Giana Sisters DS06.04.2009, Paul Kautz
Giana Sisters DS

Im Test:

Die Geschichte der Giana-Schwestern ist eine Geschichte voller Missverständnisse - und ist man mit dieser vertraut, wird man sich mehr als nur ein Mal wundern, dass ein Remake derselben ausgerechnet auf einer Nintendo-Plattform erscheint. Wie wird der Geschlechterkampf wohl dieses Mal ausgehen, 22 Jahre nach dem Original?

Für den Liebhaber. Zum Liebhaben.

Das Oldie-Remake als Genre ist dem simplen Ansatz zum Trotz erstaunlich variantenreich. Form A nennt sich »Aufpolierte Umsetzung« wie in MegaMan Powered Up oder Bionic Commando Rearmed - im Großen und Ganzen die Original-Levels in einer brandneuen Hülle. Variante B wäre »Neues Spiel, alte Hülle« - kommt nicht so oft vor, kann aber, wie im Falle von MegaMan 9 , für Begeisterung sorgen. Die meistgenutzte Umsetzungsart ist aber mit »Inspired by« am besten zusammengefasst: Hier gibt's den bekannten Namen, die bekannten Figuren

Mei, ist das niiiiiiiiedlich: Die Präsentation ist erstklassig, pixelverliebt und detailgetreu. Nicht im Bild: Die hervorragende Musik, die Retro-Fans von der ersten Note an mitzappeln lässt.
und ab und zu sogar die Original-Designer, aber Drumherum wird ein neues Spiel gestrickt. Dieses Konzept ist nicht nur das beliebteste, sondern auch das risikoreichste, denn wenn man sich mit der Innovation zu weit aus dem Fenster lehnt, verschreckt man die alten Fans - genauso wie man kaum neue dazu gewinnt, wenn man sich zu sehr auf dem Staub alter Tage ausruht. Eine Gratwanderung also.

Die gute Nachricht: Giana Sisters besteht diesen kniffligen Balanceakt mit Bravour! Entwickler Bitfield besteht offensichtlich aus einem Haufen alter Giana-Fans, darüber hinaus war der Programmierer des Originals Armin Gessert als Produzent am neuen Teil beteiligt - optimale Voraussetzungen also. Und ich prophezeihe, dass kein Liebhaber der C64-Perle trockene Augen behält, sobald der Intro-Bildschirm über den DS-Screen scrollt: Groß die Buchstaben, die den Titel symbolisieren, herrlich zirpend die Musik aus den talentierten Händen von Fabian Del Priore, die den Stücken von Altmeister Chris Hülsbeck so nahe kommen wie nötig, aber auch viele frische Noten in den Soundchip hieven. Hach. Wirklich, ein Genuss! Startet man das Spiel, geht das freudige Luftschnappen weiter: Samtweiches Parallaxscrolling in mehreren Ebenen verziert den Hintergrund, Giana ist wundervoll pixelig und detailverliebt designt, das Leveldesign nutzt viele bekannte Elemente, alles ist wahnsinnig niedlich gestaltet. Kurz gesagt: Der Einstieg macht ausnahmslos alles richtig, was er für einen Giana-Fan richtig machen muss.

Im Schlaf durchgespielt?

Hat man allerdings die ersten paar Levels hinter sich gebracht, geht das große Kopfkratzen los: War Giana Sisters schon immer so einfach? Simpel die Sprünge, noch simpler die wenigen Gegner, problemlos auffindbar die versteckten roten Diamanten (die dazu dienen, am Ende jeder Welt einen Bonuslevel freizuschalten) - und die Levels selbst sind irre kurz, meist in weniger als einer Minute durchgehoppelt. Fast alle Gegner lassen sich mittels Draufspringen oder einem gut gezielten Feuerball erledigen - den man erhält, wenn man einen roten Ball aufsammelt, woraufhin aus dem harmlosen Blondchen

Schluckt Giana einen roten Ball, wuchern ihr die Haare rot und sie kann mit Feuerbällen um sich schmeißen. Ändert nix daran, dass das Spiel die meiste Zeit über schrecklich leicht ist - selbst die Bosskämpfe sind keine Herausforderung.
eine wilde Rothaarige wird. Im Original gab es weitere Upgrades, hier ist an dieser Stelle Schluss; diese Beschränkung auf das Wesentliche ist aber willkommen und wirkt nicht störend. Am Ende jeder Welt wartet noch ein Bossgegner, dem es allerdings an Abwechslung mangelt - jedes Mal ist es derselbe grüne Drache, der zum Ende hin ein paar Kopftreffer mehr verträgt, aber sonst immer identisch auszuschalten ist.

