Dragon Quest: Die Hand der Himmelsbraut12.02.2009, Jens Bischoff
Dragon Quest: Die Hand der Himmelsbraut

Im Test:

Letztes Jahr fand Dragon Quest IV als Die Chronik der Erkorenen erstmals seinen Weg nach Europa. Jetzt will auch Teil fünf der unter Fans Kultstatus genießenden Rollenspielsaga hiesige Spieler von seinen mittlerweile über 15 Jahre alten Qualitäten überzeugen. Hat die Hand der Himmelsbraut dabei mit denselben Alterserscheinungen zu kämpfen wie das Comeback des Vorgängers oder ist das Generationen umspannende Abenteuer auch heute noch ein kleines Meisterwerk?

Jahrzehnte lange Odyssey

Zu Beginn von Dragon Quest V mimt man einen sechsjährigen Jungen, der zusammen mit seinem Vater durch die Lande zieht, um seine verschwundene Mutter wieder zu finden.

Altes neu präsentiert: Anhand dieses Videos könnt ihr das Kampfsystem in Aktion sehen.Ein Vorhaben, das mehrere Jahrzehnte dauern soll, denn während seiner verzweifelten Suche wird man vom Kind zum Mann und am Ende selbst zum Vater, der mit seinen Kindern rastlos weiterforscht, um die auseinander gerissene Familie wieder zu vereinen. Ob das gelingt und wer für das Verschwinden verantwortlich zeichnet, wird natürlich nicht verraten, aber trotz tragischer Momente leidet auch dieses Mal die an sich dramatische Geschichte unter einer oft zu belanglosen Inszenierung, stummen austauschbaren Protagonisten und einer am Ende abgedroschenen auserwählter-Held-muss-die-Welt-vor-bösen-Dämonen-retten-Story...

Immerhin wird die Handlung im Gegensatz zum Vorgänger nicht mehr ständig durch originelle, aber lästige Neuanfänge ausgebremst. Stundenlanges stupides Aufleveln ist Schnee von gestern. Die Charakterentwicklung wirkt wesentlich ausgeglichener, der Spielverlauf um ein Vielfaches flüssiger. Des Weiteren sorgt das gelegentliche Ansuchen besiegter Gegner um einen Partyplatz für mehr Abwechslung und Individualismus. Allerdings kann das optimale Ausrüsten und Trainieren der Monster bis sie ihr volles Potential entfalten und bedingungslos Befehlen gehorchen sehr viel Zeit und Geld verschlingen. Trotzdem ist es ungemein motivierend die Entwicklung der anfangs noch sehr eigensinnig agierenden Bestien zu treuen und schlagkräftigen Gefährten zu verfolgen und Schritt für Schritt eine nach persönlichen Vorlieben zusammengesetzte Truppe zu bilden, die den unterschiedlichsten Anforderungen gewachsen ist.

Natürlich hat man auch immer wieder menschliche Begleiter im Schlepptau, die im Gegensatz zu den meisten tierischen Weggefährten auch in die Erzählung eingebunden sind. Das tut dem Spiel auch gut, da ein stummer Held mit grunzendem und schnaubenden Privatzoo kaum Dialogpotential bietet. Lästig ist nur, dass sich die Partyaufstellung bei Ortswechseln immer wieder automatisch ändert, indem aktive Bestien durch Menschen aus dem passiven Gefolge ersetzt werden, selbst wenn diese überhaupt keine Relevanz haben.

Auch grafisch fußt die Hand der Himmelsbraut auf dem Remake des vierten Teils der Saga.
Dadurch ist man immer wieder gezwungen manuell auszuwechseln, was ziemlich nerven und in seltenen Fällen sogar schwerwiegende Folgen haben kann. Auch das Speichersystem ist nicht unbedingt ideal. Zwar kann man jederzeit eine Schnellspeicherung vornehmen, aber danach muss man das System ausschalten. Ansonsten kann der Spielstand nur in Kirchen gesichert werden. In Dungeons ist Speichern komplett tabu. Selbst vor haarigen Bossfights gibt es keinerlei Absicherung, was einem trotz vorwiegender sehr kompakter Spielabschnitte einige nervige Wiederholungen bescheren kann. Vor allem der erneute Weg zum Endgegner ist eine ziemliche Tortur, die ich niemandem wünsche.

