NES Classics04.03.2005, Paul Kautz
NES Classics

Special:

Neues Jahr, neue Klassiker: Nintendo hat wieder tief in der Rumpelkiste gewühlt, und eine Hand voll Kultgames vom NES auf den GBA übertragen. Lohnt sich der  Ausflug in die Vergangenheit nur für Oldschool-Liebhaber, oder kann auch die neue Spielergeneration etwas mit Metroid & Co. anfangen? Wir haben erneut den Zeitsprung gewagt.

Mehr Klassik fürs Geld

Vor gut einem Jahr hat Nintendo hierzulande die erste Edition der NES Classics (unser dazu gehöriges Special findet ihr hier ) auf die Fans losgelassen: Originalgetreue Umsetzungen von NES-Kultspielen wie The Legend of Zelda oder Super Mario Bros. für den GBA, mit authentischer Spielbarkeit und Präsentation. Okay, nicht jeder Titel war ein Volltreffer, aber gerade die Oldschool-Zocker waren dankbar für die Möglichkeit, ihre verzockten Kindheitserinnerungen nochmals mobil erleben zu dürfen.

Einige Zeit ist ins Land gegangen, die Japaner vergnügen sich mittlerweile mit der dritten Auflage alter NES-Titel. Da ein überwiegender Teil davon aus außerhalb Japans kaum bekannter Games besteht, hat sich Nintendo für den hiesigen Release für eine Art Best-Of der zweiten und dritten Serie entschlossen. So stehen hier lediglich vier von 20 Titeln in den

Wir müssen leider draußen bleiben: Kid Icarus, Ghosts'n Goblins & Co. schwirren nur in Japan über den GBA-Screen.
Regalen, einige »Wäre schön«-Games wie Kid Icarus, Ghosts’n Goblins, Super Mario Bros 2 (das Original, nicht das hierzulande veröffentlichte, komplett andere Game) oder Twin Bee haben es leider nicht nach Europa geschafft.

Wie gehabt sind alle Titel dank neuester Emulations-Technologie authentische Umsetzungen der NES-Originale – teilweise sogar mit mehr Features: So dürft ihr einen Batterie schonenden Sleep-Modus aktivieren, teilweise rudimentär speichern; Dr. Mario unterstützt sogar den Wireless Adapter für Mehrspielerpartien. Lediglich optisch müssen geringe Abstriche gemacht werden: Um das NES-Bild dem breiteren GBA-Screen anzupassen, musste das Original-Bild vertikal leicht gestaucht werden, was aber im Spielfluss nie störend wirkt. Leider hat Nintendo auch dieses Mal versäumt, die NES Classics mit Hintergrundinformationen für nicht eingeweihte Spieler attraktiv zu machen – keine Anekdoten im Handbuch, keine historisch wertvollen Infos, gar nichts.

Natürlich halten wir uns an die schon beim ersten Special selbsterstellten Regeln, und verzichten auf eine Bewertung der Spiele im herkömmlichen Sinne – das würde den durch die Bank sehr alten, und damit alleine schon technisch heutigen Standards unendlich weit hinterher hinkenden Games kaum gerecht werden. Deswegen bewerten wir nur den »Kultfaktor«: Wie reizvoll ist das Spiel heute noch, gleichsam für Spieler der alten als auch der neuen Schule? Wieviel Sinn ergibt es in der NES Classics-Reihe? Und am wichtigsten: Macht es heute noch Spaß? Oder sollte es besser in der romantischen Verklärung bleiben?                    

Unser erster Neuzugang ist gleichzeitig das jüngste Mitglied der NES Classics: Dr. Mario wurde erst 1990 in den OP gerufen. Auf den ersten Blick schien das Spiel nur auf der damals aktuellen Tetris-Klon-Welle mitzuschwimmen, auf den zweiten Blick bot es aber viel mehr als nur Stapelei: Alles ist voller Viren in drei Farben, welche auf die vom Doc unermüdlich ins Bild geworfenen Vitamine allergisch reagieren. Stapelt ihr genug gleichfarbige Antibiotika auf den grinsenden Erregern, verschwinden die jämmerlich zappelnd ins Nirvana. So weit, so einfach – aber natürlich wird’s im Laufe der Zeit immer voller im Glas, so dass man sehr geschickt taktieren muss, um nicht frühzeitig von den Viren ausgelacht zu werden.

