Yoshi's Island DS14.12.2006, Paul Kautz
Yoshi's Island DS

Im Test:

1995, sieben Jahre nach dem brillanten Super Mario Bros 3 und fünf Jahre nach dem noch famoseren Super Mario World ging Letzteres endlich in eine zweite, wenn auch sehr ungewöhnliche Runde: Super Mario World 2: Yoshi’s Island. Der Protagonist war nicht mehr der schnauzbärtige Rotmützen-Klempner, sondern sein grüner Minisaurus-Freund Yoshi, während Mario als nicht mal Flaum tragendes Baby auf seinem Rücken ritt. Neben dem ideenreichen Leveldesign versetzte vor allem der einzigartige Grafikstil Fachleute und Laien in Staunen und einen Yoshi-Kaufrausch. Elf Jahre und viele ähnliche Games später wagt Nintendo endlich eine offizielle Fortführung der Saga - allerdings ohne Experimente.

Drei Babys und ein Dinosaurier

Was gäben die Yoshis nicht alles für ein bisschen Ruhe! Aber nö, direkt nach dem Abschluss des ersten Abenteuers steht schon wieder Ärger ins Haus: Kamek, der miese Magier, der im ersten Teil ordentlich von den Yoshis auf den Deckel bekommen hat, gibt einfach nicht auf. Schwuppdiwupp entführt der Übelwutz alle Kinder, doch

Meine Güte, ist das süß! Und dann solltet ihr es erstmal in Bewegung sehen!
ausgerechnet die wichtigsten davon, Baby Mario und Baby Peach, gehen ihm aufgrund der Dusseligkeit seiner Schergen durch die Lappen. Immerhin hat er den kleinen Luigi in seiner Gewalt, den es mal wieder zu befreien gilt!

Das klingt irgendwie vertraut? Macht euch nichts draus, denn es wird nicht das letzte Déjà-vu bleiben: Tatsächlich dürfte es schon seine Gründe haben, warum Nintendo ziemlich überraschend aus »Yoshi's Island 2« ein »Yoshi's Island DS« (YIDS) machte, ohne für das sonst obligatorische DS-Wortspiel zu sorgen. Denn YIDS ist kein zweiter Teil. YIDS könnte man als Add-On zum ersten bezeichnen, das sich auf den beiden Bildschirmen des DS breit macht. Kenner des Originals werden sich sofort heimisch fühlen, was nicht nur am übernommenen Grafikstil liegt - auch spielerisch gibt es nur wenige Veränderungen. Das geht beim süßen Klimperintro los, das in die im Hauptmenü rotierende Yoshi-Insel mündet - ganz wie im Original. Yoshi kann mit seiner meterlangen Zunge nach Gegnern schnappen, die einen schnellen Verdauungsvorgang später als bunt gescheckte Eier hinten wieder rauskommen, mit denen er dann munter um sich werfen kann - ganz wie im Original. Es gibt Warpröhren, Bonuslevels, sammelbare rote Münzen und Blumen - ganz wie im Original. Ihr könnt euch an bestimmten Stellen in einen Heli-, Wühl- oder U-Boot-Yoshi verwandeln - ganz wie im Original. Und natürlich trägt Yoshi nach wie vor ein Baby auf dem Rücken, das in erster Linie dazu dient, bei Gegnerkontakt abzufallen und höllisch zu quäken, während es Yoshis (und damit des Spielers) Aufgabe ist, den Schreihals innerhalb eines Zeitlimits wieder aufzufangen, bevor Kameks Häscher zugreifen und ein Leben futsch ist. Darüber hinaus verleiht jedes Balg dem kleinen Saurier spezielle Fähigkeiten: Baby Peach hat einen rosa Schirm dabei, mit dem sich Yoshi von aufsteigenden Winden tragen lassen kann. Baby Mario kann spezielle Blöcke sichtbar machen und macht Yoshi etwas mehr Dampf unter den Beinen. Nach kurzer Zeit krakeelt auch Baby Donkey Kong auf dem Sattel herum, mit dem man an Ranken und Lianen herumklettern kann. Im späteren Spielverlauf gesellen sich noch Baby Wario (kann mit einem Magneten Münzen und metallische Plattformen heranziehen - die unnützeste Fähigkeit im ganzen Spiel!) und Baby Bowser dazu, der Flammen 

Mit jedem Wicht bekommt Yoshi neue Eigenschaften - Baby Donkey Kong turnt munter an Ranken herum!
spucken kann. An speziellen Ruf-den-Klapperstorch-Stationen könnt ihr die Babys wechseln, was die wichtigste Neuerung von YIDS ist. Denn wie bei den Lost Vikings müsst ihr für eine optimale Boni-Ausbeute, oder gelegentlich um einfach weiterzukommen, die Babys taktisch klug wechseln - praktischerweise hat das auch einen positiven Effekt auf den Wiederspielwert des Moduls: Dadurch, dass nur bestimmte Babys an bestimmte Plätze kommen, und man die beim ersten Durchspielen mit Sicherheit nicht alle zu Gesicht bekommt, ist die Versuchung groß, dieselben Levels mit einem anderen Schreihals nochmals anzugehen.

