Resident Evil: Deadly Silence19.03.2006, Jörg Luibl
Resident Evil: Deadly Silence

Im Test:

Resident Evil ist für alle da: Die Zombies schlurften auf der PlayStation, dem Saturn und dem PC. Sie wankten auf Dreamcast, PlayStation 2, Nintendo 64. Und erst kürzlich sorgte Capcoms Saga um Viren und Untote auf GameCube und PS2 für beeindruckende Bildgewalt. Nach zehn Jahre und zig Plattform erreichen die Untoten auch den Nintendo DS. Aber kann Survival-Horror im Miniformat funktionieren? Wir haben die Import-Fassung getestet.

Altes Szenario, neues Format

Ein Herrenhaus. Eine Spezialeinheit. Viele Zombies. Die Story von Resident Evil dürfte mittlerweile allen Survival-Horrorfans bekannt sein. Selbst bei Wikipedia können Veteranen ihr Wissen noch mal auffrischen oder Neulinge in die Hintergrundgeschichte abtauchen. Das ist allerdings nicht notwendig, denn sie ist weder besonders komplex noch tief

Oben die dynamisch aktualisierte Karte, unten ein Zombie zum Abschütteln.
schürfend: Wer als frisch gebackener Elite-Polizist loslegen will, sollte vielleicht wissen, dass man jetzt auf dem DS die bekannten Geschehnisse des ersten Teils zugrunde liegen. Der hatte schon 1996 auf der PlayStation für Gänsehaut gesorgt und damit das Fundament einer der berühmtesten Serien der Spielewelt gelegt.

Wer diesen Survival-Horror der ersten Stunde nacherleben will, schlüpft wahlweise in die Rolle von Chris Redfield oder Jill Valentine. Sie wollen dem Ursprung eines tödlichen Virus auf die Schliche kommen, der Menschen und Tiere in gefährliche Zombies verwandelt und schon einige Kollegen das Leben kostete. Dabei erforschen sie mehrere Etagen eines verwinkelten Herrenhauses, lösen Rätsel, verschieben Kisten und schießen sich den Weg frei bis hin zu Bildschirm füllenden Monstrositäten. Verirren kann man sich nicht, denn auf dem oberen Schirm des DS ist immer eine Karte zu sehen, die über ihre Farbe auch eure Gesundheit darstellt - flackert sie rot, solltet ihr euch schnell heilen.

Chris Redfield & Co

Die Figur bestimmt den Schwierigkeitsgrad und bis zu einem gewissen Grad den Weg durch das Abenteuer: Entscheidet man sich für Chris, kann man zwar mehr Treffer einstecken, aber man muss auf ein kleines 6-Plätze-Inventar zurückgreifen und auf den Dietrich verzichten - eine nicht zu unterschätzende Hürde. Spielt man Jill, sollte man zwar Nahkämpfe meiden, aber dafür hat man zwei Plätze mehr und findet auch mehr lebenswichtige Heilkräuter oder Gegenstände - die man übrigens heranzoomen und drehen kann, um Geheimnisse zu entdecken.

Egal, mit wem man das Haus erforscht: Beide brauchen nur etwas über ein halbes Dutzend Stunden, beide können mit ihren Waffen nach oben oder unten zielen, beide können Kisten und Schränke verschieben und beide leiden an der altbekannten Steuerung, die trotz der neuen 180-Grad-Drehung aufgrund der steifen Manöver sowie der Richtungsstarre zunächst Eingewöhnung bedarf: Man läuft immer relativ zum Blickwinkel und damit nicht unbedingt nach oben, wenn man nach oben drückt. Eine frei drehbare Sicht im Stile von Resident Evil 4 gibt es ebenso wenig wie ein freies Speichern; nur dort, wo die Schreibmaschine wartet, darf gesichert werden. Alte Zöpfe wurden hier nicht abgeschnitten, so dass in Sachen Bedienung eher der konservative Wind der Nostalgie als der frische der Innovation weht.

