Test: Shin Megami Tensei: Strange Journey (Redux) (Rollenspiel)

von Jens Bischoff



Entwickler:
Release:
18.05.2018
03.2010
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Zudem lässt sich der Anzug individuell mit sekundären Applikationen bestücken, die von regenerativen Kräften über Beuteboni und Kampfvorteile bis hin zur Beeinflussung von Dämonenverschmelzungen reichen. Wie von anderen Shin Megami-Episoden gewohnt, lassen sich Dämonen nämlich nicht nur rekrutieren und trainieren, sondern auch fusionieren. Die Zuchtmöglichkeiten sind sehr umfang- und facettenreich: Strange Journey bietet über 300 verschiedene Kreaturen mit abweichenden Fähigkeiten, die sich nicht nur bei der Erschaffung, sondern auch der weiteren Entwicklung beeinflussen lassen. Auf die allgemeine Entwicklung kann man hingegen keinen Einfluss nehmen. Stärke, Schnelligkeit und andere Attribute steigen sowohl bei den Dämonen als auch dem Protagonisten automatisch an. Da sind Persona-Fans mehr Freiheiten gewöhnt. Auch das in Persona 3 zumindest stilistisch auf dem Höhepunkt angelangte Verwandeln in übernatürliche Alter-Egos vermisst man in Strange Journey irgendwie.

Die Party besteht quasi immer aus euch als Mensch, der bis zu drei dämonische Mitstreiter im Schlepptau hat, die er aus einem schrittweise anwachsenden Pool an Begleitern beschwören kann. 
Die rundenbasierten Kämpfen drehen sich nach wie vor um das Ausnutzen feindlicher Schwächen. Erfolgreiche Teamangriffe hängen jedoch nur noch von der moralischen Gesinnung ab.
Löblich ist dabei die Möglichkeit einmal beschworene Dämonen dauerhaft in einem Kompendium sowohl in ihrer ursprünglichen als auch aktuellen Form zu verewigen und jederzeit gegen einen entsprechenden Obolus wieder reaktivieren zu können. Man kann seine Kreationen sogar in einen Passcode verwandeln, um verschiedene Versionen derselben Gattung auf Abruf bereit zu halten oder sie anderen Spielern zur Verfügung stellen, wenn sie über das nötige Kleingeld zur Beschwörung verfügen, das bei besonders mächtigen Exemplaren natürlich entsprechend hoch ausfällt. Bezüglich Zucht- und Archivierungsmöglichkeiten lässt Strange Journey jedenfalls eindrucksvoll seine Muskeln spielen.

Taktische Weichspülung

Anders sieht es hingegen bei den neuen Team- bzw. Bonusattacken aus, die nicht länger die Verkettung von Angriffen auf individuelle Schwachstellen, sondern eher die moralische Integrität der Kampfteilnehmer belohnen. Natürlich muss man auch in Strange Journey gezielt Schwachstellen ausfindig machen und aufs Korn nehmen, um zusätzliche Treffer landen zu können. Aber statt diese gekonnt miteinander zu verknüpfen, reicht es jetzt einmal zu treffen und alle Partymitglieder gleicher Gesinnung hauen automatisch mit drauf. Das klingt anfangs vielleicht gar nicht so schlecht, aber da es nur drei Gesinnungen mit jeweils genügend Vertretern gibt, formt man einfach eine einheitliche Multifunktionsparty um die moralische Ausrichtung des Protagonisten und teilt immer ordentlich aus. Bonusattacken der Gegner wurden sogar komplett fallen gelassen, so dass man sich auch um die eigenen Schwächen nicht mehr so viele Gedanken machen muss.

Spielfluss und Zugänglichkeit profitieren davon natürlich, aber Taktik und Anspruch nehmen im Gegenzug spürbar ab. Was einem lieber ist, muss jeder selbst entscheiden - ich persönlich hätte auf diesen Weichspülgang aber gern verzichtet. Nicht, dass das Spiel dadurch zu einfach wird, fordernde Bossfights gibt es nach wie vor. Aber diese erfordern weit weniger taktische Spezialisierungen als stupides Aufleveln. Das grundlegende Schwachstellensystem ist zwar nach wie vor da und weiß zu gefallen, aber es fehlen einfach die Feinheiten - selbst die Gegneranalyse verläuft ungewohnt statisch.

