereits als Neuling immer wieder in Versuchung, die Gegner möglichst elegant umzunieten: Klappt das kurz vorm Exitus des Gegenübers, streicht man eine perfekte Wertung ein und kann Kombos aufstellen. Je schneller man ist, desto höher das weltweite Ranking; zur Belohnung gibt es durch die eingesammelte „Xel“-Energie kurzzeitige Vorteile. Beschossene Gegner ändern ihre Farbe: Grüne verschaffen einen Geschwindigkeits-Boost, gelbe ein Schild, rote kraftvollere Schüsse und blaue ein Health-Pack, mit dem man sich später auf Knopfdruck retten kann.

Wichtiger Dash

Wenn man Spiele wie Ori & Co. mit ihrer intuitiven Analogsteuerung plus Doppel- bzw. Mehrfachsprüngen gewohnt ist, muss man bei Mighty-Held Beck erst einmal umdenken. Zunächst wirkt die sehr horizontal ausgelegte digitale Handhabung wie ein Korsett, schließlich kann Beck wie MegaMan nicht einmal nach schräg oben zielen. Auch an das ständige „Dashen“ über Abgründe musste ich mich erst einmal gewöhnen. Wenn man sich nach ein paar Minuten auf die Eigenheiten eingestellt hat, sorgen sie aber für einen ordentlichen Spielfluss. Hier ein Dash, dort ein paar Gegner bis an die Grenze getrieben und abgeräumt – das läuft ja wie am Schnürchen…

Retro-Fans können bei sämtlichen Musikstücken zu einem fiepsenden Chiptune-Remix wechseln.
Etwas knackiger wird es bereits im ersten Bosskampf gegen einen kugelbäuchigen Roboter im schwarz-gelben Warnstreifen-Design. Er attackiert den Gegner mit Raketen, einer schwebenden Ramm-Attacke und löst mit seinem fetten Energiestrahl immer wieder herabfallende Trümmer aus der Decke. Ähnlich wie MegaMan eignet sich Beck Fähigkeiten und Waffen der Bosse an, darunter z.B. ein Gefrier-Projektil zum Betäuben, feurige Geschosse oder die Verwandlung in ein Kettenfahrzeug. Später kann man jederzeit zwischen den bereits freigeschalteten Waffen wechseln. Cyborg Beck ist laut Story übrigens der einzige Vertreter der „Mighty Numbers“, der nicht von einem fiesen Virus befallen wurde und die Welt nun vor seinen marodierenden Kameraden schützen muss. Auf seiner Mission steht ihm Partnerin Call zur Seite, deren Design bei einer Abstimmung unter den Kickstarter-Backern bestimmt werden  konnte. Sie kann kein Xel absorbieren, besitzt dafür aber einen weiter reichenden Dash, ein Schild, das Projektile reflektiert sowie Jet-Stiefel, die ihren Fall abfedern.

Abseits der Story

Über den Wolken...
Zusätzlich zu den Story-Levels sind 24 abgeänderte Koop-Missionen inklusive Boss-Kämpfen geplant. Dazu kommen ein kooperatives Wettrennen sowie ein Boss-Rush-Modus, in dem man allen Endgegnern nacheinander begegnet, die dann allerdings noch schwerer zu bezwingen sind. Spezielle Benachrichtigungen unter Freunden wie in Trials Fusion sind leider nicht vorgesehen. Wer sich mit Bekannten vergleichen will, muss also klassisch in den weltweiten Bestenlisten nachsehen. Nach der erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne konnte Entwickler Comcept übrigens Deep Silver als Publishing-Partner gewinnen. Mighty No. 9 wird nach aktuellem Stand im im ersten Quartal 2016 für PC, PS4, PS3, Wii U, Xbox 360 und Xbox One erscheinen.

Ausblick

Mit dem Design von Mighty No. 9 werde ich nach wie vor nicht warm: Die hölzern animierten Figuren wurden für meinen Geschmack einfach zu stark bei MegaMan abgekupfert. Außerdem sehen die schlichten Lagerhallen und anderen Industriegebäude zu karg und generisch aus. Man sollte sich allerdings nicht zu sehr von Äußerlichkeiten ablenken lassen, denn spielerisch hat mich Keiji Inafunes schwarmfinanzierter Action-Plattformer positiv überrascht. Vor allem das Schwächen und „dashen“ durch Gegner sorgt für eine angenehm taktische Note. Auch beim stilvollen Durchqueren der Levels und den knackigen Bosskämpfen kam ein guter Spielfluss auf. Freunde herausfordernder Arcade-Action können sich allem Anschein nach also auf einen spannenden Kampf ums Überleben und Highscores einstellen, bei dem ein guter Rhythmus und geschickter Fähigkeiten-Einsatz die Schlüssel zum Sieg sind. Wer mehr über die Hintergründe des Kickstarter-Projekts und die spielepolitischen Ansichten von Keiji Inafune erfahren möchte, sollte sich unser Video-Interview von der Gamescom anschauen.

Einschätzung: gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.