Guitar Hero On Tour01.08.2008, Paul Kautz
Guitar Hero On Tour

Im Test: Weck den Gitarrengott für unterwegs in dir...

Warum sind Guitar Hero und Rock Band so wahnsinnig erfolgreich? Weil die Menschheit auf Spiele mit Gitarrenmusik gewartet hat? Vermutlich nicht. Weil sie ziemlich einfach zu bedienen sind? Vielleicht. Weil sie einem aufgrund des Controllers das Gefühl geben, selbst der oberste größte Rockstar aller Zeiten zu sein? Jetzt kommen wir der Sache langsam näher - die Plastikgitarre dürfte der Schlüssel sein! Wie viel bleibt von der Faszination wohl noch übrig, wenn man sie wegnimmt?

Plug In Baby

Um die Frage zu beantworten, solltet ihr euch einfach sagen wir mal Guitar Hero II schnappen und es mit dem Standard-Gamepad spielen - wenn ihr nicht schon nach einem Song ebenso genervt wie gelangweilt seid, dann seid ihr harte Hunde! Diese Art von Spiel funktioniert halt nur gut, wenn man dabei die künstliche Klampfe in der Hand hat; fehlt die, bleibt nur ein weiteres Rhythmusspiel. Dieses Dilemma dürfte auch Vicarious Visions klar gewesen sein, als von Activision die Anweisung »Macht mal ein Guitar Hero für DS!« ins Haus kam. Der DS ist ein Handheld, und als solcher in erster Linie für den mobilen Einsatz gedacht. Da man dem U-Bahn-Rocker nun aber nicht zumuten kann, eine Plastik-Gitarre (oder um das Größenverhältnis zu wahren:  eine Plastik-Ukulele) mit sich herumzuschleppen, wurde eine Designidee nach der anderen ausprobiert und verworfen.

Im Rahmen seiner Möglichkeiten bietet der Guitar Grip ein gutes Guitar Hero-Erlebnis - aber weder ist das System komfortabel noch zuverlässig.
Nach gerüchteweise mehr als 20 dieser Abfallprodukte lautete das Ergebnis »Guitar Grip«: Eine Art Gitarren-Handschuh, der in den GBA-Schacht des DS lite geklemmt wird (und über einen mitgelieferten Adapter auch im alten DS funktioniert). Steckt ihr die Hand durch die verstellbare Schlaufe, haltet ihr den DS automatisch wie beim Gehirnjogging  oder Hotel Dusk um 90° gekippt wie ein offenes Buch. Am Kopfende des Guitar Grip befinden sich vier farbige Tasten, mit denen ihr die Noten spielen könnt, die über einen ebenfalls mitgeliefertes Stylus-Plektrum auf dem Touchpad angeschlagen werden - so sieht sie also aus, die mobile Gitarre.

Spiel mir den Armkrampf-Blues

Unter diesen Voraussetzungen spielt sich das kleine Guitar Hero verdammt gut, sogar ziemlich genau wie seine großen Brüder - jedenfalls im Großen und Ganzen. Leider bringt die aufgezwungene Mobilität gleich drei dicke Nachteile mit sich, auf die ich nunmehr einzeln näher eingehe:

Erstens: Die Bequemlichkeit. Die ist nämlich nicht vorhanden. Wie man es auch dreht und wendet, eine komfortable Haltung ist nicht möglich. Das liegt zum einen daran, dass die eng zusammen liegenden Tasten für Leute mit großen Händen schwer zu erreichen sind. Zum anderen wird die Hand automatisch gerade gehalten, während die Finger unnatürlich verdreht werden müssen, um die Tasten zu erreichen. Dazu kommt noch, dass das »Griffbrett« gerade ist, während das für die Länge der Finger eine durchschnittlichen Hand nun mal nicht zutrifft - gerade der kleine Finger hat somit ein Problem. Ich habe wirklich alles versucht, um einen Kompromiss aus vernünftiger Haltung und guter Spielbarkeit hinzubekommen, aber egal wie sehr ich das Halteband auch gedehnt und meinen Trizeps überreizt haben - bequem war's nie. Eine schräge Haltung, bei der man bei ausgestreckter Hand von links oben auf den DS glotzt, hat sich im 4P-Rockerbüro als brauchbarste Lösung herausgestellt, trotzdem konnte ich kaum mehr als ein bis zwei Songs am Stück spielen, bevor meine Hand anfing, mir ähnliche Schmerzsignale zu senden wie bei übertrieben vielen Barré-Griffen auf einer Akustikgitarre. Dieser Tatsache waren sich die Entwickler sehr bewusst: Bevor man loslegen kann, gibt's jede Menge Warnungen und Gesundheitshinweise.

