Black Sigil: Blade of the Exiled30.11.2009, Jens Bischoff
Black Sigil: Blade of the Exiled

Im Test:

Auf dem DS feierten schon so einige Rollenspielklassiker der 16Bit-Ära ein Comeback. Mal deutlich aufgebohrt wie bei Final Fantasy oder Dragon Quest , mal nahezu unverändert wie zuletzt bei Chrono Trigger . Es gibt aber auch neue Spiele, die auf das damals populäre Aussehen und Spieldesign setzen, wie das leider nur via Import erhältliche Black Sigil. Der Anblick verzückt jedes Retroherz, doch stimmen auch die inneren Werte?

Vom Außenseiter zum Weltenretter

Protagonist Kairu hat ein schweres Schicksal. In einer Welt, in der jeder über magische Kräfte verfügt, ist er der einzige, dem diese Gabe verwährt blieb. Noch schlimmer: Das letzte Mal als jemand dieses Talent vermissen ließ, kam es zu einem heftigen Krieg, an dessen Ende der Sonderling in einer magisch versiegelten Höhle eingesperrt wurde.

Video: Auf den ersten Blick scheint Black Sigil ein Traum für jeden Retro-Rollenspieler...Damit sich diese Tragödie nicht wiederholt, entschließt sich Kairus Stiefvater schweren Herzens auch seinen Adoptivsohn in dieser Höhle auszusetzen; in der Hoffnung, dass er eines Tages doch noch zu magischen Kräften gelangt und sich befreien kann. In seinem finsteren Exil beginnt Kairu dann eine Stimme zu hören, die von einer Möglichkeit spricht, den Fluch von ihm zu nehmen und zusammen mit seiner ihm heimlich gefolgten Stiefschwester Aurora entdecken die beiden einen Zugang zu einer fremden Welt, in der sie noch ganz andere Probleme erwarten...

Black Sigils Story mag nicht die originellste oder spannendste sein, wird aber handwerklich solide inszeniert. Es gibt durchaus emotionale Momente, unerwartete Überraschungen und auch der Humor kommt nicht zu kurz. Die Charaktere sind recht einfach gestrickt, aber glaubhaft und sympathisch. Neben Kairu und Aurora erlangt man im Spielverlauf die Kontrolle über sechs weitere Figuren, die auch immer wieder eigene Wege gehen oder anderweitig voneinander getrennt werden. Gelegentlich kontrolliert man sogar zwei Partys gleichzeitig, zwischen denen man auf Knopfdruck wechseln kann. Dadurch wird man quasi gezwungen sich mit jedem Gruppenmitglied zu beschäftigen, statt ständig nur mit dem persönlichen Lieblingstrio unterwegs zu sein, was durchaus positiv zu sehen ist. 

Black Sigils Oberwelt ist trist und überschaubar. Trotzdem weiß man manchmal nicht, wo man eigentlich hin soll.
Erfreulich ist dabei, dass auch inaktive Gruppenmitglieder Erfahrung gewinnen und aussteigende Gefährten ihre Ausrüstung ins Inventar zurücklegen, damit man nicht plötzlich ohne dringend benötigte Schutzamulette oder Ähnliches da steht.

Wer sucht, der findet

Der Spielverlauf ist zwar sehr linear, es gibt aber auch abseits des Hauptplots einiges zu entdecken. Mitunter verpasst man sogar ganze Städte, wenn man immer nur stur von Story-Event zu Story-Event eilt. Doch selbst wenn man das wollte, ist es nicht immer einfach den nächsten Zielort auszumachen - vor allem wenn man mal wieder keinerlei Anhaltspunkte bekommen hat, wo man als nächstes hin soll, was leider immer wieder vorkommt und einen planlos durch die Gegend irren lässt. Aufwändige Nebenquests sind zwar selten, aber teils ungemein lukrativ. Je nach aktuellem Anführer reagieren sogar NPCs unterschiedlich. Manchmal bekommen sogar nur bestimmte Figuren einen Auftrag erteilt. Auch das penible Erkunden der Spielumgebungen lohnt sich. Die einzelnen Schauplätze sind zwar meist recht überschaubar, aber fast überall kann man versteckte Schätze und verborgene Geheimabschnitte entdecken. Lediglich Trips über die triste Weltkarte sind wenig prickelnd und ungemein zäh - zumindest, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Später kann man auch bequem per Segelboot oder Luftschiff reisen, an der Trostlosigkeit der Spielumgebung ändert das aber nichts.