Kopie eines Klassikers

Vor allem im Classic-Modus bleibt man den Wurzeln treu. Was steckt dahinter? Wie der Name schon sagt: Eine 1:1-Kopie des PSone-Klassikers. Das ist zwar ideal für Spielehistoriker oder Veteranen, die sich gerne an die zerberstenden Fenster im Flur, die mysteriösen Wappen oder die Zeigerspiele der Standuhr erinnern, aber für Neulinge nicht unbedingt der beste Einstieg in die Reihe. Erstens wird hier nicht die neue DS-Technik ausgenutzt und zweitens kann man das alte Abenteuer mit dem hervorragenden Remake Resident Evil (4P-Wertung: 88%) auf dem GameCube heutzutage wesentlich packender und ansehnlicher erleben. Hinzu kommt: Trotz rollender Köpfe, großer Blutlachen und stöhnender Zombies will im Miniformat kein echter Nervenkitzel aufkommen. Entweder liegt es daran, dass die Story schon so vertraut ist, oder daran, dass die Kulisse im Kleinen einfach nicht so intensiv wirken kann. 

            

Dabei kann man technisch nicht meckern: Die Figuren bewegen sich butterweich, das Herrenhaus sieht sehr edel aus, die Schüsse klingen satt - gegen die zehn Jahre alte PlayStation-Fassung kann der DS tatsächlich einige Punkte machen. Apropos Klang: Man hört die Richtung, aus der die Schritte kommen und es gibt tatsächlich eine Sprachausgabe! Die Helden reden miteinander - das ist etwas, das man selbst auf dem GameCube oft schmerzlich vermisst. Aber die Freude währt nicht all zu lange: Die amerikanischen Sprecher (wir haben die Importfassung getestet) können nicht überzeugen - mancher

Neu ist der Messerkampf in Egosicht: Ihr könnt Stiche, Hiebe und sogar Kombos einsetzen, um die Zombies abzuwehren.
Kommentar wirkt unmotiviert, mancher Witz deplatziert. Angesichts des Horrors im Haus hätte man sich hitziger diskutierende oder wenigstens verzweifelte Akteure gewünscht. So hat das Ganze oft den Anschein eines lustigen  Wochenendausflugs. Auch das lässt die Nackenhaare nicht gerade steigen.

Leider gibt es auch andere Ärgernisse: Von Zombies verlangt man keine Intelligenz, aber sie sollten auch nicht an Ecken hängen bleiben. Und die mutierten Hunde sehen zwar gefährlich aus, umkreisen euch aber oftmals mehrere Runden, ohne dass sie ans Zubeißen denken - das sieht seltsam aus. Die Wegfindung der Monster wirkt auf dem DS jedenfalls nicht ganz ausgereift.

Wiedergeburt eines Klassikers

Aber das passiert nicht ständig und es gibt trotz aller kritik noch einen richtig unterhaltsamen Joker - den Rebirth-Modus. Hier erlebt man wesentlich mehr packende Momente als im Original, hier gibt es überarbeitete sowie ganz neue Rätsel und hier spielt der DS seine technischen Möglichkeiten aus: Ihr pustet bei einer Lebensrettung tatsächlich ins Mikro, ihr fuchtelt mit dem Stift oder Finger in Messerkämpfen und ihr könnt den Touchscreen auch zum Itemtausch oder zum Abschütteln der Zombies nutzen, die euch bereits in den Nacken beißen. Die neuen Rätsel sind zwar keine harten Kopfnüsse, aber das optimale Verschieben von Edelsteinen in wenigen Zügen verlangt einiges an Überlegung und sorgt für Abwechslung. Hier deutet der DS an, was man aufgrund der neuen Technik alles aus einem Klassiker rausholen kann.