Zweitens: Die Zuverlässigkeit. Der Guitar Grip steckt zwar relativ fest im GBA-Schacht, aber nicht bombenfest. Durch das ständige Fingergewackel und Tastengedrücke wird das Modul in jedem Fall über kurz oder lang verschoben - und  irgendwann so weit, dass es sich ausgerockt hat, was im Kleinrockeralltag öfter passiert, als einem lieb sein dürfte. Nun sollte man denken »Och, dann stecke ich das Teil eben einfach zurück und weiter geht's!« - falsch gedacht, geschätzter Leser, denn in diesem Fall ist das Spiel vorbei, der DS muss aus- und wieder eingeschaltet werden. Speziell innerhalb einer fetzigen Mehrspielerpartie höchst ärgerlich!        

Drittens: Die Anschlagserkennung. Auf den ersten beiden von vier Schwierigkeitsgraden gibt es in keinerlei Hinsicht irgendwelche Probleme - die Note träufeln mit der Geschwindigkeit von schläfrigem Harz aufs Spielfeld, alles wird sauber erkannt. Knifflig wird's erst, sobald Hochgeschwindigkeitspassagen auf einen zukommen wie z.B. in »Pride and Joy« von Stevie Ray Vaughan. Da man nicht mit bei den großen Gitarren einfach auf dem Touchpad rauf- und

Das grundsätzliche GH-Spielprinzip bleibt auch auf dem DS erhalten: Trefft die richtigen Noten, dann ertönen feine Gitarrenklänge. Die Anschläge werden auf dem Touchscreen ausgeführt, der von einer stilisierten E-Gitarren eingenommen wird.
runter wischen kann (damit bedient man den Whammy Bar), muss jede einzelne Note, sofern sie nicht via Hammer-On oder Pull-Off erwischt werden kann, angeschlagen werden - was im Falle von Guitar Hero On Tour (ab 12,99€ bei kaufen) bedeutet, dass man wie ein nervöser Specht auf das Touchpad einhämmert. Ab einer gewissen Geschwindigkeit klappt das einfach nicht mehr.

Dr. Activisions Gehirnrocking

Der dreieinhalbte Ärger-Punkt ist gewissermaßen hausgemacht und zählt daher nicht ganz: Mangels Platz auf dem Modul ist die Songauswahl im Vergleich zu den großen Rockern bescheiden - und zwar gleich in mehrerer Hinsicht. Zum einen tummeln sich gerade mal 26 Songs auf der Cartridge; fünf Songs für fünf Arenen, ein Bonuslied (»I am not your Gameboy« von Freezepop) wird nach dem Durchspielen des Guitar Battles freigeschaltet. Einige der Stücke wie »Hit me with your best shot« von Pat Benatar oder »Rock and Roll all nite« von KISS kennt man bereits von früheren Guitar Heros, der Großteil ist neu - wie »Do what you want« von OK Go, »We're not gonna take it« von Twisted Sister oder »Anna Molly« von Incubus. Wie bei den SingStars schon seit einiger Zeit üblich unterscheidet sich auch hier die Trackliste vom englischen Original: Hierzulande müssen wir auf fünf Songs (u.a. »China Grove« on The Doobie Brothers und »Jet Airliner« der Steve Miller Band) verzichten, als Ersatz gibt's fünf innereuropäisch besser bekannte - wie »Avalancha« (Heroes Del Silencio), »Monster« (Beatsteaks) und... ahem... »Monsoon« (Tokio Hotel).

Viele der Songs schlummern als Mastertracks der Originalbands auf dem Modul, einige sind gecovert - mal mehr, mal weniger gut. Im Großen und Ganzen ist sogar die Qualität angesichts der Plattform erstaunlich hoch, hin und wieder gibt es jedoch Ausbrecher: Nirvanas »Breed« ist z.B. eine schrecklich klirrende Ohrenqual. Darüber hinaus sei euch dringend zu soliden Kopfhörern

Guitar Hero On Tour bietet naturgemäß weniger als die großen Brüder: Weniger Songs, weniger Extras, weniger Rocker - obwohl zwei neue (wie hier Memphis Rose) dabei sind.
geraten: Die DS-Lautsprecherchen taugen einfach nicht zum Rocken, auch wenn die Lautstärke im Spiel standardmäßig auf elf steht...