Betritt man Städte, Dungeons oder andere spielrelevante Orte, weiß die optische Darstellung jedoch zu gefallen. Der an Klassiker wie Chrono Trigger erinnernde Retro-Look wartet mit vielen liebevollen Details und Animationen auf. Auch Figuren und Effekte fügen sich stimmungsvoll ins Gesamtbild ein. Akustisch hätte ich mir allerdings eine nicht ganz so angestaubte Untermalung gewünscht. Musikalisch gibt es zwar nicht viel auszusetzen, die Melodien bauen trotz ihrer vergleichsweise schlichten Orchestrierung immer wieder passende Stimmungen auf, aber die Sound-FX klingen teils doch reichlich antiquiert. Auch die teils rar gesäten Speicherpunkte wirken nicht unbedingt zeitgemäß und bringen in Abschnitten, in denen man längere Zeit ohne Versorgungsmöglichkeiten feststeckt, auch Profis hin und wieder in die Bredouille.       

Gewusst wie

Stolpert man über Gegner, die fiese Statusveränderungen wie Lähmung, Fluch oder Soforttod hervorrufen, gegen die man gerade nicht gewappnet ist, kann es schnell Game Over heißen, da Ausrüstungswechsel während der Kämpfe tabu sind. Auch die im Gefecht zur Verfügung stehenden Gegenstände, jede Figur kann maximal vier Items tragen, können während eines Kampfes nicht geändert werden. Immerhin kann man, wenn man nicht gerade von einem Boss überrascht wurde, versuchen zu fliehen. Eine erfolgreiche Flucht kann aber dauern oder aufgrund bereits erlittener Verzauberungen bereits unmöglich sein. Allerdings muss man erst einmal darauf kommen, durch Halten der B-Taste zur Flucht zu blasen, da diese Funktion von Spiel und Anleitung komplett unterschlagen wird. Auch sonst werden einige Elemente nur dürftig oder überhaupt nicht erklärt. Die Charakterattribute werden z. B. nur als Symbole dargestellt, die nirgends erläutert werden.

Das ATB-Kampfsystem macht trotz kleinerer Mankos und nerviger Engpässe eine gute Figur.
Manche Bedeutungen kann man sich mit etwas Erfahrung zusammen reimen, andere bleiben ewig ein Rätsel, was natürlich besonders toll ist, wenn man neue Ausrüstungsgegenstände findet, die bestimmte Werte verbessern, andere wiederum verschlechtern, man aber keine Ahnung hat, was sich eigentlich verbessert bzw. verschlechtert...

Ansonsten ist das taktische Zuweisen von Ausrüstungen mit verschiedenen Resistenzen und Gebrauchsgegenständen mit spezifischen Heilfähigkeiten aber sehr motivierend. Auch die Zusammensetzung der Party sollte stets wohl überlegt sein, da jeder Charakter unterschiedliche Fertigkeiten besitzt sowie abhängig von seinen momentanen Teamkollegen andere Kombos lernen und anwenden kann. Gekämpft wird mit klassischen ATB-System (Active Time Battle), bei dem jeder Charakter eine Zugleiste besitzt, die, sobald sie komplett gefüllt ist, eine Aktion erlaubt: Man kann einen konventionellen Angriff starten, einen Gegenstand einsetzen oder eine Spezialfertigkeit nutzen. Sind die Zugleisten anderer Charaktere ebenfalls voll, kann man auch eine Kombo ausführen. Danach wird die Leiste zurückgesetzt und beginnt sich erneut zu füllen.

