Again02.06.2010, Bodo Naser
Again

Im Test:

Der Titel Again deutet schon darauf hin, dass sich im gleichnamigen DS-Adventure etwas wiederholt. Im neuen Thriller der Entwickler von Hotel Dusk: Room 215 (Wertung: 90%) geht es um eine mysteriöse Mordserie, bei der ein paranormal begabter Ermittler an seine Grenzen gerät. Kann auch dieses Spiel als psychologisch interessanter Krimi begeistern?

Bulle und Hellseher

Im Umfeld von Serienmorden kommt es fast immer zu unerklärlichen Ereignissen: Es treten seltsame Leute auf den Plan, die fest behaupten, Kontakt mit dem Jenseits zu haben. Selbsternannte Hellseher bieten sich der Polizei an, den Fall zu lösen.

Jonathan und seine Kollegin müssen sich nicht nur um eine neue Mordserie sondern auch um einige Altfälle kümmern.
Zeugen wollen das Opfer auch nach der Tat noch lebend gesehen haben, obwohl es schön längst unauffindbar war. Und Nachbarn des Mörders können nicht glauben, dass der "nette Mann von nebenan" dieses Blutbad angerichtet haben soll. Vermutlich dienen all diese Vorkommnisse nur dazu, mit dem monströsen Geschehen fertig zu werden, denn jeder geht anders mit Schmerz, Wut oder Trauer um.

Again bildet da keine Ausnahme: Sein Hauptdarsteller hat Visionen, die ihm vor Augen führen, wie ein früherer Mord gelaufen ist. Sobald der stets seriös gekleidete Mittdreißiger Sachen vom Tatort anfasst, laufen bei ihm innere Filme ab, die allerdings oft schemenhaft sind. Darauf sind nur selten Personen zu erkennen und dennoch bringt es ihn weiter. Für Jonathan Weaver ist das praktisch, denn er ist Polizist beim FBI und so seinen Kollegen einen Schritt voraus, die ihn nur kurz J nennen. Allerdings hat das Hellsehen auch so seine Nachteile, denn wenn er es übertreibt, nimmt er körperlichen Schaden und kann sogar sterben. Für den Spieler ist dann "Game Over" und neu laden angesagt.

Morde reloaded

Alles beginnt genretypisch mit einem Mord in einer fiktiven amerikanischen Stadt, wo J und seine Kollegin und Stichwortgeberin Kate ermitteln. In einem Hotelzimmer wurde ein männlicher Toter gefunden, der offenbar erschlagen wurde. In Amerika fast schon der Normalfall, würde man meinen, wo jährlich Tausende ermordet werden. Das Brisante ist, dass es genau vor 19 Jahren schon einen Mord gab, der eine fast identische Handschrift trug. Wiederholt sich die Tat? Als die beiden Zeugen befragen, um Licht ins Dunkel zu bringen, geschehen noch weitere Morde, die ebenfalls früheren ähneln. Offenbar handelt es sich um eine ganze Serie. Kopiert ein Trittbrettfahrer alte Morde oder ist es derselbe Täter?

Den früheren Killer umgeben auch mehr Geheimnisse als Fakten, denn er wurde nie gefasst. In Polizeikreisen nennt man den

Namedropping auf dem DS: Was hat dieser Typ mit dem Fall zu tun? Soll man ihn verhören oder weiter zum nächsten Zeugen?
Mörder schlicht "Providence", da er sein Zeichen hinterließ - das Auge von Providence. Bei den neuen Morden ist das auch zu finden, was darauf hindeutet, dass er es sein könnte. Im Verlauf der über mehrere Kapitel hinziehenden Ermittlungen und beim Vergleich mit den alten Fällen wird aber deutlich, dass es sich unmöglich um nur einen Täter handeln kann. Die Sache scheint immer verworrener, denn vielmehr ist es wohl so, dass jeweils das nächste Mordopfer den vorherigen Mord beging. Wie hängt das zusammen?

Buch zum Spielen

Again nennt sich interaktiver Krimi, was das Spiel auch ist: Demonstriert wird das durch das Hochformat, das an ein Buch erinnern soll. Von Anfang an muss man viel lesen, da es keine Sprachausgabe und bis auf spärliche Fragmente auch keine Filme gibt. Alles, was man wissen muss, erfährt man von den virtuellen Akteuren, die fotorealistisch aussehen. Die Geschichte beginnt recht verwirrend, auch weil viele Namen auftauchen, aber je weiter man spielt desto erhellender wird's. Mit steigender Spieldauer steigt so auch die Lust, den Fall zu lösen, da man wissen will, wie die Ereignisse aufgelöst werden. Zu verstehen ist das englische Original zum Glück recht gut, da es sich um recht einfache kurze Sätze handelt. Man muss also nicht oft nachschlagen, was ein ausgefallenes Wort bedeutet.

Obwohl die echten Schauspieler entfernt an jene aus den Horroradventures Phantasmagoria erinnern, ist das Spiel doch eher harmlos. Es gibt keine blutigen Leichen zu besichtigen, obwohl gemordet wird, was das Zeug hält. Bezeichnend ist, dass J immer erst dann auf den Plan tritt, wenn die Leiche schon weg ist. Auch auf Schocksequenzen wurde verzichtet, weshalb es dem Spiel an Nervenkitzel fehlt, woran auch die auf Spannung getrimmte Sounduntermalung wenig ändern kann. Das ist schade, denn durch die paranormalen Fähigkeiten des Helden und die seltsame Mordserie wäre es prädestiniert für eine unheimliche Atmosphäre, die es fast nie erreicht. Alles wirkt eher so nüchtern wie die Büros der Mordkommission.

