Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf18.11.2008, Jörg Luibl
Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf

Im Test:

Viele Rätselspiele versprühen den Charme eines Hausarztbesuches: Da steht jemand Dreimalkluges in einem Kittel, untersucht die aktuelle Verfassung des Spielers und stellt Fragen, die zur Diagnose der Intelligenz führen. Das Ganze wird tabellarisch in kalten Farbtönen festgehalten. Was wäre, wenn ein Rätselspiel etwas kreativer, erzählerischer und ansehnlicher zu Werke gehen würde? Was wäre, wenn es den Charme eines Detektivromans versprühen würde?

Miyazaki lässt grüßen

Sieht aus wie ein Adventure, spielt sich auch wie ein Adventure: Während ihr oben das Dorf im Blick habt, könnt ihr unten mit Bewohnern interagieren, ein Gebäude betreten oder eine Richtung wählen. Ihr kommt bei einem Rätsel nicht weiter? Dann hilft unser Puzzle-Guide!
Ein rostrotes Auto tuckert gemächlich über grüne Wiesen und Felder. Während unbeschwerte Akkorde im Hintergrund für entspannte Stimmung sorgen, unterhält sich der Mann am Steuer mit einem Jungen. In seinem braunen Mantel samt Zylinder wirkt er wie ein europäischer Gelehrter des 19. Jahrhunderts, während der Kleine mit seiner blauen Uniform fast an ein Internatskind erinnert. In bestem britischem Akzent plaudert er mit dem Fahrer - es gibt tatsächlich Sprachausgabe, wenn auch nur englische.

Schon in diesen ersten Szenen verwandelt sich der DS in eine kleine Leinwand, auf der ein nostalgisches Gemälde entsteht. Man fühlt sich aufgrund des liebevollen Zeichenstils fast an die Filme eines Hayao Miyazaki erinnert. In Sachen Artdesign hat sich das Team von Level 5 jedenfalls bestens inspirieren lassen: Einfache, aber idyllische Bilder und sanft fließende Musik gehen hier eine ähnliche Symbiose ein wie in "Das Schloss im Himmel", "Chihiros Reise ins Zauberland" oder "Kikis kleiner Lieferservice". Auch wenn die Story letztlich nicht an diese Meisterwerke heran reicht, vertiefen all die feinen Zeichentrickfilme diese gefühlte Nähe.

Willkommen in Saint-Mystère

Worum geht es? Professor Layton und sein junger Assistent Luke sind auf dem Weg in das kleine Dorf Saint-Mystère, denn dort sollen sie nach dem Tod des Barons die Erbfrage klären. Das Testament des Verstorbenen ist auch gleich das erste Mysterium: Derjenige soll der alleinige Erbe sein, der den Sagen umwobenen Familienschatz findet. Allerdings ist dieser "Goldene Apfel" irgendwo in dem Dorf verborgen. Und kaum sind die beiden in der Villa angekommen, geschieht auch schon der erste Mord im besten Agatha Christie-Stil. Wie in einem guten Krimi wird hier also gleich die Neugier geweckt.

Wo befindet sich der Schatz? Wieso ist es ein Goldener Apfel? Und wer ist der Täter? Diese Fragen müssen die beiden bei ihrer Recherche vor Ort beantworten. Man bewegt sich wie in einem Adventure durch mittelalterlich anmutende Gassen, indem man Gebäude über ein Handsymbol betritt oder die Schauplätze über Pfeilsymbole wechselt. Zwar ist alles nur ausgesprochen spärlich animiert, aber dafür malerisch inszeniert.

Eines der ersten Rätsel zum Warmspielen: Hier muss man einfach ein gutes Auge haben.
Manchmal öffnet erst ein gelöstes Rätsel den Weg über einen Fluss oder durch ein verschlossenes Tor. Und manchmal ist es einfach die Zeit, die bestimmte Lokale öffnet - denn in Saint-Mystère geht irgendwann sehr stimmungsvoll die Sonne unter. Ähnlich wie Sherlock Holmes und Dr. Watson bilden die beiden eine Art Detektivteam, das über neun Kapitel Indizien sammelt und auf dem Weg zum großen Ziel viele kleine Rätsel lösen muss.

Denn jeder Dorfbewohner, der vielleicht etwas über den Mord oder andere Geheimnisse wie den düsteren Glockenturm weiß, kann auch ein Rätsel zum Besten geben. Also tippt man alle Leute an, um mit ihnen zu sprechen. Da dem Professor der Ruf eines messerscharfen Denkers voraus eilt, erwartet jeder natürlich eine Lösung, bevor er plaudert.