Geisterkloppe

Yoshi's Island DS ist kein sehr umfangreiches Spiel: fünf Welten à acht Levels macht summa summarum etwa acht Stunden Unterhaltung. Yoshi's Island DS ist nicht mal ein besonders schweres Spiel: Es ist herausfordernder als Super Princess Peach, aber deutlich einfacher als New Super Mario Bros. Solltet ihr euer Geld trotzdem in dieses Spiel stecken, teurer Jump-n-Run-Freund? Aber ja, jeder einzelne Cent davon ist hervorragend investiert! Denn der Umfang ist nur vordergründig eher mau, denn in jeder Welt gibt's drei Bonuslevels, die erstmal gefunden werden wollen, außerdem sind die Abschnitte deutlich größer als im Original. Nach dem ersten Durchspielen wird der Time Trial-Modus freigeschaltet, in dem ihr alle Levels nochmal gegen die Zeit in Angriff nehmen könnt. Auch der Schwierigkeitsgrad ist nur auf den ersten Blick Kikifax, denn obgleich es verdammt viele Möglichkeiten gibt, Extraleben zu verdienen, im Gegensatz dazu ziemlich wenige, dieselben wieder zu verlieren, kann man sich das Saurierleben auch gerne absichtlich schwer machen: Wirklich alle Boni, alle Zusatzwelten und alle Endsequenzen zu finden, ist echte Knochenarbeit für Profis!           

Am Ende jeder Welt, meist auch schon davor, wartet ein dicker Boss auf seine Abreibung. Und an diesen Stellen haben die Designer ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und einige der interessantesten Kämpfe auf dem DS gestaltet! Nicht nur, dass die Obermotze meist auf eine Bildschirmgröße aufgepustet werden, auch gibt es eher selten einen direkten Weg, sie zu erledigen: Da wäre z.B. die von der Decke baumelnde Fleischfresserpflanze,

Die End- und Zwischengegner erstrecken sich meist über beide Bildschirme.
die ihr mit Eiern beschießen könnt, bis ihr schwarz werdet. Stattdessen müsst ihr im geeigneten Moment einen dicken Felsen so positionieren, dass die Pflanze beim Herunterschnappen ihre Zähne anknackst und die Zunge baumeln lässt - was der richtige Moment für ein gut gezieltes Ei wäre. Oder der Geist, der das Gefecht auf den Touchscreen spiegelt, und auch nur dort verwundbar ist. Ideen wie diese ziehen sich durchs ganze Spiel.

Hab mich liiiiiieb!

Die Grafik von Yoshi's Island war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einzigartig - und sie ist es heute noch, schließlich hat sich bis jetzt kaum ein anderer Hersteller an einen derart ungewöhnlichen Stil gewagt, der dabei rauskommt, wenn man Skizzen, Wachsmalstifte und Comics kombiniert. Das geht schon beim Intro los, das so zuckersüß ist, dass man vom Betrachten Karies bekommt. Und natürlich entspricht das Hauptstil diesem »2D-Cel-Shading«, das Fans so zu lieben gelernt haben: Farbenfrohe Levels, deren Objekte dicke, zerfaserte Ränder haben (wenn auch weniger dick als gehabt, was die Sache etwas sauberer aussehen lässt, außerdem sind die Konturen aller Objekte durch die höhere Auflösung etwas feiner), grandiose Animationen aller Beteiligten, herrliche Ideen: Da plantschen Feinde mit Rettungsringen in tropischen Gewässern, da grinsen Hoppelblumen und pfeifen eine fröhliche Melodie, bevor sie von Yoshi verschnurpst werden, da rudert selbiger beim Flugversuch wild mit den Armen, während sein Gesicht zu einer Maske der Entschlossenheit wird! YIDS entspricht dem Look&Feel des Vorbilds zu 100% - tatsächlich habe ich mich während des Tests einmal vergewissert, dass sich nicht das GBA-Modul irgendwie in den DS geschmuggelt hat. Die gesamte Kulisse basiert auf handgepixelten 2D-Bildern, kein Polygönchen weit und breit - was bei New Super Mario Bros wunderbar funktionierte, hätte hier wohl den Stil völlig zerrissen.