Das Problem ist, dass jeder untrainierte Schimpanse ohne jegliche Probleme die ersten sechs (von acht) Welten durchspringen wird, wobei hier Leben zu verlieren fast schon als Kunst angesehen werden muss - zumal es Bonusleben regnet, wenn man genug blaue Diamanten einsammelt. Die neuen Giana-Schwestern, eine herbe Verbeugung vor dem Casual-Jump-n-Runler? Nicht ganz, denn in der siebten Welt schwillt der Schwierigkeitsgrad auf einmal Final Fantasy-kompatibel an: Mit einem mal verlangen die Sprünge nach genauem Timing, sind die Levels erheblich komplexer und anspruchsvoller zu manövrieren (Highlight: die fast schon bizarre Welt 7-6), die Bonusabschnitte beißen auf einmal zurück - und dem anfangs so verlachten Zeitlimit pro Stufe kommt auf einmal erhebliche Bedeutung zu. Genau wie der Blase, einem von zwei Extras: An einem Kaugummi-Automaten gibt's lecker Kaukram, mit dem Giana Soul Bubbles -kompatibel durch den Level schwebt - entweder per einfachem Pusten ins Mikrofon oder per Druck auf die Sprungtaste. Beide Methoden funktionieren wunderbar, ich habe auf Dauer aber der Druck-Methode den Vorzug gegeben, die mir präziser vorkommt. Das zweite Extra ist eine Colaflasche, mit der man poröse Wände zerlegen und Gegner nach hinten drängen kann. Doch kaum freut man sich darüber, dass man endlich mal gefordert wird, ist das Spiel auch schon vorbei - sehr viel länger als fünf Stunden dürfte es kaum dauern. Danach bleibt leider nicht mehr viel zu tun: Zwar gibt es innerhalb des Spiels »Achievements« freizuschalten, mit denen Geübtere allerdings schon beim ersten Durchspielen keine Schwierigkeiten haben dürften.

       

Fazit

Der Einstieg ist für einen alten Giana-Fan die Erfüllung aller Retro-Träume: Fantastische Musik, irrsinnig niedliche Grafik, einfache Steuerung, vertraute Levelelemente - ach, wenn die wunderbare Fassade doch nicht so schnell bröckeln würde! Denn unter der zweidimensionalen Oldschool-Hülle ist Giana Sisters DS ein Hüpfspiel einfachster Sorte, das über weite Teile praktisch keine Herausforderung ist - erst kurz vor dem Ende entflammt unvermittelt anspruchsvolles Potenzial. All das prädestiniert die Schwestern für jüngere oder im Hüpfbereich unerfahrene Spieler, die mit Super Princess Peach oder Garfield's Nightmare ihre Freude hatten - ältere Zocker, die auf einen Brocken auf Original-Niveau hofften, dürften schnell durch und noch schneller enttäuscht sein. In kurzen Schüben ist Bitfields Spiel alleine wegen der liebevollen Darbietung eine klare Empfehlung - wer anspruchsvolles Hüpfen sucht, ist nach wie vor bei den New Super Mario Bros. an der richtigen Adresse.

Pro

niedliche Präsentation
beschwingter Soundtrack
einfache Steuerung
zum Ende hin ausgefuchstes Leveldesign

Kontra

über weite Teile sehr, sehr, sehr einfach
kein Mehrspielermodus weit und breit
abwechslungsarme Gegner

Wertung

NDS

Die Präsentation ist eine Retro-Wucht - leider enttäuscht die neue Giana alte Fans mit niedrigem Schwierigkeitsgrad.

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