Syberia DS18.12.2008, Bodo Naser
Syberia DS

Im Test:

Ein wohlgehütetes Geheimnis, sprechende Apparaturen und eine poetische Geschichte mit einem Schuss Kapitalismuskritik - das sind die Zutaten von Syberia. Jetzt gibt es Benoit Sokals Grafik-Adventure, das bereits 2002 für PC erschien, auch für den DS. Macht Kate Walkers Trip nach Sibirien nach all den Jahren noch Spaß?

Bekannte Story

Syberia (den 4P-Test gibt's hier)  ist neben Amerzone das bekannteste Adventure von Benoit Sokal, 

Kate ist wieder einem Geheimnis auf der Spur. Dieses Mal im Kleinformat.
dem belgischen Comiczeichner und Spielemacher. In Syberia geht es um eine amerikanische Anwältin namens Kate Walker, die dem Geheimnis der Familie Voralberg auf der Spur ist. Eigentlich will sie nur den Verkauf von Voralbergs vorsintflutlicher Automatenfabrik abschließen, die an einen US-Spielzeugkonzern gehen soll. Doch die letzte Vertreterin der Familie, Anna, ist verstorben, bevor Kate ihr Einverständnis einholen kann. Was soll sie nun tun? Angeblich soll es noch einen Sohn namens Hans geben, der vor langer Zeit im Streit wegging. Es war seine Vorliebe für zottelige Urzeittiere, die ihn in die eisigen Weiten des Ostens trieb.

Obwohl die DS-Version eigentlich von Mindscape und nicht von Sokal selbst stammt, hält sie sich in punkto Story genau an die Vorlage. Zunächst glauben alle noch, dass Hans tot sei. Doch seine Schwester Anna wusste, dass es anders war. Es wird immer klarer, dass der Sonderling im bitteren Streit mit seinem Vater lag. Der wollte, dass Hans in der heimischen Fabrik arbeiten sollte. Doch Hans zog es hinaus in Ferne, was sein Vater einfach nicht verkraften konnte. Er ließ ihn daraufhin symbolisch beerdigen. Zugleich sind die außergewöhnlichen Automaten, die Hans entwarf, nicht nur reine Spielmaschinen, denn sie haben eine Seele. Obwohl die Story nur teilweise realistisch wirkt, hat sie doch einen realen Kern, denn die antiquierte Welt wird vom amerikanischen Kapital bedroht. Und in Sibirien gelangen immer wieder Mammuts an die Oberfläche, die aussehen, als hätten sie gerade noch gelebt.

Kate in Aktion

Man spielt ausgerechnet die Person, die zunächst das große Geld repräsentiert. Eigentlich muss der Spieler dafür sorgen, dass der Verkauf der in die Jahre gekommenen Firma über die Bühne geht. Doch Protagonistin Kate entfernt sich schnell von ihrer eigentlichen Aufgabe als Anwältin, da sie immer mehr in die Geschehnisse hineingezogen wird. Zunächst befolgt sie noch die Anweisungen ihres Chefs, aber dann wird sie selbst zur Akteurin. Ihr Schicksal ist quasi vorbestimmt, indem sie sich auf die Suche nach Hans macht. Leider verläuft die Story linear, so dass man einmal mehr keine Wahl hat, wie man sich verhalten möchte. Der Spieler muss den Weg nachspielen, der für Kate vorgesehen ist. Einzige Freiheit ist, innerhalb der Kapitel hinzugehen, wohin man möchte.

Man startet in Valadilene, dem fast menschenleeren Stammsitz der Voralbergs in den französischen Bergen, wo man Licht ins Dunkel bringen soll. Der Ort ist ein wenig verlottert, aber noch so gut in Schuss, dass man die überall präsenten Maschinen per Stylus in Gang setzen kann. In Valadilene gibt es ein Labyrinth, das aber nicht viel bietet, da es zu klein ist. Solche Sackgassen sind nicht selten, da man immer wieder an bauliche Grenzen stößt. Diese Tür lässt sich partout nicht öffnen, jener Schrank ist nur Staffage und hier ist der Parcours zu Ende. Das hätte man sich ebenso sparen können wie die Rädchen, die ihr auf dem Touchscreen drehen müsst.