Wie z.B. auch Sonic Rush nutzt YIDS den zweiten Screen zur vertikalen Vergrößerung des Sichtbereichs; das Touchpad an sich kommt nur beim Minispiel zum Einsatz. Die physikalische Lücke zwischen den beiden Screens, die bei Sonic Rush spielerisch nicht existierte, gibt es hier allerdings - 

Im Laufe des Abenteuers könnt ihr diverse Fortbewegungsmittel nutzen - außerdem verwandelt sich Yoshi selbst ein paar mal.
und das ist ein Problem. Denn da, wo ihr nichts seht, ist dennoch Spielfeld, das einfach nicht angezeigt wird! Da fehlt einfach etwas, leider oft genug genau das, was man zu sehen beabsichtigt - ein Feind, ein Bonus, irgendetwas in er Art. Lösung: L-Taste gedrückt halten und nach oben bzw. unten drücken, damit verschiebt ihr nämlich die Perspektive. Damit wird zwar wieder Übersicht hergestellt, allerdings steht diese Methode dem Spielfluss im Weg.

Klimper-Klimper

Wo die Kulisse schon so schnuckiputzig ist, kann auch die Akustik nicht schlimm sein, oder? Stimmt auch, denn genau wie die Grafik folgt auch der Sound den mächtigen Fußspuren des Vorgängers: Herzergreifend niedliche Klimper-Melodien, die mal wie eine Spieluhr klingen, mal etwas panflötenlastig sind, umschmeicheln den Gehörgang ebenso wie die altbekannten Effekte - die kreischenden Babys mal ausgenommen. Wie auch bei New Super Mario Bros. gibt's auch hier ein witziges Geräusch, wenn man den DS zuklappt: den Sound, den Yoshi beim Verschlingen eines Gegners macht - und beim Aufmachen wird wieder »Yoshiii!« gejuchzt. In den Spieloptionen dürft ihr neben Stereo- und Kopfhörersound auch Surround-Klänge anwählen, wobei die Effekte bei dieser Einstellung interessanterweise hauptsächlich von der linken Seite zu kommen scheinen.

Multiplayerfreunde bleiben hier traditionsgemäß auf dem Trockenen sitzen, aber Solisten bekommen immerhin noch einen Batzen Minigames fürs Geld, die nach und nach freigeschaltet werden: Da gibt's mal eine Freiflugvariante, ein Ziel-Eierschießen oder ein Baby-Freirubbeln, bei dem der sonst so sträflich vernachlässigte Stylus ins Spiel kommt.      

Fazit

Ja, das DS statt der 2 im Namen hat schon seinen Grund: Der neue Yoshi ist eigentlich der alte Yoshi, der Sprung auf den zweiten Screen bringt spielerisch und optisch kaum Fortschritte, Yoshi's Island DS ist im Grunde ein Komplettrecycling des Vorgängers. Kann man das dem Spiel übel nehmen? Nein. Das geht einfach nicht. Denn hier ist Liebe! Liebe in jedem Pixel! Liebe in jeder Note! Liebe in jedem bekloppten Endgegner, Liebe in jeder Fleischfresserpflanze, die betrübt und von einem traurigen Moll-Akkord begleitet in sich zusammenschrumpft, weil sie ein grünes, gut gezieltes Ei vor den Latz geschossen bekam. YIDS ist einfach eines der knuffigsten und liebenswertesten Spiele unserer Zeit, das vermutlich sogar Gevatter Beckstein samt Konsorten zu überzeugten Videospielern machen würde! Nein, es ist nicht perfekt: Die Lücke zwischen den beiden Bildschirmen ist wirklich lästig, das Baby-Wechsel-Spielchen wirkt gelegentlich aufgezwungen. Und es kann einfach nicht mit der schieren Genialität eines New Super Mario Bros mithalten, dafür hat sich Artoon etwas zu sehr auf das Bewährte verlassen. Und dennoch dürfte es gegenwärtig kaum ein Game geben, das vom ersten Augenblick an so sympathisch und becircend rüberkommt, wie Yoshi's Island DS!

Pro

glorreiche Kulisse
liebevolles Design
unterschiedliche Baby-Eigenschaften
knuffige Musik
einfache Steuerung
bleibt dem Geist des Originals treu
viel zu entdecken
abwechslungs- und ideenreiche Levels
guter Wiederspielwert
tolle Bosskämpfe

Kontra

- ärgerliche Screen-Lücke
kaum spielerische Fortschritte
Baby Bowser ist im Grunde nutzlos

Wertung

NDS

Liebe in jedem Pixel! Yoshis neues Abenteuer ist ein Sympathieträger erster Kajüte!

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