Ansonsten ist das Spiel hier actionlastiger als im Original, ohne dass es in eine Arcade-Ballerei abdriftet - das sorgt für mehr unverhoffte Momente und kommt einer kleinen Flurbesichtigung für zwischendurch entgegen. Es kann z.B. immer vorkommen, dass die Ansicht nach dem Betreten eines Raumes plötzlich in die Egosicht wechselt und ihr euch im Messerkampf beweisen dürft - für mich eines der Highlights. Meist müsst ihr hier durch geschickte Hiebe und Stiche mehrere Zombies oder mutierte Hunde abwehren. Seid ihr erfolgreich, hinterlassen sie vielleicht Heilkräuter oder Magazine. All das dürfte sowohl für Veteranen als auch für Einsteiger noch mal einen Abstecher wert sein.

Multiplayer-Premiere

Genau so wie die beiden Multiplayer-Modi, für die jeder Spieler leider ein Modul braucht: Entweder erkundet ihr mit bis zu vier Leuten gleichzeitig auf diversen Karten das Herrenhaus, wobei die Lebenspunktanzeige für alle Teilnehmer gilt - eine schöne Idee, um das Teamplay zu fördern, denn ihr müsst gegen die Zeit arbeiten. Kooperative Aktionen wie gegenseitiges Decken oder Anschieben zu zweit gibt es allerdings nicht. Oder ihr spielt gegeneinander darum, wer möglicht schnell aus einem Bereich des Hauses fliehen und dabei die meisten Monster töten kann. Hört sich alles gut an, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Ihr könnt eure Mitstreiter nicht sehen. Sterne zeigen euch an, wo eure Kontrahenten gerade sind und in welche Richtung sie blicken - das ist nicht nur überaus gewöhnungsbedürftig, sondern auch ein Atmosphärekiller ersten Grades. 

   

Fazit

Ein Urgestein des Survival-Horror ist auf dem DS gelandet. Und es macht auch zehn Jahre nach dem Vorbild Spaß, sich mit Chris oder Jill durch das Herrenhaus zu rätseln, zu schieben und zu kämpfen. Vor allem im Rebirth-Modus lohnt sich der Zombietrip, denn hier sorgen die neuen Minispiele über Stift und Mikro sowie der spannende Messerkampf im Gegensatz zum Classic-Modus für etwas frischen Wind. Aber der monströse Putz bröckelt im Miniformat - vor allem, was die Atmosphäre angeht: Irgendwie will auf Nintendos Kleinem kein echter Nervenkitzel mehr aufkommen. Liegt`s an den platten Dialogen, die kein Gefühl von Bedrohung suggerieren? An den Wegfindungsproblemen der Monster? An der vertrauten Story? Auch die beiden Multiplayermodi dürften nur kurz unterhalten, denn hier sieht man statt Figuren nur Sterne - argh! Trotz dieser Schwächen ist der DS-Trip in die Pionierzeit des Genres immer noch empfehlenswert, denn hier und da zeigt die Neuauflage, welches Gänsehautpotenzial einst im Klassiker von 1996 steckte. Wer das richtig intensiv nacherleben oder in Capcoms Zombie-Saga einsteigen will, sollte jedoch besser zum GameCube-Remake aus dem Jahr 2002 greifen.

Pro

Sprachausgabe
ansehnliche Kulisse
neue Minispiele/Rätsel
Nostalgie für unterwegs
guter Mix aus Rätseln & Action
Classic-Modus wie 1996
einige gute Schockmomente
Rebirth-Modus mit neuen DS-Features
guter Messerkampf-Zusatz
Multiplayer-Modi (Koop, Versus)

Kontra

altbekannte Story
stimmungstötende Dialoge
gewöhnungsbedürftige Steuerung
kein freies Speichern, kleines Inventar
Gruselstimmung nicht mehr so intensiv
Mitspieler im Multiplayer nur als Sterne zu sehen
Zombies bleiben hängen, Hunde haben Aussetzer
Multiplayer benötigt mehrere Module

Wertung

NDS

Ein Urgestein des Survival-Horror ist auf dem DS gelandet. Obwohl der Nervenkitzel schwächelt, macht es Spaß!

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