Handheld-Rätsel

Auch die Rätsel halten sich an die Vorlage, so dass man die Komplettlösung für den PC verwenden kann, wenn man mal

Trotz übersichtlicher Menüs überseht ihr manchen Hinweis, weil vieles zu klein ist.
nicht weiter kommt. All zu oft ist das aber nicht der Fall, da die Rätsel stark vereinfacht wurden. Es gibt nur wenige Gegenstände, Dialog- und Interaktionsmöglichkeiten. So sind viele der Aufgaben nicht der Rede wert. Man muss beispielsweise eine Karte in einen Schlitz einer Maschine reinstecken und an einem Seil ziehen, das war's schon. Dem DS-Publikum werden wohl einmal mehr keine komplexen Puzzles zugetraut. Einige Rätsel hat man sich gleich ganz gespart, so muss Kate beim Handy nicht mehr selber wählen, sondern nur den Gesprächspartner aussuchen. Dennoch ist das Adventure mit viel Laufarbeit verbunden, da man immer wieder suchend umherstreift und es keine Schnellreisefunktion gibt. Das nervt schnell, weil man bald alles gesehen hat.

Zudem ist die Bedienung reichlich missglückt, so dass man viele Dinge gar nicht sieht. Es gibt zwar eine Funktion, bei der auf dem Bildschirm per Touchpen alle Möglichkeiten angezeigt werden sollen. Doch ausgerechnet sie funktioniert nicht recht, da viele Sachen gar nicht angezeigt werden - hier hat das Entwicklertram geschlampt. So läuft man vorbei und sieht nicht, dass es dort eigentlich noch weiter gehen würde. Die Übergänge in die anderen Räume sind auch nur suboptimal, da sie gar nicht leicht zu treffen sind. So kann es schon mal sein, das man x-mal wo raus und wieder reinlauft. Kate schleicht zudem ziemlich, so dass die Durchquerung eines größeren Areals zur Geduldsprobe wird.

Sokal-Stil

Die opulenten Hintergründe, durch die man ausgiebig wandelt, sind im unnachahmlichen Stil Sokals gezeichnet, den man als finsteren Jugendstil bezeichnen könnte. Wer zuletzt Sinking Island gespielt hat, weiß um die Schwermut der Zeichnungen. Trotz geringerer Auflösung, kommen sie fast an die PC-Version heran. Leider fügt sich Kate nicht immer lebensecht in die Umgebung ein. Etwas heller sind die weiteren Stationen auf eurer Reise: Barockstadt, Aralbad und Komkolzgrad. Barockstadt wiederum erinnert an ein riesiges Gewächshaus, in dem sich Vögel herum treiben, Komkolzgrad eine Fabrik und Aralbad ein verlottertes Seebad.

Immerhin sorgen kunstvolle Filme immer wieder für ein wenig Leben, die sich ebenfalls an der PC-Fassung orientieren. Der Umfang ist jedoch wie der des ganzen Spiels geringer. Allerdings gibt es keine Sprachausgabe, weshalb ihr außerhalb der Videos alles nachlesen müsst. Zusammen mit der klassischen Musik weht schon ein Anflug von russischem Flair durch die Gegend, die aber weitgehend unbewegt verharrt. Die Umgebung ist fast ohne Leben, was wiederum typisch für Sokals Werk ist.

       

Fazit

Ich war nie ein großer Freund von Syberia, denn trotz der erzählerischen Stärke war es mir immer zu steif und unbelebt. Auch diese DS-Umsetzung kann mich nicht fesseln. Story, Szenario sowie Hintergründe im Jugendstil sind fast identisch zur PC-Fassung, auch wenn alles eine Nummer kleiner ist und man auf eine Sprachausgabe verzichten muss. Aber alles, was Benoit Sokals Adventure spielerisch ausmachte, fehlt hier jedoch, wurde stark verkürzt oder versimpelt. Die Rätsel sind ein Witz, da sie viel zu einfach sind, man trifft noch weniger Leute, mit denen man sich unterhalten kann und die Steuerung ist nicht präzise genug. Besonders stört mich, dass man viele Dinge schlicht übersieht, weil die Darstellung zu klein geraten ist. Die tolle Umschau-Funktion, die den sich verändernden Mauszeiger ersetzen soll, ist letztlich sinnlos, da viele Möglichkeiten gar nicht angezeigt werden. Was bringt das, wenn nicht alles Wichtige markiert wird? Wer unbedingt mal Syberia besuchen möchte, sollte also lieber auf die PC-Version zurückgreifen und den lieblosen DS-Trip links liegen lassen. Der endet übrigens ebenso unvermutet auf halber Strecke wie der große Bruder. Hoffentlich wird man den Nachfolger qualitativ hochwertiger für Stylus & Co entwickeln.

Pro

poetische Story
Reise nach Osten
stark vereinfachte Rätsel
Handlung mit PC-Adventure vergleichbar

Kontra

bisweilen zu simpel
viel Laufarbeit
viele Rätsel ohne Sinn
linearer Verlauf
man übersieht vieles
menschenleere Areale

Wertung

NDS

Die eher lieblose Umsetzung hat nur wenig sibirisches Flair.

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