Alles wie gehabt?

Das Kampfsystem ist fast dasselbe wie im Vorgänger. Man rennt alle paar Meter in unsichtbare Zufallsgegner, die man dann rundenweise auseinander nehmen muss. Die Kämpfe selbst sind sehr simpel gestrickt. Man kann angreifen, sich verteidigen, Zauber wirken oder Gegenstände einsetzen. Auch ein Fluchtversuch ist in der Regel möglich, Ausrüstungs- und Charakterwechsel meist ebenso. Aus heutiger Sicht wirken die Scharmützel natürlich ungemein statisch und primitiv, das Formationssystem geradezu museumsreif. Immerhin kann man die Auseinandersetzungen mit taktischen Vorgaben auch automatisch ablaufen lassen, was vor allem bei harmlosen Gegnern, die man glücklicherweise auch ganz vermeiden kann, sehr angenehm ist. Aber auch sonst sind die Kämpfe angenehm flott, nur eben sehr zahlreich und daher gerade in Rätselsituationen extrem lästig. Zudem nervt es, dass man einzelne Gegner nicht immer gezielt auf Korn nehmen kann, sondern lediglich eine Gegnergruppe auswählt und dann hoffen muss, dass sich die Party halbwegs sinnvoll abstimmt und keine fulminanten Spezialangriffe auf ohnehin schon fast tote Kontrahenten verschwendet.       

Das alles kennt man aber ja bereits aus dem Vorgänger. Auch die Präsentation ist quasi identisch: Man wuselt mit liebevoll animierten 2D-Figuren durch sich über beide Bildschirme des DS erstreckende 3D-Schauplätze, die man meist frei drehen kann. Manchmal sind Kameraschwenks jedoch ohne erklärlichen Grund nur sehr eingeschränkt oder überhaupt nicht möglich. Auf der frei begehbaren Oberwelt wird der zweite Bildschirm hingegen als praktische Gesamtkarte, in Kämpfen und Menüs als hilfreiches Infofenster genutzt. Auch ein nützliches Monsterkompendium ist wieder mit an Bord. Schade ist nur, dass vom Touchscreen einmal mehr überhaupt kein Gebrauch gemacht wird. Lediglich bei einem belanglosen Minispiel darf man ein bisschen mit dem Stylus rumklopfen.

Viel zu tun

Aber keine Sorge, es gibt auch interessantere Nebenbeschäftigungen wie Tombolas oder das Sammeln von Minimedaillen, die man gegen seltene Kleinodien eintauschen kann. 

Netter Zeitvertreib: Dieses mehrere Spielbretter bietende Minispiel erinnert an Mario Party.
Auch Kasinobesuche stehen wieder an der Tagesordnung. Es gibt sogar mehrere Glückstempel, in denen man sein Geld nicht nur in einarmige Banditen stecken, beim Poker auf den Kopf hauen oder bei Schleimwettrennen oder Monsterkämpfen verbraten kann. Es gibt auch eine Reihe lebensgroßer Brettspiele im Mario Party -Stil, bei dem man sich über diverse Hindernis- und Ereignisfelder den Weg ins Ziel würfeln muss, um lukrative Belohnungen abzustauben.

Zudem kann man später ein altes Museum übernehmen und mit zahlreichen Kuriositäten füllen, die man dann anderen Spielern via WiFi präsentieren und sogar tauschen kann. Doch auch wer nicht viel für all diese Dinge übrig hat, wird 30 bis 40 Stunden mit der Hand der Himmelsbraut beschäftigt sein. Wer will, kann aber weitaus mehr Zeit investieren, um alle Schätze zu bergen, Monster zu rekrutieren, Storyverzweigungen und Sidequests zu erforschen und sich selbst nach dem Ende des Spiels noch in einem besonders herausfordernden Bonus-Dungeon auszutoben. Die Spielwelt darf man einmal mehr mit diversen Fortbewegungsmitteln zu Lande, zu Wasser und aus der Luft erkunden sowie lange Reisen durch einsetzbare Zauber und Items deutlich verkürzen.