Rätsel für alle Fälle

Über 130 Kopfnüsse gilt es zu knacken, die meist von schrägen, schrulligen oder schillernden Dorfbewohnern stammen. Die sind vielleicht nicht immer so gut gezeichnet wie die wichtigen Protagonisten, aber sie sorgen für Leben und Abwechslung in den Gassen. Sind es zu Beginn simple Denk-, Mal- und Ausschlussaufgaben, steigern sich Anspruch und Vielfalt mit der Zeit. Es gibt Geometrie und Algebra, es gibt Mengenlehre und Statistik, es gibt optische Täuschungen und Scherzfragen, es gibt Verschiebe- und Logikrätsel, es gibt Kombinations- und Puzzlespiele, einen Hauch Sudoku sowie Rechen- und Symbolrätsel.

Das Schöne ist, dass die Entwickler auch viele historische Klassiker integriert haben, die seit Jahrtausenden in verschiedenen Kulturen für angeregtes Nachdenken gesorgt haben: Drei Wölfe und drei Schafe etwa, die mit einem Floß von der einen auf die andere Fluss-Seite gebracht werden müssen, ohne dass die Wölfe irgendwo in der Überzahl sind. Oder das Aufteilen von acht Litern Flüssigkeit auf jeweils vier Liter, wobei man nur Eimer bestimmter Litermenge zum Umfüllen hat. Der kleine Nachteil ist vielleicht, dass Kenner der Materie hier bei einigen Problemen nur müde gähnen werden und dass sich einige Rätseltypen auf Dauer wiederholen.

         

Intuition und Logik

Was hat es bloß mit den Bauteilen für diesen Hund auf sich? Die Neugier wird stets aufrecht gehalten....
Sehr angenehm ist, dass der Rätselstil vor allem auf Cleverness, Geduld und scharfen Verstand setzt, anstatt auf komplexe Rechnungen oder Formeln. Immerhin beruhen die Denkaufgaben auf Akira Tagos erfolgreicher Buchreihe "Gymnastik für den Kopf", die in Japan auch als dreiteilige Reihe (Reiton-ky'ju) für den DS erschienen ist. Und dieser Professor im Ruhestand hat sich vor allem mit Psychologie beschäftigt. Manchmal helfen also auch einfach Intuition und ein genauer Blick. Selbst geometrische Rätsel, die mit ihren rechtwinkligen Dreiecken sofort an den Satz des Pythagoras denken lassen, sind mit etwas Kombination und Logik leichter zu lösen. Aber nicht alles lässt sich auf Anhieb durchschauen, manche Aufgaben verlangen wirklich Konzentration. Das geht manchmal so weit, dass man sich eine Notizfunktion wünscht.

Zwar kann und muss man hier und da etwas ins Bild malen, was dank guter Schrifterkennung auch einwandfrei funktioniert, aber es wäre komfortabler gewesen, wenn man sich quasi ein freies Blatt zum Krakeln und Notieren öffnen könnte. Es gibt z.B. ein Rätsel, bei dem man sich vorstellen muss, wie sich ein verschlungenes Seil beim Straffziehen auf die darin eingefassten Münzen auswirkt - hier hätte man sich das Ganze mit einer eigenen Zeichnung besser verdeutlichen können.

Komfortables Hilfesystem

Aber das sind Peanuts, schließlich kann man auch neben dem DS einen Bleistift plus Block platzieren. Der Schwierigkeitsgrad zieht sanft an und dank eines vorbildlichen Hilfesystems landet man nicht in Sackgassen: Erstens könnt ihr überall versteckte Münzen in den Schauplätzen finden, wenn ihr in Point&Click-Manier mit dem Stylus auf all die Vasen, Blumen, Kamine, Kisten, Bücher und sonstiges Interieur tippt. Für jede Münze kann man sich wiederum einen von drei Hinweisen anzeigen lassen, die zunächst nur andeuten, bevor sie im letzten Schritt fast konkrete Lösungen anzeigen.

Frust kommt in diesem charmanten Spiel also selbst dann nicht auf, wenn man mal wie der Ochs im Walde vor einem Rätsel

Professor Layton löst nicht nur Rätsel, sondern muss auch entflohene Katzen finden und Morde aufklären.
steht. Die Motivation, etwas auf Anhieb zu meistern, ist dennoch sehr hoch, denn die volle Punktzahl an "Pikarat" bekommt man auch nur dann gutgeschrieben. Sprich: Nur wer ein Rätsel im Wert von 30 Punkten sofort löst, erhält auch 30 Punkte. Wer beim ersten Anlauf scheitert, erhält vielleicht nur 27 Punkte - und so weiter. Allerdings wird dabei nie bis null runter gezählt, es gibt immer einen Minimalwert. Die Höhe der Punktzahl entspricht dabei auch meist der Schwierigkeit des Rätsels. Man kann die Geheimnisse des Dorfes auch lüften, wenn man nicht jedes Rätsel auf Anhieb löst und sich helfen lässt.