Optisch bietet das Spiel natürlich nicht wirklich viel fürs Auge: Putzig animierte Erreger, ein Mario im Arztlook, viel mehr gibt’s nicht. Aber natürlich bezieht das Spiel seinen Reiz nicht aus der

Vitaminschock: Mit bunten Pillen geht es den ebenso farbenfrohen Viren an den Kragen.
Fassade, sondern von dem fesselnden Spielprinzip, welches genau wie bei Tetris auf Stress, Chaos und herrliche Hektik setzt - man bekommt natürlich immer im ungünstigsten Moment das falsche Teil zugeschmissen. Als einer der wenigen NES Classics lässt sich Dr. Mario auch von zwei Spielern zocken, sogar der neue Wireless-Adapter wird unterstützt. Und damit bleibt das Game auch nach 15 Jahren ein witziger und fesselnder Puzzler, der für alle Geschicklichkeitsspieler reizvoll ist, die nicht Wario Ware Inc. im Haus haben – denn da war schon eine sehr coole Version namens »Dr. Wario« als Bonusgame integriert.

Kultfaktor:

 

Bevor Gunpei Yokoi 1989 die Videospielewelt mit dem Game Boy erschütterte (siehe Special ), entwickelte der Mann Spiele für das NES, u.a. das 86er Metroid. Hier spielt ihr die Kopfgeldjägerin Samus Aran (ja, eine Frau – das war damals ein gut gehütetes Geheimnis!), welche sich mit intergalaktischen Piraten anlegt, die das Universum mit den tödlichen »Metroids« bedrohen. Ihr lauft, springt und ballert euch durch den ausufernden Planeten Zebes, löst allerlei Puzzles, und erweitert euer anfangs mickriges Waffensortiment um verschiedene Laser, Raketen, Energietanks und natürlich den legendären Morphball, mit dem ihr euch in eine kleine Kugel verwandeln könnt.

Metroid ist gleichsam Adventure wie Actiongame: Es gibt genauso viele Kopfnüsse wie Gegner, was sowohl Segen als auch Fluch ist. Denn Metroid gilt nicht umsonst als extrem schwer, was zum großen Teil daran liegt, dass man vom Programm nicht den geringsten Vorgehenshinweis bekommt, und manche Passagen einfach fies versteckt sind - wenn man festhängt zwingt einen das Programm also dazu, wie wild überall herumzuspringen und zu ballern, bis man mit etwas Glück irgendwo das eine Mauerstück aufschießt, welches einen im Level weiterbringt. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Abschnitte im Spiel nahezu identisch aussehen, und ihr manche Bereiche erst mit einer bestimmten Waffe betreten könnt – dauerndes  Hin- und Hergerenne ist also Pflicht. Dafür war das Spiel eines der ersten, welches verschiedene End-Möglichkeiten bot. Je nach Durchspielgeschwindigkeit bekommt ihr ein anderes Schlussbild zu sehen.

Aller Anfang ist schwer: Metroid ist eines der anspruchsvollsten Games der NES Classics.
Für sich genommen ist Metroid ein sehr gutes Game – zwar hammerhart, aber in seiner Art einzigartig. Das Problem ist nur, dass jeder, der sich für Metroid interessiert, das Spiel bereits zuhause haben dürfte – als freispielbares Bonusgame im in jeder Hinsicht verbesserten Remake »Metroid Zero Mission«. Der Reiz jetzt bei den NES Classics nochmals zuzugreifen, dürfte sich also in Grenzen halten – es sei denn, ihr wollt die Serie komplett haben, oder legt Wert auf eine Schachtel mit dem originalen Metroid-Logo im Haus.

Kultfaktor:           

Gerade mal anderthalb Jahre nach dem legendären ersten Zelda erschien in Japan bereits der zweite Teil (der Rest der Welt musste fast zwei Jahre länger warten) – und spaltete die Fangemeinde: Statt eines Vogelperspektiven-Adventures erwartete die Spieler eine merkwürdige Mischung aus Sidescroller-Action mit Plattformspringereien und RPG. Es gab Zufallskämpfe, und Link lernte die Anwendung von Magie – Selbstheilung, verbesserte Verteidigung, Feuerbälle oder ein Donnersturm lehrten seine Gegner das Fürchten. Natürlich kam auch der normale Schwertkampf nicht zu kurz, der dieses Mal von der Seite gezeigt wurde. Die Story dreht sich wieder um Prinzessin Zelda, welche vom bösen Magier Ganon einen Dornröschenschlaf verpasst bekam, und nun vom Triforce erweckt werden muss. Die Geschichte wird hauptsächlich vom dünnen Handbuch getragen, im Spiel bekommt man meist nur hohles Blabla der Dorfbewohner zu lesen, mit denen man quatschen kann - inklusive des Mannes im ersten Dorf, der das legendäre »I AM ERROR« von sich gibt, und sonst nichts.

