Last Window: Das Geheimnis von Cape West25.10.2010, Bodo Naser
Last Window: Das Geheimnis von Cape West

Im Test:

Wer nach Hotel Dusk adäquaten Nachschub für den DS braucht, kann sich jetzt bei Last Window: Das Geheimnis von Cape West (ab 89,99€ bei kaufen) einmieten, das auch von Cing stammt. Darin ist derselbe Detektiv abermals mysteriösen Verwirrungen in einem alten Gemäuer auf der Spur, die ihn diesmal persönlich betreffen. Macht der interaktive Roman genauso viel Spaß wie der Vorgänger?

Spielbares Buch

Mann - jetzt schleicht der Typ schon wieder auf dem Gang vor meiner Tür rum! Er wohnt gegenüber, heißt glaub ich Tony und ist schlimmer als die Pest. Er scheint im Haus auf mich zu lauern, um mich anzuhauen.

Zeichnung von Tony: Manch einen Nachbar mag man und manchen eben nicht. So ist das in einem Mietshaus.
 Der Gelegenheitsmusiker hat irgendwie einen Narren an mir gefressen, nur weil ich ihm einmal geholfen habe. Hätte ich wohl lieber gelassen! Er ist ständig auf der Suche nach jemandem, dem er das Ohr voll quasseln kann. Meist geht es dabei um irgendwelche Gefallen, mit denen er einen austricksen will. Er braucht z.B. Kohle, um sie zu verzocken - seine Freundin hat mir erzählt, dass er alles beim Pferderennen durchbringt; ich soll ihm bloß kein Geld geben. Jetzt klopft er sogar bei mir an die Tür! Und wie ich ihn kenne, wird er nicht locker lassen, bis ich öffne. Ich brauche meine paar Kröten für die Miete, was ich ihm klarmachen muss. Nur wie?

So oder so ähnlich könnte es im dritten Kapitel lauten, in dem man Klette Tony loswerden muss. Denn es ist nicht nur ein spannendes Adventure, sondern auch noch interaktiver Psychothriller, den man nach jedem Kapitel im stilechten Hochformat nachlesen kann. Jeder schreibt quasi seine eigene Geschichte, denn diese unterscheiden sich - wenn auch meist nur geringfügig. Je nachdem wie man eine Sache angeht, gibt es bisweilen mehrere Wege zum Ziel. All diese Optionen werden auch dokumentiert, inkl. der Versuche, die man brauchte. Allerdings könnte das ruhig noch öfters vorkommen, denn die Stellen mit echter Wahl bilden eher die Ausnahme.

Ex-Hotel Cape West

Natürlich kann man nicht nur das Gewesene betrachten, sondern auch die Gegenwart spielerisch gestalten. Die

Zeichnung des Mietshauses: Das Haus in dem alles spielt, war mal ein schickes Hotel. Allerdings birgt es so seine Geheimnisse. 
meisten dürften daher den ausführlichen Romanteil rasch hinter sich lassen, der bloße Spielerei ist, und zum eigentlichen Adventure übergehen, das jedoch auch nicht heute, sondern 1980 in Los Angeles spielt. Der Held Kyle Hyde treibt sich auch dieses Mal ausschließlich in einem Haus rum, nur dass es eben kein Hotel mehr ist wie in Hotel Dusk, sondern ein Mietshaus. Dort lebt nicht nur der gutaussehende Detektiv, der einst Polizist war, sondern auch noch die sonderbarsten Typen neben einsamen Witwen oder ziemlichen Normalos. Und jeder der Bewohner birgt ein Geheimnis, das er einem erst verrät, wenn man artig nachfragt. Wie im richtigen Leben will jeder ernst genommen werden und reagiert ungehalten, wenn man ihn verletzt.