Kampf mit Hindernissen

Per Knopfdruck kann man zwischen aktionsbereiten Charakteren hin und her schalten oder sie sogar ähnlich wie bei Star Ocean manuell durch die mit Hindernissen gespickten Kampfarenen bewegen, um sich für bestimmte Aktionen besser zu platzieren. Gerade Spezialfertigkeiten, zu denen auch Zauber zählen, hängen oft von gutem Stellungsspiel ab, da die Wirkungsflächen begrenzt sind und man sich schnell gegenseitig im Weg steht. Ansonsten bewegen sich die Akteure aber, wenn nötig und möglich, automatisch. Bei speziellen Manövern wie kleinflächigen Gruppenheilungen oder ortsgebundenen Kombos kommt man um manuelle Positionierungen jedoch nicht herum. In besonders engen Arenen kann es jedoch passieren, das man sich überhaupt nicht von der Stelle bewegen kann, was besonders dann nervig ist, wenn Nahkämpfer tatenlos hinter Zauberern feststecken ohne ihre Position wechseln zu können.

Hin und wieder kommt es auch vor, dass das Aktionsmenü vom Charakterfenster verdeckt oder ein bei der Befehlsvergabe noch offener Weg plötzlich von Gegnern versperrt wird. Manchmal sucht sich der Charakter dann selbstständig ein anderes Ziel, oft wird die Aktion aber einfach abgebrochen und die Zugleiste trotzdem geleert. Ansonsten macht das Kampfsystem aber eine gute Figur. Wer will, kann sogar das Spielgeschehen bei der Aktionsauswahl pausieren lassen, was zwar nur bei bestimmten Menüs auch in die Tat umgesetzt wird, aber immerhin bei Flächenangriffen dafür sorgt, dass ein anvisierter Gegner bei der Befehlsausführung nicht plötzlich wo ganz anders steht wie bei der Befehlsvergabe.       

Zu viel des Guten

So weit, so gut. Was aber wirklich tierisch nervt, ist die Häufigkeit der per Zufallsgenerator initiierten Auseinandersetzungen. Alle paar Sekunden wird man in einen Kampf verstrickt. Anfangs ist das einfach nur lästig, in späteren Abschnitten, wo man verschachtelte Labyrinthe ohne jede Orientierungshilfe und teils auch noch unter Zeitdruck durchläuft, ist es eine Tortur sondergleichen. Das führt sogar so weit, dass man überhaupt keine Lust mehr hat nach verborgenen Schätzen oder geheimen Bereichen zu stöbern, sondern die Areale einfach nur noch möglichst schnell hinter sich bringen will - zur Not auch mit vorgefertigten Karten aus dem Netz.

Das Erkunden der Dungeons wird einem von Kampfunterbrechungen im Sekundentakt vermiest. 
Hier hätten die Entwickler einfach mehr Fingerspitzengefühl an den Tag legen müssen, denn selbst wenn man altmodischen Zufallskämpfen gegenüber positiv eingestellt ist, wird die Schmerzgrenze hier deutlich überstrapaziert.

Als Hilfsmittel, um die Spielzeit künstlich in die Länge zu ziehen, hätte Black Sigil diese hohe Kampffrequenz jedenfalls nicht nötig gehabt. Denn inhaltlich wird auch so mehr als genug geboten. Spielerisch macht es aber aus einem an sich guten Titel, eine Qual, die nur wenige bereit sein dürften, über sich ergehen zu lassen. Doch auch bei Spielbalance und Programmierung hat man unnötig geschlampt. Statt eines kontinuierlich ansteigenden Schwierigkeitsgrades, schwanken die Herausforderungen eher willkürlich zwischen "ohne entsprechende Vorbereitung unmöglich zu schaffen" und "Hm, das soll ein Bossfight gewesen sein? Hat der überhaupt mal zugeschlagen?" hin und her.