Man spricht deutsch

Löblich auch, dass Square Enix wieder eine solide Eindeutschung mit verschiedenen Akzenten, Dialekten und anderen Sprachfärbungen hinbekommen hat, die manchmal zwar etwas übertrieben wirken, aber insgesamt eine gelungene Figur machen. Hören lassen kann sich auch der orchestral aufgebohrte Soundtrack. Sprachausgabe gibt es aber leider keine und auch die Effekte klingen trotz Facelift ziemlich angestaubt. Insgesamt wirkt die Präsentation aber sehr stimmig, es gibt sogar en paar kurze Zwischensequenzen in 3D. Besonders hübsch ist auch wieder der dynamische Tageszyklus gelungen, der nicht nur optisch für Abwechslung sorgt, sondern auch spielerisch Auswirkungen hat. Es gibt sowohl tag- als auch nachtaktive Charaktere, Monster und Einrichtungen. Auch bestimmte Ereignisse müssen zur richtigen Zeit abgepasst werden, was aber zum Glück nur selten ein Problem darstellt, da die Tage nicht nur kurz sind, sondern man die Uhrzeit später auch gezielt beeinflussen kann.

Wer das Original oder das DS-Remake des Vorgängers bereits gespielt hat, wird sich jedenfalls schnell zurechtfinden, aber eben auch kaum Überraschungen erleben. Zwar wurden ein paar Kleinigkeiten gegenüber der SNES-Vorlage verändert, aber im Großen und Ganzen wurde das Abenteuer inhaltlich 1:1 vom Original und spielerisch identisch zur Chronik der Erkorenen umgesetzt. Natürlich merkt man der Spielmechanik ihr Alter mittlerweile deutlich an und wer schon mit dem ersten Remake nicht warm wurde, dürfte auch am Nachfolger trotz erheblicher Fortschritte wie dem deutlich besseren Spielfluss wenig Gefallen finden. Dragon Quest IV-Veteranen und Fans klassischer japanischer Rollenspiele bekommen hingegen ein sehr stimmiges Comeback serviert, das auch heute noch zu gefallen, wenn auch nicht mehr wie damals zu begeistern weiß.     

Fazit

Die Hand der Himmelsbraut baut im Wesentlichen auf Spielmechanik und Präsentation des Vorgängers auf. Im Gegensatz zur Chronik der Erkorenen spielt sich das drei Generationen umspannende Familiendrama allerdings wesentlich flüssiger, da man nicht mehr die meiste Zeit mit stupidem Aufleveln verbringt. Zwar ist die Handlung nicht ganz so originell konzipiert und erzählerisch ähnlich schwach präsentiert wie im vierten Teil der Saga, aber das nimmt man angesichts der strafferen und storyintensiveren Struktur bei gleicher Spielzeit gern in Kauf. Den größten spielerischen Unterschied stellt wohl das Rekrutieren von Monstern dar, wodurch die altmodischen Zufallskämpfe etwas abwechslungsreicher und individueller ausfallen. Ansonsten blieb aber fast alles beim Alten: Man erkundet eine sich Schritt für Schritt erweiternde Fantasywelt auf der Suche nach seiner Mutter, sammelt in Städten und Dörfern Informationen, durchkämmt zahlreiche Dungeons, plättet rundenweise lästige Widersacher und löst das ein oder andere Rätsel. Auch abseits der Haupthandlung gibt es einiges zu tun, vom Sammeln seltener Medaillen über Kasinobesuche bis hin zum Ausstatten eines eigenen Museums. Zwar wirkt vieles mittlerweile reichlich antiquiert, aber Fans klassischer japanischer Rollenspielkost kommen dennoch auf ihre Kosten - und das nicht nur in einem charmanten Mix aus 2D- und 3D-Optik, sondern erstmals auch auf Deutsch.

Pro

rekrutierbare Monster
charmante Präsentation
unverwüstliches Spielprinzip
Generationen umspannende Handlung

Kontra

mickrige Dungeons
abgedroschene Story
antiquiertes Kampfsystem

Wertung

NDS

Charmant präsentierter, aber spielerisch antiquierter Rollenspielklassiker, der sich wesentlich flüssiger als der Vorgänger spielt.

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