Eine Frage der Moral

Abseits der primitiven Verwendung in den Kämpfen ist das Moralsystem aber durchaus interessant. Es wirkt sich nicht nur auf die leider etwas zu willkürlich ablaufenden Rekrutierungsdialoge, sondern auch auf das zu erwartende Spielende aus. Aus heutiger Sicht wird aber auch hier etwas zu schwarzweiß gemalt. Entweder steht man auf der Seite des Gesetzes, auf der des Chaos oder in der neutralen Mitte - Nuancen dazwischen gibt es nicht. Zudem ist es oft so, dass man seine Gesinnungs ändernden Entscheidungen eher aufgrund der bevorzugt verwendeten Dämonen fällt, als dass man sich Gedanken darüber macht, wie man persönlich zu einem bestimmten Thema steht.

Das kann aber auch daran liegen, dass die Story weit weniger bizarr und geheimnisvoll wirkt, wie sonst. Man hat fast das Gefühl, als wären die Entwickler plötzlich zu Moralaposteln mit erhobenem Zeigefinger und abgedroschenen Populismen mutiert, die eine Parallelwelt mit visualisierten Menschheitssünden wie Dekadenz, Umweltverschmutzung oder Krieg auffahren, die wie eine futuristische Sintflut die Erde reinwaschen will, während man selbst religiöse Zugehörigkeiten abwägt. Zum Glück ist zwar nicht alles so plump wie es scheint, aber dieses bisher so gekonnt implementierte bizarre Antlitz des Unerklärlichen blitzt in Strange Journey einfach zu selten auf. Vieles wirkt einfach zu gewöhnlich, zu simpel, zu vordergründig.

Kommentare

Cerenia schrieb am
Deathbringer Reaper hat geschrieben:Ein Release bei uns wird es höchstwahrscheinlich nicht mehr geben oder?
Das Spiel ist Anfang des Jahres in Amerika erschienen, ich glaube um den Dreh März bis April. Ein Europa-Release ist noch möglich, aber besser du tust es wie ich und importierst dir das Spiel. Auf Dauer sehr unterhaltsam.
Wenn du es aber importierst, es ist möglich dass der beiliegende Bonus-Soundtrack defekt ist. Atlus ersetzt die CD kostenfrei und verschickt das Paket sogar bis nach Europa, kann ich bestätigen. :wink:
Die Lieferung wird aber ein paar Wochen dauern, da Atlus den kostengünstigsten Versand wählt.
Wenn du "Lucifer's Call" oder Etrian Odyssey gespielt hast wirst du dich jedenfalls sofort heimisch fühlen.
Was ich zum Test zu sagen habe, gut. Ihr hättet aber mehr auf das Fusions-System eingehen sollen. Insbesondere die Skillvererbung hat sich seit Persona stark gewandelt. Anstatt dass das Fusionsprodukt zuföällig gewählte Skills bekommt hat jede fähigkeit nun einen Rang. Je stärker der Skill, umso höher der Rang - und in Fusionen bekommt man grundsätzlich Niederrangige Skills. Ändern kann man das nur, indem man eine "Source" benutzt und... argh... dieses Fusionssystem hat mir sehr viel Freude genommen.
Was die Story angeht fand ich sie hingegen sehr gut in Szene gesetzt, mir fiel nichts negatives auf. Die geheimen Stars des Spiels sind eh Zelenin und Jimenez, dafür dass sie SMT-typisch eine eindeutige Zugehörigkeit haben. Ich fand's schade um Zelenin, Jimenez mochte ich hingegen nie.
Aurinko schrieb am
Guter Test! Ein Release bei uns wird es höchstwahrscheinlich nicht mehr geben oder? Seit Persona 3 schenk ich der Shin Megami Tensei Reihe nämlich gern mehr Aufmerksamkeit.
schrieb am