Mangelnde Qualitätssicherung

Vor technischen Unzulänglichkeiten bleibt man ebenfalls nicht verschont. Bereits nach zehn Minuten ist das Spiel das erste Mal unwiederbringlich eingefroren. Nur wenig später wurde das Inventar fehlerhaft angezeigt. Dann verschwand in einem Kampf plötzlich der Zielcursor, Texte begannen sich unlesbar zu überlappen usw. Kein Wunder, dass selbst die Entwickler im Handbuch dazu raten regelmäßig zu speichern und sich ja nicht auf die ebenfalls mögliche Quick-Save-Funktion zu verlassen, die lediglich dazu dient, das Spiel an Ort und Stelle Strom sparend zu pausieren, wenn man plötzlich weg muss. Immerhin können bei Black Sigil zwischen zwei Speicherpunkten mehrere Stunden Spielzeit liegen, die man sonst verlieren könnte...

Zum Glück waren schwerwiegende technische Mängel oder spielerische Sackgassen während unseres Tests eher die Ausnahme. Dass man es mit der Qualitätssicherung aber nicht besonders ernst genommen hat, war jedoch offensichtlich und zusammen mit der absurd hohen Kampffrequenz ein nicht wieder gut zu machender Tiefschlag für den Spielspaß. Dabei wären viele Probleme leicht erkenn- und vermeidbar gewesen. Löblich ist hingegen, dass man das Spiel sowohl per Tasten- als auch Stylus-Steuerung spielen kann. Da beide Varianten gleichzeitig aktiv sind, sind sogar fliegende Wechsel und Kombinationen möglich. Für etwas mehr Feinschliff hätte aber sich jeder bereitwillig auf derartigen Komfort verzichtet.   

Fazit

Wer alte japanische Rollenspielklassiker wie Chrono Trigger mag, wird Black Sigil schnell in sein Herz schließen: Der Retro-Look ist ungemein charmant, das zeitlose ATB-Kampfsystem handlich und facettenreich, das Erkunden der Spielumgebungen auf der Suche nach versteckten Schätzen ebenso lukrativ wie motivierend. Schön ist auch, dass manche NPCs je nach Anführer unterschiedliche Kommentare abgeben oder Aufgaben anbieten und man je nach Zusammensetzung der Party verschiedene Kombos lernen und anwenden kann. Die Charaktere sind sympathisch, die Story unterhaltsam und humorvoll inszeniert. Auch am Umfang gibt es nichts zu mäkeln. Wären da nur nicht diese völlig überzogenen Zufallskämpfe! Alle zwei, drei Sekunden wird man jäh aus dem Spielfluss gerissen, was nicht nur beim Erforschen komplexerer Dungeons oder Abschnitten mit einem unerbittlichen Countdown im Nacken eine Zerreißprobe darstellt. Oft gehen dabei sämtliche Ressourcen drauf, ohne die Möglichkeit zu haben, für Nachschub zu sorgen oder vor Bossfights zu speichern. Zudem werden einige Spielelemente nirgends erklärt oder komplett verschwiegen. Manchmal weiß man nicht mal, wo man überhaupt hin muss. Und dann wäre da noch die schlampige Qualitätskontrolle, die von unvollständig eingeblendeten oder unlesbar überlagerten Menüs, über sich aufhängende Quests bis hin zu kompletten Spieleinfrierungen reicht. Zum Glück treten diese Mängel eher selten auf, aber zusammen mit den anderen Unzulänglichkeiten, wird der Spielspaß immer wieder empfindlich ausgebremst. Und das ist extrem schade, denn mit etwas mehr Fingerspitzengefühl hätte Black Sigil ein wirklich gutes Retro-Rollenspiel abgegeben...

Pro

ordentlicher Umfang
charmanter Retro-Look
Party abhängige Kombos
solides ATB-Kampfsystem
motivierende Erkundungsreize

Kontra

mangelnde Qualitätskontrolle
übertrieben viele Zufallskämpfe
Übersichts
& Orientierungsprobleme

Wertung

NDS

Charmantes Retro-Rollenpiel, das sich mit exorbitanten Zufallskämpfen und schlampiger Qualitätskontrolle selbst zu Grunde richtet.

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