          

Kaum Spielinhalt

Der Begriff interaktiver Roman deutet schon an, dass es eigentlich kein waschechtes Spiel ist. Das hat zur Folge, dass es auch recht wenig zu tun gibt: So gibt eigentlich fast keine klassischen Rätsel, wie man sie von richtigen Adventures kennt.

Wer die Morde lösen will, muss alle Hinweise finden, darüber visionieren und in die richtige Reihenfolge bringen. Nur dann geht's weiter.
 Dass man mal einen Schlüssel suchen, eine Kombination rausfinden oder eine Schloss öffnen muss, ist die Ausnahme.

Stattdessen hat Agent J an jedem Spieltag auf Knopfdruck eine Eingebung. Die ist immer an den Tatort gebunden, an dem man ihn durch Räume steuern muss. Konkret handelt es sich eigentlich um nicht mehr als einen Vergleich des Tatorts jetzt und vor 19 Jahren, bei dem man Unterschiede erkennen soll. Aufgrund der unscharfen Darstellung der wenigen Räume ist das gar nicht so einfach. Man muss etwa rausfinden, dass etwas umgefallen ist, hinzugefügt oder entfernt wurde. Wieso wurden etwa Einschusslöcher überklebt? Wieso fehlt die Lampe?

Hat man einen Verdacht, kann man es mit einer Vision versuchen, was aber schon allein von der Bedienung keinesfalls selbsterklärend ist. Auch das Handbuch beschreibt diese trotz Abbildung nur kurz, so dass man beim ersten Mal nicht so recht weiß, was zu tun ist. Durch längeres Drücken kann man weiter eintauchen, um eine Version auszulösen. Immer klappt das nicht und dann werden Lebenspunkte abgezogen.

Ziel ist es, am Schluss alle Teile des großen Puzzles zusammen zu bekommen, in die der einzelne Fall symbolisch zerteilt ist. Es sieht aus wie ein zerbrochener Spiegel, der aus mehreren Scherben besteht, was eine der wenigen gelungenen optischen Highlights des Spiels ist. Hat man alle Scherben zusammen, kann man sich an die Lösung machen, wobei hinter jedem Teil mindestens eine Vision steckt.

Charakterköpfe fehlen

Abgesehen von den Visionen besteht Again hauptsächlich aus Dialogen, die allerdings meist knapp sind. Immerhin sieht man auch mal, wer hinter all den Namen steckt, die so durchs Spiel schwirren. Leider sind nur selten echte Typen drunter, auch wenn sie von Schauspielern verkörpert werden. Da ist der Obdachlose, der so schön schräg aussieht und damit heraussticht, aber viele der Beamten wirken schlicht austauschbar. Das gilt auch für den Hauptdarsteller, der wenig Format hat. Das einzige, was ihn besonders macht, sind seine Eingebungen.

Zudem laufen die Gespräche recht einseitig ab, da es auch hier kaum was zu tun gibt. Man kann den Dialogen keine Richtung geben, da es kein Multiple-Choice gibt - so ist man zum Zuhören verdammt. Stattdessen kann man wie so oft nur das Thema der Frage wählen, weshalb die Gespräche kaum mehr als reine Informationsgewinnung sind. Das ist etwas zu wenig für ein Spiel, das aus so vielen Texten besteht.

   

Fazit

Again hat durchaus erzählerisches Potenzial, da die Mordgeschichte angenehm mysteriös verläuft. Bis zum Schluss fragt man sich, wie der finstere Hase wohl läuft. Je länger man spielt, desto mehr will man über den oder die Täter wissen. Auch die Idee mit dem Polizisten, der Visionen hat, ist als Ermittlungstechnik grundsätzlich interessant. Beim Vergleich der alten und neuen Orte hat man sich allerdings keinen Gefallen getan, denn das läuft etwas zu umständlich. Das Suchen der Spuren müsste gerade auf der Handheld-Konsole intuitiver laufen, auch wenn die Lösung mit den zerbrochenen Spiegeln optisch beeindruckt - äußerlich ist das DS-Abenteuer eher bieder, da gescheite Filme fehlen. Stattdessen gibt es nur Schnipsel, die auf Dauer nicht satt machen. Ansonsten kommt der Krimi eher nüchtern als unheimlich daher. Und zum echten Schmökern laden die eher informativen Texte nicht ein: Die echten Darsteller können auch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Charaktere klischeehaft wirken und man die vielen Dialoge leider nicht beeinflussen kann. Sehr schade ist auch, dass es kaum echte Rätsel sondern eher Suchorgien gibt. Im Gegensatz zum grafisch, psychologisch und spielerisch weitaus interessanteren Hotel Dusk bewegt sich Again als interaktiver Thriller nur noch auf befriedigendem Niveau.

Pro

angenehm mysteriöse Story
Visionen als Ermittlungstechnik
nett umgesetzte Falllösung

Kontra

kaum echte Rätsel
wenig Nervenkitzel
oft frustrierende Suche in Visionen
viele Klischee-Charaktere
Dialoge ohne Einflussmöglichkeit

Wertung

NDS

Klischeehaftes Schmalspur-Adventure, das trotz Visionen des Helden und netter Story inhaltlich wenig bietet.

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