It's Only Guitar Hero But I Like It

Die wichtigste spielerische Änderung zum Original ist der Verzicht auf die orange Anschlagstaste - was das Spiel, von der Problematik der schnellen Noten mal abgesehen, insgesamt spürbar einfacher macht. Falls ihr trotzdem Probleme bekommen solltet, ist der Übungsmodus dieses Mal leider keine große Hilfe - denn der eigentliche Sinn des Ganzen, zu schwierige Songs verlangsamt zu üben, ist hier nicht möglich. Auch die »Karriere« wirkt leicht hingerotzt, gerade nach dem witzigen Comic-Pendant in Guitar Hero 3: Ihr hangelt euch von einer U-Bahn-Station über eine Parade bis auf ein fliegendes Schiff, spielt überall je fünf Songs, und das war's. Wie gewohnt verdient ihr mit Auftritten Geld, das in neue Gitarren, Skins oder frische Klamotten für die Figuren investiert werden kann. Darüber hinaus schaltet ihr mit speziellen Aktionen zusätzliche Boni frei.

Apropos Figuren: Auch hier musste logischerweise die Schere angesetzt werden - gerade mal sechs Rocker stehen zur Wahl. Vier davon dürften Kennern der Serie bekannt sein, die beiden neuen sind der Kurt Cobain-Verschnitt »Gunner Jackson« sowie die Dixie Chicks-kompatible »Memphis Rose«. Zu jeder Persönlichkeit gibt's ein paar knappe biographische Worte sowie insgesamt zehn Gitarren - drei sind von Anfang an verfügbar, die anderen warten auf ihre Freischaltung.    

Du rockst nie allein

Die auffälligste Änderung innerhalb der Songs ist die Aktivierung der Starpower: Den DS ruhmreich in die Lüfte zu recken bringt nichts, stattdessen müsst ihr ihn einfach anpusten - oder anrülpsen, falls euch das rockerhafter vorkommt. Falls euch beide Varianten die Schamesröte ins Gesicht treiben, könnt ihr auch einfach das Digipad anstupsen, was allerdings ein Umgreifen voraussetzt - die Nutzung der Schultertaste, an der ohnehin der Daumen der

Die Gitarrenschlacht könnte das Highlight des Multiplayermodus' sein - wenn da nicht die völlig unsinnige Aktivierung der Kampf-Icons wäre.
linken Hand die ganze Zeit ruht, wäre weitaus sinnvoller gewesen. Obwohl, gebraucht wird die digitale Eingabe ohnehin nicht: Das Mikrofon ist standardmäßig derart sensibel eingestellt, dass sich die Starpower ohnehin dauernd von selbst aktiviert - sei es aufgrund eines soliden Windes, der durch ein offenes Fenster auf den DS weht oder eines schreienden Kindes, das für eine spätere Death Metal-Karriere übt.

Unbequemer wird's da schon bei der »Gitarrenschlacht«, der hiesigen Variante der aus Guitar Hero 3 bekannten Boss Battles: Die gibt es hier nicht, stattdessen könnt ihr in allen Songs gegen die KI antreten - oder gegen einen Kumpel! Prinzipiell funktioniert auch alles ganz wunderbar, mit einer Ausnahme: Der Aktivierung der Power-Ups! Aus irgendeinem Grund werden sie nicht wie die Star Power durch Gepuste oder Tastengedrücke auf den Gegner abgefeuert. Oh nein, stattdessen müsst ihr den Stylus absetzen und eines der Icons anklicken, das links oben auf dem Touchpad auf seinen Einsatz wartet. Das Problem ist offensichtlich: Während ihr das macht, könnt ihr keine Noten spielen, ein Einsatz ist also nur in Spielpausen möglich, was natürlich den Überraschungseffekt ruiniert. Wie man es auch dreht und wendet, es gibt keine vernünftige Möglichkeit, den Feind mal eben mit einer Batterie an Fiesheiten einzudecken, ohne selbst Punkte zu verlieren - das ist dumm! Was umso bedauerlicher ist, als dass der Modus an sich hervorragend umgesetzt ist. Die WiFi-Verbindung klappt wunderbar, es gibt eine bemerkenswerte Anzahl an Items: Ihr könnt euer Gegenüber kurzzeitig blenden, eine seiner Saiten reißen lassen, seinen Schwierigkeitsgrad oder seine Geschwindigkeit erhöhen, hysterische Fans stürmen die Bühne und begehren nach schnell gekritzelten Autogrammen und einige Noten verwandeln sich in Bomben, die man tunlichst nicht erwischen sollte. Es gibt auch Defensiv-Items, die einem selbst nützen: Man kann Angriffe des Konkurrenten verhindern, die eigene Geschwindigkeit senken oder einfach Angriffsicons klauen. Neben der Gitarrenschlacht warten noch drei weitere Spielvarianten auf zwei Hosentaschenrocker: »Face Off« und »Pro Face Off«, in denen man mit unterschiedlicher oder gleicher Notenzahl gegeneinander antritt, sowie »Koop«, wo ihr gemeinschaftlich einen Song in Angriff nehmt - unterteilt in Lead-, Rhythmus- und Bassgitarre.