Zum modernen Film Noir wird das Ganze erst, als Kyle ein paar ebenso hübsche wie mysteriöse Frauen trifft, dem einen oder anderen Geheimnis auf die Spur kommt und ein paar ungenehme Dinge über seine lieben Nachbarn herausfindet. Scheinbar verschwand in dem einstigen Hotel vor Jahrzehnte ein wertvoller Edelstein. Kyle will ihn finden, was sich aber nicht einfach gestaltet, da das alte Gebäude abgerissen werden soll. Er hat bereits die Kündigung bekommen, die er aus dem Briefkasten fischte. Wo soll man daher suchen, wenn alles längst Legende ist? Zudem geschah wohl vor 13 Jahren ein Mord im Haus, über den nur wenig bekannt ist. Scheinbar wurde der Mann der Vermieterin getötet. Darauf angesprochen, gibt sie an, dass es nur ein Unfall gewesen sei - was ist wahr? Schließlich hat Kyle selbst ungelöste Probleme, wie etwa den brutalen Tod seines Vaters, bei dem es immer noch keine heiße Spur gibt. Vielleicht findet er ja im Haus versteckte Hinweise?

Allerhand zu tun

Was der Schnüffler abseits des großen Dramas noch im Haus findet, sind jede Menge kleiner Aufgaben, die erledigt sein wollen.

Zeichnung von Kyle: Um alle zufrieden zu stellen, muss sich der Held ganz schön reinknien, wobei er herum kommt. 
So will die Vermieterin unbedingt die letzte Rate, die noch aussteht. Leider ist der Detektiv grad knapp bei Kasse, weil es beruflich nicht läuft. Also muss Kyle seine halbe Wohnung auf den Kopf stellen, um die Kröten zu finden, die dann ins schmucklose Inventar wandern - vorher geht's nicht weiter. Ein zweifelhafter Genuss, denn die Wohnung sieht nicht gerade detailreich aus. Die Macher scheinen nichts für schmucke Räume übrig zu haben, denn auch in Again waren die technischen Hintergründe eher bescheiden. Immerhin findet man alles, auch wenn zuvor umständliches Durchklicken angesagt ist - ein Hin und Her lässt sich nicht vermeiden, da man immer wieder an bereits besuchte Orte muss.

Hier stößt man auch auf aktive Minispiele, die auf dem Handheld unvermeidlich, aber auch ebenso rasch gemeistert sind. Da muss man schon mal Münzen aus einer Spardose bugsieren, was vollen Einsatz erfordert, aber auch durch eine intuitive Bedienung erleichtert wird. Bei solchen Passagen muss man alles selbst machen, so dass es hier mal nicht reicht, dass man wie sonst beim Adventure einfach den richtigen Gegenstand anbringt.

Natürlich gibt es auch richtige Rätsel, die aber meist schnell gelöst sind, da die Lösung offensichtlich ist. So muss man an einer Stelle ein runtergefallenes Puzzle wieder zusammensetzen - allerdings besteht es nur aus sechs Teilen. Immerhin sind die Rätsel abwechslungsreich, denn man muss immer wieder ganz verschiedene Dinge tun. Ob man ein Schloss öffnet, eine Abhörwanze sucht oder ein Kreuzworträtsel knackt; langweilig wird's eigentlich nie. Zudem kann man an der einen oder anderen Stelle sogar ein "Game Over" kassieren, wenn man sich für den verkehrten Weg entscheidet. Von den immer wieder neuen Aufgaben lebt die Motivation ebenso wie vom großen Mysterium des Cape West, hinter das man erst langsam kommt und das sich durchs ganze Spiel zieht.

   

Nachfrage erlaubt

Viele Aufgaben erfordern erst ein klärendes Gespräch, weshalb man sich einmal mehr mit allem und jedem unterhalten sollte. Die fehlerfrei übersetzten Textdialoge sind zwar nicht vertont, bieten aber erstaunlich viel inhaltliche Tiefe. Hier erfährt man nicht nur, wie der eine oder andere Mitbewohner tickt, man versteht auch seine emotionalen Hintergründe. Die Psychologie der virtuellen Darsteller wird immer deutlicher: Zunächst denkt man, man könne die Leute in Typen einteilen, aber im Laufe der Ermittlung wird immer klarer, dass jeder anders ist als gedacht. Und genau das macht den Reiz der Dialoge aus: Auch wenn es vielleicht das x-te Zwiegespräch ist, könnte sich inzwischen etwas Neues ergeben haben, da die Zeit ja weiterlief.