Die wichtigste Neuerung im zweiten Zelda war die Unterteilung in Ober- und Spielewelt. Während Letztere das Geschehen von der Seite zeigt, ist Erstere eine sehr blockhafte Darstellung der Umgebung von Hyrule, auf der ihr frei von Dorf zu Dorf zu Höhle herumwandern dürft, und versteckte Locations sucht. Wie bei klassischen Rollenspielen erwarten euch hier Zufallskämpfe, denen ihr allerdings aus dem Weg gehen könnt – das klappt in den Palästen und Dungeons natürlich nicht, außerdem warten in regelmäßigen Abständen die berüchtigten Bossgegner auf ihre Abreibung. Habt ihr gerade nichts zu kämpfen, löst ihr vielerlei Puzzles oder sucht nach gut versteckten Bonusgegenständen.

Zelda 2 war zwar ein Verkaufshit, gilt aber im Nachhinein als das schwarze Schaf der Zelda-Serie: Zwar war es mit vielen Ideen seiner Zeit voraus, die obskure Mischung hinterließ allerdings nicht den besten Eindruck, und passte  irgendwie zum damaligen Fortsetzungshabitus von Nintendo – erinnert sich noch jemand an den zweiten Super Mario Bros-Teil auf dem NES?

Merkwürdige Perspektive: Aus der Seitenansicht erinnert Zelda mehr an ein Jump-n-Run.
Im Gegensatz zum Vorgänger, den man Liebhabern auch heute noch bedenkenlos ans Herz legen kann, ist Zelda 2 mittlerweile sehr gealtert; nicht nur optisch, sondern vor allem auch spielerisch. Das hat nichts mit dem Umfang zu tun – genau wie der Vorläufer gibt es hier sehr viel zu entdecken, auch die spielerische Herausforderung ist nicht ohne: Ihr bekommt kaum Hinweise was zu tun ist, die Kämpfe werden sehr schnell sehr schwer, ihr habt gerade mal drei Leben. Wenn man bedenkt, welchen Sprung die Serie danach mit dem dritten Teil auf das SNES gemacht hat (»A Link to the Past«), ist der zweite wirklich das ungeliebte Kind.

Kultfaktor:

 

Nicht nur Catwoman kann mit der Peitsche umgehen, auch Simon Belmont hat das Gerät gut im Griff: 1986 begründete Konami mit Castlevania die Vampirjäger-Saga um die Belmont-Familie, die sich geschworen hat, Graf Dracula die Eckzähne zu ziehen. So zieht ihr durch des Grafen Schloss, peitscht euch durch endlose Horden von Fledermäusen, Zombies, Fledermäusen, Mumien, Geister, besessenen Rüstungen - und jede Menge Fledermäuse. Am Ende jeder Welt wartet ein monströser Obermotz, bei dem die Extrawaffen wie Wurfmesser, Weihwasser oder Zeiteinfrierer sinnvoll benutzt werden können.

Das Zombie-Schnetzeln galt schon immer als eine der schwierigsten Spieleserien aller Zeiten, und Castlevania beweist das überdeutlich: Die Gegner sind fies platziert, Extras und Heiltränke Mangelware, die Plattform-Springeren anspruchsvoll - angesichts der vielen zu überwindenden Hindernisse in Draculas Schloss wundert es nicht, dass der Besitzer stinkig ist. Zwar ist das Game eher kurz, aber dieser Malus wird durch den mörderischen Schwierigkeitsgrad mehr als ausgeglichen. Wie so oft bei den NES Classics gibt es kein Speichersystem an sich. Allerdings merkt sich das Programm den letzten von euch erreichten Level, so dass ihr nicht jedes Mal bei Kraut und Rüben anfangen müsst. Das hat das GBA-Modul dem NES-Original voraus – das bot zwar denselben Komfort, der aber flöten ging, sobald die Konsole ausgeschaltet wurde.

Schwing die Peitsche: Simon Belmont lehrt die Untoten das Gruseln.
Was Castlevania zum besten Titel der neuen NES Classics macht, ist das zeitlose Spieldesign, das zu weiten Teilen auch heute noch Gesetz der Serie ist: das Aufpowern der Peitsche, die abwechslungsreichen, gut versteckten Extras, der harsche, aber niemals unfaire Schwierigkeitsgrad – all das ist heute noch so aktuell wie damals. Dazu gibt es wirklich ansehnliche Grafik, einen tollen Tüdel-Soundtrack und gelungene Grusel-Atmosphäre. Castlevania ist wie ein Uralt-Horrorschinken: nicht mehr zeitgemäß, aber mit ganz eigenem Charme.

Kultfaktor:       

 
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