DS From Hell!

Technisch kann sich On Tour absolut sehen lassen: Die 3D-Grafik ist flott und detailreich.
 Technisch ist Guitar Hero On Tour sehr ordentlich: Als Solist bekommt man zwar nicht viel von der Hintergrundaktivität mit, aber die gut designten, wieder erkennbaren Figuren rocken ziemlich gut, die Arenen sind detail- und effektreich inszeniert. Vermutlich aus Rechenzeitgründen steht dieses Mal allerdings nur eine Drei-Mann-Band auf der Bühne, wodurch der Sänger gleichzeitig der Bassist ist - außerdem bewegen sich die kleinen Rocker nicht im Takt der Musik, aber das wäre auf dem DS wohl auch etwas zuviel verlangt gewesen. Umso schöner ist daher, dass sich die Entwickler Gedanken um eine gute Spielbarkeit auf dem Handheld gemacht haben: Ihr könnt überall auf dem Touchpad anschlagen, nicht nur über der eingeblendeten Gitarre - das macht das Leben gerade in der Gitarrenschlacht etwas leichter. Außerdem finde ich die Idee super, dass nach dem Pausieren erstmal eine Sekunde lang keine Noten eingeblendet werden bevor es weitergeht. So verhindert man, dass Kombos nach der Pause verloren gehen. Nicht so schön ist dagegen, dass es keine englischen Texte auf das Modul geschafft haben: Steht der DS auf Englisch, wird euch das Spiel spanisch vorkommen. Aber hey, zum Ausgleich liegt auch hier ein Batzen putziger Aufkleber der voluminösen Packung bei, mit dem ihr eurem ach so konservativen DS etwas Rocker-Attitüde verleihen könnt.   

Fazit

Bequem ist anders. Aber man soll ja nicht kuscheln, sondern rocken. Aber rocken ist irgendwie auch anders. Ich halte Vicarious Visions zugute, dass sie im Rahmen der DS-Möglichkeiten ein wirklich gutes Guitar Hero-Gefühl auf dem Handheld ermöglichen: On Tour spielt sich wie die großen Guitar Heros, abgesehen davon, dass ein Könner selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kaum ins Schwitzen kommen dürfte - vier Tasten lassen nun mal nicht irre viele Variationen zu. Das viel wichtigere Problem ist hier das gleiche wie im Jurassic Park: Die Entwickler haben sich die Frage gestellt, ob sie es schaffen konnten oder nicht; ob sie es tun sollten, die Frage stellte sich keiner. Ohne eine Plastikklampfe ist es einfach kein richtiges Guitar Hero, der Guitar Grip sitzt nicht zuverlässig, die Songauswahl ist klein, zum Teil fragwürdig und qualitativ teilweise wenig berauschend, um mal dem Wortspiel aus dem Weg zu gehen. Als Experiment in Sachen »Dinge, die auf dem DS möglich sind« ist es wirklich gelungen, außerdem sehe ich schon ein Heer an »Song-Packs« auf uns zurollen. Aber als eigentliches Spiel lässt es viele Wünsche offen.

Pro

gute Steuerung
größtenteils akzeptable Soundqualität
spaßige Mehrspielermodi
nette, effektreiche 3D-Grafik

Kontra

keine bequeme Haltung möglich
unzuverlässig sitzender Guitar Grip
nur 26 Songs
unzuverlässige Anschlagserkennung
Item-Einsatz in der Gitarrenschlacht umständlich

Wertung

NDS

Prinzipiell ein sehr gutes Hosentaschen-Guitar Hero - aber der Grip-Controller ist ebenso unbequem wie unzuverlässig.

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