Es ergeben sich interessante Wendungen in der Story und es kommt endlich auch mal darauf an, ob man jemandem glaubt. Ist die blasse Marie aus Zimmer 204 wirklich eine unbescholtene Frau, die Mann und Bruder verloren hat, oder doch eine eiskalte Betrügerin, wie mancher glaubt? Um das rauszufinden, muss man immer wieder mal in den Befragungen nachhaken. Dann erscheint manchmal ein Symbol, mit dem sich per Stylus eine Nachfrage stellen lässt. Ansonsten sind die Fragen an bestimmten Stichworten festgemacht. Wieso wird Marie von einem seltsamen Typen verfolgt, den niemand kennt? Leider verlaufen die meisten Gespräche wie vorgegeben; man kann ihnen nur selten eine Richtung geben.

Gezeichneter Film

Auch optisch erinnert das vorläufig letzte DS-Abenteuer von Cing mit seinem Schwarz-Weiß-Look an einen Film Noir. Obwohl die Macher aus Japan stammen, ist wie auch in Again alles westlich gehalten. Manchem gezeichneten Gesicht sieht man dennoch die Herkunft an, was aber nicht weiter schlimm ist, da sie eher realistisch aussehen. Die Zwischensequenzen wurden stilecht mit animierten Comiczeichnungen gestaltet, was edel wirkt. Gediegen und wenig aufdringlich klingt auch die Musik, die insbesondere Jazzfreunde ansprechen dürfte. An einer Stelle gibt Kyle zum Besten, wie toll er Musik findet, was durch kleine Gimmicks unterstrichen wird. So kann man dem Radio lauschen oder auch von der Jukebox einen neuen Song auflegen lassen.

  

Fazit

Last Window: Das Geheimnis von Cape West ist ein würdiger Nachfolger von Hotel Dusk - auch wenn es nicht mehr derart überrascht wie der geniale Vorgänger. Vieles ähnelt dem großen Vorbild: Derselbe Detektiv, wieder ein düsteres Haus mit vielen kleinen und großen Geheimnissen sowie seltsame Typen, die es bevölkern. Gerade bei der psychologischen Darstellung hat Cing abermals Großes geleistet, denn die Bewohner wirken wie lebendige Charaktere mit Stärken, Schwächen und überraschenden Lebensläufen. Diese persönlichen Geschichten ziehen einen schnell in den Bann, so dass man anders als zuletzt bei Again immer wieder gerne ins Mietshaus zurückkehrt, um weitere Mysterien aufzudecken. Auch die Rätsel bleiben interessant bis zum Schluss, da man nicht immer dasselbe macht. Schade ist, dass sie manchmal etwas zu simpel sind und es in der Regel nur eine Lösung gibt. Anders als bei vergleichbaren DS-Abenteuern besitzen die Minispielchen einen recht geringen Nervfaktor, da die Bedienung intuitiv funktioniert - da macht es sogar Spaß, irgendetwas aus einem Versteck zu fummeln. Es gibt jede Menge tiefsinnige Dialoge, denen man sogar eine Richtung geben kann, auch wenn das etwas zu selten der Fall ist. Neben all diesen inhaltlichen Stärken bietet das Spiel zusätzlich eine Atmosphäre, die an einen spielbaren Film Noir erinnert. Man weiß nie so recht, woran man ist, weshalb die Story immer wieder frisch bleibt. Es ist jammerschade, dass Last Window das vorläufig letzte Spiel aus dem Hause Cing sein dürfte, da der japanische Entwickler bekanntlich Insolvenz anmelden musste.

Pro

spannende Story
ausgefeilte Charaktere
abwechslungsreiche Rätsel
psychologische Gespräche
bisweilen mehrere Lösungswege
eingängige Bedienung
man kann seinen Roman lesen

Kontra

Lösung zu offensichtlich
viel Hin und Her
mehrere Lösungswege selten

Wertung

NDS

Ein tiefgründiges Krimi-Abenteuer im Stil von Hotel Dusk, das aber das letzte sein dürfte, da die Macher leider Pleite sind.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.