Puzzle & Baukasten

Neben der Punkte lockt nach der Lösung eines Rätsels auch ab und zu ein Bauteil oder Puzzleteil: Erstere kann man sammeln und zu einer Art Roboterhund verbauen, Letztere ergeben am Ende ein Gemälde. Es geht also nicht nur um Ergebnisse, sondern auch um Geheimnisse. Und diese zweite Ebene macht dieses Spiel zu etwas Besonderem. Was es mit beiden auf sich hat, wird deshalb hier nicht verraten. Zu dieser zweiten Ebene gehört auch das Pensionsspiel mit Feng Shui: Ihr findet Möbelstücke, die ihr entweder bei dem Professor oder Luke platzieren könnt, um ihre Zufriedenheit im Zimmer zu erhöhen - jeder gibt zu jedem Stück einen hilfreichen Kommentar ab. Was passiert wohl, wenn man alle findet und beide zufrieden stellt?

Abgerundet wird das Spielerlebnis durch eine edle Benutzeroberfläche, die neben einem Tagebuch mit allen erzählerischen Details auch den Rätselindex beinhaltet. Hier könnt ihr später noch mal alle gemeisterten Aufgaben angehen. Wer das große Geheimnis um die Erbschaft und den Goldenen Apfel und tatsächlich alle 135 Rätsel gelöst hat, darf sich übrigens wöchentlich Nachschub über die Online-Verbindung des DS runterladen. Schön ist, dass Hinweise zur Lösung erst eine Woche später freigeschaltet werden.

   

Fazit

Was für eine zauberhafte Symbiose aus Adventure, Zeichentrick und Denksport! Da weht fast ein Hauch von Meisterschöpfer Hayao Miyazaki, wenn diese liebevollen Filme laufen und die Musik im Hintergrund für nostalgische Stimmung sorgt. Hier wird nicht nur eine schöne Geschichte mit Krimiflair erzählt, hier wird man auch auf überaus charmante Art und Weise in die trügerische Welt der Logik und Rätsel entführt. Auch wenn sich manche der 135 Kopfnüsse im Laufe des Ermittlungen wiederholen und man eine freiere Notizfunktion vermisst, sorgen Professor Layton und sein Assistent Luke für sehr gute Unterhaltung voller kniffliger Überraschungen. Das motivierende Punkte- und Hilfesystem lässt Frust gar nicht erst aufkommen und dank der seltsamen Bauteile, des Gemäldes und des Mobiliars lodert das Sammelfeuer selbst dann noch, wenn die Story so langsam nachlässt und die erzählerische Neugier etwas erkaltet. Wer steckt hinter diesem außergewöhnlichen Konzept? Das immer noch unabhängige Team von Level 5 ist vor allem in Japan kein unbekanntes und hat schon des Öfteren ein Händchen für stimmungsvolles Artdesign und atmosphärisch dichte Welten bewiesen. Spiele wie Dark Cloud 2 oder Rogue Galaxy sorgten auf der PlayStation 2 für beste Unterhaltung. Und gerade befindet sich mit White Knight Story ein viel versprechendes Rollenspiel für die PlayStation 3 in Entwicklung. Mit diesem Schmuckstück für Nintendos DS haben die Japaner ihre erfolgreiche Spielevita um einen epischen Knobler bereichert. Wer das Dorf Saint-Mystère einmal betritt, wird es nicht so schnell wieder verlassen...

Pro

Adventure-Flair & Knobelspaß
Detektivstory macht neugierig
sehr edle Präsentation
sympathische Hauptcharaktere
viele integrierte Zeichentrickfilmchen
schöner Tageszeitenwechsel
enorme Rätselvielfalt
gute Schrifterkennung
anschaulich erklärte Lösungswege
intelligentes Punkte- & Hilfesystem
unheimlich stimmungsvolle Musik
kleine Such- & Minispiele
gute deutsche Texte

Kontra

keine Notizblockfunktion- einige Rätseltypen wiederholen sich
Story lässt nach

Wertung

NDS

Ein angenehm kniffliger Denksportkrimi mit zauberhaftem Zeichentrick-Flair!

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